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„Avatar“ 3-D-Film

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3-D is Back again!

| Leo Moser |

Fliegende Skelette, Geisterbrillen, Gerüche, bebende Säle, Elektroschocks für die Zuseher, bombastische Ton- und Filmsysteme, räumliches Sehen und andere „technische Gimmicks“ sollten das Potenzial des Kinofilms von Beginn seiner Geschichte an bereichern und das Publikum in Massen anlocken. Dank des aktuellen Erfolges von James Camerons Epos „Avatar“ genießt der 3-D-Film nach Jahren in der Versenkung wieder breiteste Bewunderung. Grund genug, die Geschichte dieser von Kritikern lange gescholtenen Filmtechnik Revue passieren zu lassen.

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Die Pionierjahre

Einsame Helden der frühen 3-D-Filmtechnik waren der britische Physiker Sir Charles Wheatstone (1802–1875), der 1838 die erste Guckkasten-Apparatur erfand, durch die Papierfotostreifen gezogen wurden sowie der Fotograf William Friese-Greene (1855–1921), der 1889 die erste 3-D-Filmkamera erfand, um Alltagsszenen aus dem Londoner Hyde Park unter dem Endlos-titel Leisurely Pedestrians, Open Topped Buses and Handsome Cabs with Trotting Horses auf Film zu bannen. Die Präsentationen dieser und weiterer Produktionen mittels stereoskopischer Geräte, durch welche die Zuschauer die Leinwand betrachten mussten, wurden jedoch als schwerfällig betrachtet und bereiteten dem System ein jähes Ende. (Die skurrile und tragische Lebensgeschichte Friese-Greenes, der knapp vor seinem Tod auch noch für die Entwicklung des Farbfilms verantwortlich zeichnete, wurde übrigens 1951 unter dem Titel The Magic Box mit Robert Donat und Maria Schell verfilmt.) Von den Innovationen dieser „unsung heroes“ profitierten die französischen Filmpioniere Auguste und Louis Lumière, die 1903 mit LArrivée dun train, dem einminütigen 3-D-Remake ihres gleichnamigen Frühwerks von 1895, auf der Weltausstellung in Paris für Furore sorgten. Gezeigt werden konnte dieser Kurzfilm allerdings immer nur einer Person mittels eines modifizierten Guckkastens. Bis sich der Status der Jahrmarktsattraktion zur cineastischen Kunstform wandelte, sollten allerdings noch Jahre vergehen. So gab es erst 1915 in den USA zarte Versuche, mit anaglyphen Rot/Grün-Filterbrillen einige Szenen des Spielfilms Jim the Penman räumlich zu präsentieren und 1922 mit den komplett in 3-D gedrehten Langfilmen The Power of Love und M.A.R.S..

Der erste „seriöse“ Versuch das „räumliche Sehen“ im Kino zu etablieren misslang selbst einem angesehenen Regisseur wie Abel Gance, der für seinen Monumental-Film Napoleon (1925) nicht nur mit einem Vorläufer des monströsen Kinosystems „Cinerama“ – der Projektion von drei parallel geschalteten Vorführgeräten – experimentierte, sondern auch Teile im rot-grünen Anaglyphen-System drehte. Diese Sequenzen wurden allerdings vor der Premiere aus technischen und finanziellen Gründen entfernt und gelten heute als verschollen.

Erst Mitte der 1930er Jahre kam wieder Bewegung in das unausgereifte System, als der amerikanische Physiker und Industrielle Edwin Harber Land (1909–91) einen Polarisationsfilter vorstellte, der im Gegensatz zum anaglyphischen System unverfälschte Bilder mittels grau getönter Brille wiedergeben konnte. In diesem Format kam 1936 mit der italienischen Produktion Nozze Vagabond erstmals ein 3-D-Film mit Ton in die Kinos. Dem noch in Schwarzweiß gedrehten Film folgte ein Jahr später in Deutschland mit Zum Greifen nah der weltweit erste in Farbe und mit Ton gedrehte Kurzfilm im Polarisationsverfahren. Obwohl technisch ausgereifter, blieben es bei Achtungserfolgen. Weltweit wurde dennoch weiter experimentiert, um plastische Bilder in die Kinosäle zu bringen. Sogar Österreich brachte einen 3-D-Pionier hervor, Eduard Bankl (1879–1947), Inspektor des Badener Stadtbauamtes. Am 2. August 1936 stellte er sein „Kinorama“-System vor, das ohne Brille auskam: Eine Betrachtungsapparatur war vor dem Zuschauer angebracht und samt der Armstütze des Kinositzes beliebig umlegbar. So konnte man die vorgeführten Bilder von jedem Punkt des Zuschauerraumes plastisch und in richtiger Perspektive betrachten. Bis knapp vor Kriegsbeginn 1939 versuchte Bankl vergeblich, sein System einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Nach Bankls Tod 1947 eröffnete dessen Sohn sein „Erstes Filmtheater für plastische Filme“ in Wiens Innenstadt und brachte unter anderem den Kurzfilm Wien im Raumbild zur Vorführung. Auch diesem Unternehmen war kein finanzieller Erfolg beschieden.

Trotz aller technischen Hindernisse entstanden international weitere 3-D-Werke. In Russland der erste farbige, ohne Brillen auskommende und auf eine Rasterleinwand projizierte 3-D-Film Koncert (1941) sowie Robinson Kruzo (1947); in Deutschland Sechs Mädels rollen ins Wochenend: Eine Raumfilm-Studie von Zeiss-Ikon (1941) und Lehrfilme für Luftwaffe und Marine. In den USA wurden mehrere Kurzfilme produziert, darunter die bei der Weltausstellung 1939 von über 1,5 Millionen Zuschauern frequentierte Chrysler-Werbung Motor Rhythm im Polaroid-Verfahren oder der erste Film der späteren Regie-Ikone Joseph Losey, Pete Roleum and His Cousins (1939).

Das goldene Zeitalter und ein kurzes Revival

Der 30. November 1952 markierte den Beginn der ersten kurzen, aber erfolgreichen Welle von plastischen Filmen, als der amerikanische Radio-Produzent Arch Oboler mit seinem billig hergestellten Dschungel-Abenteuer Bwana Devil in den amerikanischen Kinos reüssierte. Trotz schlechtester Kritiken wurde der Film ein Riesengeschäft (einem Budget von 300.000 Dollar standen zehnfache Einnahmen gegenüber) und löste in Hollywood – durch das Aufkommen des Fernsehens gerade in einer veritablen Krise – eine wahre Goldgräberstimmung aus. So entstanden zwischen 1952 und 1954 knapp 50 Filme im ausgereiften Polarisationsverfahren. Um optimales dreidimensionales Sehen zu ermöglichen wurden zwei Filmkopien gezogen – eine für das rechte und eine für das linke Auge. Weiters mussten die Projektoren synchron geschaltet werden und jeder Film hatte in der Mitte eine Pause, um die Rollen zu wechseln. Produziert wurden vorrangig Western wie Hondo mit John Wayne, Horrorfilme wie House of Wax mit Vincent Price, Science Fiction wie It Came from Outer Space und Creature from the Black Lagoon (beide von Jack Arnold) oder Komödien wie Money from Home mit Jerry Lewis. Gedreht wurde zumeist in Farbe, teilweise mit Stereoton. Die Qualität der Werke schwankte zwischen B und C-Niveau, selten erreichte man A-Status. Beiträge von renommierten Regisseuren wie Alfred Hitchcock (Dial M for Murder), Curtis Bernhardt (Miss Sadie Thompson), George Sidney (Kiss me Kate), Raoul Walsh (Gun Fury), Budd Boetticher (Wings of the Hawk) oder Douglas Sirk (Taza, Son of Cochise) blieben Ausnahmen. Neben Realfilmen spezialisierten sich die Studios auch auf Produktionen ihrer Animationsabteilungen; so entstanden amüsante Kurzfilme mit Trickfiguren wie Woody Woodpecker (Hypnotic Hick), Casper (Boo Moon), Bugs Bunny (Lumber Jack-Rabbit), Donald Duck (Working for Peanuts) oder Popeye (Popeye, the Ace of Space).

Ausschlaggebend dafür, dass der Boom nur relativ kurz anhielt, waren die zusätzlichen Kosten bei der Herstellung (Doppel-Kamera), Projektion (Synchronisierte Projektoren, Silberleinwand, zwei Filmkopien) und Logistik (Personal für die Verteilung oder Reinigung der Brillen) sowie der geringe Mut der Geldgeber, Großproduktionen in Auftrag zu geben. Ebenfalls entscheidend war die Konkurrenz der neuen, riesigen Filmformate wie Cinerama (1952) und CinemaScope (1953), die große Leinwände mit bombastischem Stereo-Ton boten, noch dazu ohne das Tragen unangenehmer Brillen.

Beinahe 30 Jahre lang führte der 3-D-Film nur mehr ein Schattendasein in den Kinos. Das einstmals beliebte Gimmick-Kino verkam, von bemerkenswerten Ausnahmen wie Andy Warhols Frankenstein (1973) einmal abgesehen, zur Randerscheinung in billigen Eastern- Sex- und Horrorfilmen. Den traurigen Höhepunkt bildete der Überraschungserfolg des öden Low-Budget-Softcore-Films The Stewardesses (1969), der bei einem Budget von 100.000 Dollar ein Einspielergebnis von knapp 7 Millionen Dollar alleine in den USA erzielen konnte.

Eine wahre 3-D-Explosion versprach sich die Filmindustrie erst wieder 1981, als der billige Italo-Western Comin at Ya!, ein Remake des obskuren Ringo Starr-Westerns Blindman (1971), weltweit für volle Kassen sorgte. Dennoch kam es zu keiner wahren Belebung des plastischen Films. Vergessen waren allerdings frühere Ärgernisse wie die Pausen beim Rollenwechsel, da man keine eigenen Kopien für das rechte und linke Auge mehr benötigte. Geblieben waren aber immer noch die unbequemen polarisierten Pappkarton-Brillen, die zu Augenbrennen und Kopfschmerzen führten. Bis Mitte der Achtziger Jahre entstanden rund zwei Dutzend minder budgetierte Produktionen, zumeist angesiedelt im bewährten Horror-, Sex- und Actiongenre, darunter Friday the 13th Part III in 3-D (1982), Jaws 3-D (1983) und die Frühwerke von späteren Hollywoodstars wie Demi Moore (Parasite, 1982) oder Meg Ryan (Amityville 3-D, 1983). Deren relative Misserfolge und der damit einhergehende Unwille der Kinobesitzer, ihre Säle umzurüsten, hatte zur Folge, dass viele Produktionen nur noch auf Video veröffentlicht wurden. (Darunter die meisten Filme von „America’s 3-D King“ Earl Owensby, einem Ex-Marine, Schauspieler und Produzenten, dem es James Cameron zu verdanken hatte, dass er sein Filmepos The Abyss (1989) in dessen leer stehenden Atommeiler in North Carolina drehen durfte.) Als sehr erfolgreich und auf höchstem technischen Niveau erwiesen sich im Gegensatz dazu 3-D-Filme, die exklusiv für Vergnügungsparks produziert wurden, beispielsweise Murray Lerners Magic Journeys (1982) oder Francis Ford Coppolas Captain Eo (1986) mit Michael Jackson für Disneyworld. Ferner erfolgreich waren Dokumentationen, die ab 1985 exklusiv im großformatigen IMAX 3-D-Format entstanden und auch ausschließlich in den entsprechenden Kinos zu sehen waren.

Die digitale 3-D-Revolution

Die kommerzielle und technische Herausforderung, den 3-D-Film aus den Vergnügungsparks und IMAX-Kinos wieder zurück in den normalen Kinobetrieb zu bringen, wurde ironischerweise durch zwei billige, im altmodischen anaglyphen Format von Robert Rodriguez produzierte Kinderfilme eingeleitet: Spy Kids 3-D: Game Over (2003) und The Adventures of Sharkboy and Lavagirl 3-D (2005). Diese Überraschungserfolge und die exklusiv für IMAX-Kinos auf einem bis dahin unerreichten Standard hergestellte, noch erfolgreichere 3-D-Fassung von Robert Zemeckis digitalem Motion Capture Film The Polar Express (2004) öffnete die Geldbörsen der großen Hollywoodstudios. Die Zauberformel hieß 3-D und digitale Projektion. Die Disney-Studios, die Erfahrung mit hoch budgetierten 3-D-Filmen in ihren Vergnügungsparks vorweisen konnten und Warner Bros., die in das Kino-Format IMAX investierten, brachten den digitalen 3-D-Ball langsam aber stetig ins Rollen. Allen zynischen Unkenrufen zum Trotz, die dieser Entwicklung ein jähes Ende vorhersagten, entstanden seit 2005 immer mehr Publikumshits: Chicken

Little (2005), Beowulf (2007), Journey to the Center of the Earth (2008), Bolt (2008), My Bloody Valentine (2009), Monsters vs. Aliens (2009), Ice Age 3 (2009) und Avatar (2009). Ein Ende dieses Trends ist nicht abzusehen; alleine bis 2013 kündigen die Hollywoodstudios beinahe 300 Filmprojekte und eigene TV-Kanäle an. Außerdem steht die Elektronikindustrie schon bereit, um den Heimkino-Markt mit 3-D-tauglichem Equipment zu überschwemmen.

Derzeit teilen sich fünf Firmen den digitalen 3-D-Kuchen, um Kinos mit Projektoren und polarisierten Brillen zu beliefern: der Marktleader RealD, Dolby Digital 3-D, XPanD, MasterImage und IMAX Digital 3-D für die eigenen digitalen IMAX-Kinos, die nach wie vor die beeindruckendsten Erlebnisse in Bild und Ton liefern.