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Sherlock Holmes

Filmkritik

Sherlock Holmes

| Ralph Umard |

Unkonventionell inszeniertes Comeback des genialen Detektivs

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Sein Arm ist von Einstichnarben übersät. Dreimal täglich injiziert sich Sherlock Holmes Drogen. „Was ist es heute“, fragt ihn Doktor Watson zu Beginn von Arthur Conan Doyles Romans „The Sign of Four“, „Morphium oder Kokain?“ „Eine siebenprozentige Kokainlösung“, antwortet Holmes.

Im neuen Kinoabenteuer wird der Rauschgiftkonsum des exzentrischen Kriminologen mit keinem Wort erwähnt. Der Film mit dem altbekannten Helden ist für jugendliche Zuschauer konzipiert, für die gäbe er als Junkie ein schlechtes Vorbild ab. Doch manchmal agiert Robert Downey Jr. in der Titelrolle wie unter Drogeneinfluss. In einer Szene hockt er abgeschlossen von der Außenwelt und sichtlich verwahrlost mit zerzaustem Haar in seinem Zimmer, das sich in einem chaotischen Zustand befindet, und schießt mit einem Revolver Löcher in die Wand.

Regisseur Guy Ritchie und Produzent Joel Silver präsentieren Holmes als eigenartige Mischung aus Martial Artist und Mad Scientist: Er macht skurrile Experimente mit Fliegen im Reagenzglas und verprügelt brutale Muskelmänner und ganze Horden von Gegnern, unbesiegbar wie ein Comic-Superheld. Er tritt auf wie ein Rowdy – und entspricht damit so gar nicht dem Bild von Sherlock Holmes als britischem Gentleman und messerscharf kombinierenden Meisterdetektiv, wie man es aus Arthur Conan Doyles vier Romanen, vielen Kurzgeschichten und zahlreichen Filmadaptionen kennt. Im Kino prägte Basil Rathbone die Figur Sherlock Holmes, unvergessen auch Hans Albers’ vergnüglicher Auftritt als Der Mann, der Sherlock Holmes war. Downey spielt den Meisterdetektiv als schlagkräftigen Draufgänger mit (nach)lässigem Charme und innerlicher Schwäche für eine Femme fatale. Er beeindruckt mehr als Kampfkunst-Experte als durch die Kunst der Deduktion.

Wie schon in RocknRolla frönt Guy Ritchie seinem Faible für das visuelle Effekte-Kino: mit Reißschwenks, Zeitlupen, Stop Motion, Flashbacks, Kameraflügen und jeder Menge per Computer kreierter Bildelemente. Dabei arbeitet er mit wackeligem Handlungsgerüst und bringt Nebenfiguren nur unzulänglich ins Spiel. Immerhin verfügt er mit Mark Strong über einen imposanten Schurkendarsteller: Als satanischer Serienmörder von adligem Geblüt strebt er die Weltherrschaft an. Am Rande wird Holmes’ Erzfeind Professor Moriarty eingeführt, womit im Falle eines Kassenerfolges des Films die Fortsetzung programmiert ist.