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Barbara Fränzen

Diagonale | Interview

Man muss den Leuten Mut machen

| Andreas Ungerböck :: Roman Scheiber |

Barbara Fränzen, Leiterin der Filmabteilung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, im Gespräch über das reiche Spektrum des hiesigen Filmschaffens

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Wer ein innovatives Projekt im Bereich Spiel-, Dokumentar-, Animations- oder Experimentalfilm finanziert bekommen möchte, ist bei Barbara Fränzen an der richtigen Adresse. Die Leiterin der Filmabteilung des bm:ukk ist für die „innovative Filmförderung“ zuständig, die allein im Jahr 2009 insgesamt 62 Filmprojekte im Gesamtausmaß von rund 2,1 Millionen Euro gefördert hat. Für Drehbuch- und Projektentwicklung, für Herstellung, Festivalverwertung und Verleih ermöglicht sie Filmemachern wie Peter Tscherkassky, Gustav Deutsch, Anja Salomonowitz, Bady Minck oder Tizza Covi und Rainer Frimmel, um nur einige zu nennen, das kontinuierliche Arbeiten. Neben teils hochdotierten Würdigungs- und Förderungspreisen vergibt das Ministerium neuerdings auch STARTstipendien für junge Filmemacher, die bei der Entwicklung ihrer Projekte erfahrenere Praktiker zur Seite gestellt bekommen. Ein fünfköpfiger Filmbeirat empfiehlt Vorhaben zur Finanzierung, „die von überregionalem Interesse oder geeignet sind, beispielgebend zu wirken, innovatorischen Charakter haben oder im Rahmen eines einheitlichen Förderungsprogramms gefördert werden.“ Viele der vom bm:ukk finanzierten Arbeiten sind auch heuer wieder im Rahmen der Diagonale zu sehen. Informationen zu Ausschreibungsrichtlinien, Einreichfristen, etc. finden sich auf www.bmukk.gv.at/kunst/sektion/abt3.xml

Man kennt Sie auch aus dem Musikbereich, von Ihrer Arbeit mit dem Avantgarde-Label Kairos. Wie passt Film da dazu?
Barbara Fränzen:
Ich beschäftige mich schon lange mit beidem. Ich war in einem musischen Gymnasium und bin in Salzburg aufgewachsen. Da war „Das Kino“, also Salzburgs Programmkino, immer die Rettung, weil man in dieser verschlafenen Stadt ab 22 Uhr das Gefühl hatte, da werden die Gehsteige hochgeklappt. So konnte man sich noch ins Kino flüchten. Der Film und Kairos … Auch Alexander Kluge hat sich mit dem Gegensatzpaar von chronos und kairos beschäftigt, ebenso Massimo Cacciari (Anm.: schrieb 1986 „Zeit ohne Kronos“). Und schließlich gab es diesen Moment, wo mein Mann, Peter Oswald, und ich darüber nachdachten, wie und was man tun kann, um Neue Musik zu vermitteln. Wir fanden es schade, dass in Europa die einzelnen Kunstsparten einander so fremd sind, dass die Leute einander so wenig kennen und dass man da auch zu wenig Zugang hat, und dass man doch irgendetwas machen müsste, um das zu verbinden. Es gab verschiedene Ideen und schließlich den Moment, wo wir gesagt haben, wir packen das jetzt an. Man hat naturgemäß im Avantgarde-Bereich nie ein sehr großes Publikum, aber es ist auch spannend, weil dies Leute sind, die neugierig sind und Neues erfahren wollen. Hier werden Impulse für weitere Entwicklungen gesetzt. Im Herbst 2009 haben wir unser Zehn-Jahres-Jubiläum gefeiert. Es gab viele tolle Produktionen, über hundert, und es geht weiter – und das macht Freude.

Nun stehen Sie einer durchaus bedeutenden Förderinstitution vor. Wie sehen Sie denn die Notwendigkeit von Förderung im strukturellen Bereich?
Barbara Fränzen: Ich vertrete absolut den Standpunkt, dass man Struktur fördern muss, gerade auch im Filmbereich. Man braucht z.B. qualifiziertes Personal, man braucht eine gewisse Perspektive, man kann ja nicht nur mit freien Mitarbeitern arbeiten, bei denen man nicht weiß, wie es weiter geht und ob man die nicht im nächsten Monat wieder entlassen muss. Will man Filme, wenn sie fertig sind, auch präsentieren können, will man, dass es gewisse Vermittlungsaktivitäten gibt, will man, dass Filme archiviert werden, dann braucht es dazu Strukturen. Dazu haben wir hier in der Abteilung einiges gemacht, bzw. Frau Ministerin Schmied hat ja unter anderem die Programmkinos zu einem Schwerpunkt erklärt, weil diese eine der Plattformen sind, um die von uns geförderten Filme überhaupt sehen zu können.

Wie lange sind Sie jetzt hier im Ministerium?
Barbara Fränzen: Seit Mai 2008. Ich war zuletzt in der Programmdirektion des ORF und habe mich da unter anderem mit dem Film/Fernseh-Abkommen und der Filmförderung auf europäischer Ebene beschäftigt. Ich war aber auch mehrere Jahre hier im Filmbeirat tätig. Aus dieser Erfahrung hat es mich interessiert, in diesem Bereich etwas zu gestalten und es liegt mir am Herzen, hier, wo es um wirklich tolle Filme geht, zu versuchen, etwas weiterzutreiben und zu entwickeln. Nun ist einiges erreicht und vieles noch zu tun.

Was wurde denn Ihrer Meinung nach erreicht?
Barbara Fränzen: Was erreicht wurde, übrigens mit einem großartigen Team, ist zum einen ein sehr guter Kontakt zur Branche. Die Filme, die hier gefördert werden, sind ja in vielen Fällen eine Basis für alles Weitere. Neu bzw. im Aufbau begriffen sind die so genannten STARTstipendien, bei denen junge Filmemacher und Filmemacherinnen, anstatt nebenbei drei Jobs gleichzeitig zu machen, die Möglichkeit haben, sich 6 Monate auf ein Projekt konzentrieren zu können. Wir begleiten sie dabei, weil ich es nicht für sinnvoll halte, wenn sie allein zu Hause sitzen. Es gibt Arbeitsgespräche, wir stellen ihnen Expertinnen und Experten zur Seite. Da geht es um Fragen wie: Wo kann man beim einzelnen Projekt ansetzen, um es weiter zu entwickeln?

Diese Stipendien sind Teil unserer neuen Nachwuchs-Koordinationsstelle, die wir auf Bundesebene, von Seiten des Österreichischen Filminstituts und von unserer Seite, eingerichtet haben. Geleitet von Susanne Wastl, die aus der Branche kommt, die Produktionserfahrung und Erfahrung mit Förderinstitutionen hat. Da geht es um Beratung, um die Professionalisierung der Leute, bzw. die Möglichkeit, mit Experten und mit Hilfe der Branche den nächsten Schritt zu machen. Das war bisher immer das Problem, dass man relativ leicht einen ersten oder zweiten Film machen konnte, aber dann gab es irgendwie eine Lücke und so hingen die Filmemacher in der Luft, weil sie noch zu wenig erfahren waren, um etwas Größeres zu realisieren. Wir machen den Stipendiaten aber auch keine Illusionen. Die Überlebensbedingungen sind hart. Es ist uns deshalb zunächst gar nicht so wichtig, welches Projekt sie einreichen, sondern es geht darum, ob das jemand ist, der den Drive und die Kraft hat, dabei zu bleiben. Die fünf Personen, die wir bei der ersten Ausschreibung ausgewählt haben, sind sehr spannend. Wenn sie die ersten sechs Monate abgeschlossen haben, planen wir, voraussichtlich im April, eine Präsentation auch für die Branche. Ich glaube, es ist wichtig, dass es eine solche Plattform gibt, damit man sieht, was junge Filmemacher hervorbringen. Es gibt das Festival der Filmakademie, das alle zwei Jahre stattfindet, es gibt film:riss in Salzburg, aber es gibt nicht wirklich so etwas wie in Deutschland, wo die Filmhochschulen ihre Jahresproduktion auch auf einem großen Festival vorstellen. Das fehlt hier ein bisschen. Letztlich sind wir vom Nachwuchs ja auch abhängig.

Was waren die Kriterien für die Auswahl der Stipendiaten?
Barbara Fränzen: Die Kriterien waren, dass der Abschluss einer einschlägigen Ausbildung nicht länger als fünf Jahre zurückliegt, wenn sie eine Ausbildung gemacht haben, oder dass sie andernfalls nicht älter als 35 Jahre sind. Da diese neuen Stipendien für alle Sparten der Kunstsektion ausgeschrieben wurden, sind sie einheitlich gestaltet. Eine Jury hat aus über 50 Einreichungen fünf ausgesucht. Vorher hatte es noch ein Hearing mit einer Vorauswahl gegeben. Für uns war auch wichtig, dass sie nicht ohnehin schon auf irgendeine Art unterstützt werden, indem sie regelmäßig mit jemandem zusammenarbeiten, oder schon mit einer Produktionsfirma, oder dass das Projekt schon zu weit fortgeschritten ist. Es sollte ein Experimentierfeld sein. Wir wollten ganz bewusst ein Labor haben. Man muss den Leuten Mut machen und sagen: Probiert etwas aus! Es geht nicht um so viel Geld, es geht auch darum, dass man das Scheitern riskiert und auch über die Grenzen geht und sagt, das kann ich nur tatsächlich ausprobieren, ob es funktioniert, oder nicht. Dann funktioniert es vielleicht nicht, aber dann habe ich etwas gelernt. Es war ein ganz zentrales Element, dass die Leute Mut zum Experiment haben.

Wie sehen Sie denn Ihre Position innerhalb der Filmförderungslandschaft?
Barbara Fränzen: Wir sind traditionell oft die erste Kontaktstelle für junge Filmemacher. Wir haben eine Zusagequote von 41 Prozent, was relativ hoch ist, und unglaublich viele Einreichungen. Wir haben aber ein klares Förderprofil – es geht um künstlerischen, innovativen Film. Einerseits, wie bereits ausgeführt, im Nachwuchsbereich, und andererseits gibt es viele bedeutende Künstler und Künstlerinnen, die ihre Arbeiten immer hier machen, für die das nicht eine Durchlaufstelle ist, sondern die einfach hier den Ort haben, der für sie zuständig ist. Für diese versuchen wir, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die ihrem künstlerischen, oft sehr aufwändigen Arbeiten gemäß sind. Österreich und das Image des österreichischen Films leben ja in hohem Maße von diesen Arbeiten, von Leuten wie Peter Tscherkassky, Mara Mattuschka, Virgil Widrich u.v.a. Das finde ich auch das Schöne, dass man in den letzten Jahren bei den Einladungen zu den Festivals gesehen hat, wie groß die Bandbreite des österreichischen Films ist, von den kleineren Filmen bis zu Das weiße Band und anderen großen Ko-Produktionen. Österreich hat ein sehr großes kreatives Potenzial, im Film- und ebenso im Musikbereich. Es geht uns weniger darum, dass man noch mehr Filme produziert, sondern dass die Filme angemessen budgetiert werden können. Umso mehr müssen die Förderer kooperieren, damit man wirklich etwas bewirken kann.

Apropos gemeinsame Anstrengungen: Wie ist denn Ihr Verhältnis zum ÖFI und zum Filmfonds Wien?
Barbara Fränzen: Das ist sehr gut, weil wir ja auch immer wieder gemeinsame Projekte haben. Mit dem ÖFI besteht ohnehin ein strukturelles Naheverhältnis und nun haben wir gemeinsam die Nachwuchskoordinationsstelle eingerichtet. Darüber hinaus gibt es einen Austausch über gemeinsame Ziele. Mit dem Wiener Fonds haben wir einige Projekte, die von beiden Seiten gefördert werden. Da ist es natürlich auch wichtig, sich zu verständigen. Es geht ja dann auch darum, wie rettet man Projekte, oder in welche Bahnen kann man sie lenken, damit das weitergehen kann. Auch mit Sylvia Fassl-Vogler von der „kleinen Förderung“ der Stadt Wien gibt es immer wieder Kooperationen in der Förderung. Für mich ist das schön, wenn man da gemeinsam arbeiten kann.

Ist es nicht doch enttäuschend, wenn in der Öffentlichkeit doch wieder nur die „großen“ Filme, die mit den Oscar-Nominierungen, so richtig wahrgenommen werden?
Barbara Fränzen: Es ist ein bisschen merkwürdig, wenn da plötzlich wieder so ein komischer Nationalstolz entsteht. In Wirklichkeit geht es um eine europäische Produktion namens Das weiße Band – und dann reden wir darüber, wer ist da jetzt Österreicher und wer ist Deutscher. Das ist absurd. Zugleich denke ich, es ist gerade in Österreich sehr wichtig, Anerkennung von außen zu haben, das merkt man ganz stark. Es ist schön und bewirkt auch im Inneren etwas: Die Besucherzahlen sind ja auch gestiegen. Früher hieß es, wegen dieser trostlosen Filme geht man doch nicht ins Kino. Plötzlich hat der österreichische Film nicht mehr dieses negative Image, sondern man will das sehen. Ein echter Wiener oder Der Knochenmann, das schauen sich die Leute an. Da braucht es ein bisschen das Anschieben von außen. Natürlich haben die rein künstlerischen Filme, die größtenteils der Avantgarde zuzurechnen sind, nie diese große Aufmerksamkeit. Sie tragen aber in einem hohen Maße zu einem Gesamtbild des österreichischen Films bei. Das ist schon okay. Es hat auch keinen Sinn, da zu schwindeln und den Leuten weiszumachen, dass das große Publikumsfilme sind. Allerdings: Ein „kleiner“ Film wie La Pivellina hat auch absolut sein Publikum, ohne Frage.

Würden Sie sagen, La Pivellina sei sowas wie der „Idealfall“ für Ihre Tätigkeit?
Barbara Fränzen: Das ist natürlich wunderbar. Es ist schön, wenn gerade Projekte, die ich schon im Beirat mitverfolgt habe, wie übrigens auch März von Händl Klaus, plötzlich wirklich präsent sind und ihre gebührende Anerkennung bekommen. Etwas Schöneres kann man sich kaum wünschen.

Bei der kommenden Diagonale werden ja viele „Ihrer“ Filme präsentiert. Sehen Sie auch, so wie Diagonale-Intendantin Barbara Pichler, eine starke Tendenz zum Dokumentarfilm?
Barbara Fränzen: Ja, interessanterweise trauen sich gerade von den Jüngeren zu wenige an Spielfilme. Auch bei den STARTstipendien gibt es nur ein Spielfilmprojekt, aber vier Dokumentarfilme. Auch unter den „normalen“ Einreichungen sind immer mehr Dokumentarfilme. Zum einen hat das in Österreich eine große Tradition, aber es liegt schon auch, glaube ich, am Mut, Geschichten zu erzählen. Wir haben überlegt, eine Spielfilminitiative zu starten, auch für kürzere Spielfilme. Für jüngere Filmemacher ist es schwierig, eine Geschichte 90 Minuten lang durchzuhalten. Aber dann ist da wieder das Problem: Wo zeigt man Filme, wenn sie nur 30 Minuten lang sind? Das müsste gekoppelt sein mit einer entsprechenden Vorführmöglichkeit, dass man zwei zusammen zeigen kann. Das fehlt.

Mit welchen Themen könnten sich denn junge Filmemacher, wenn sie diesen Schritt wagen, auseinandersetzen?
Barbara Fränzen: Die Frage ist, ob man ein Thema vorgeben soll, was ja durchaus eine Herausforderung sein kann. Man kann sagen: Schreibt einen Krimi. Spannung zu erzeugen, das ist ja etwas Schönes, und das kann man ja mal ausprobieren. Aber die ursprüngliche Idee war, kein Thema vorzugeben, sondern zu sagen, es sollen Spielfilme sein in einer bestimmten Länge, und dann schaut man mal, was kommt. Also nicht gleich in der ersten Stufe noch weiter einzuschränken, sondern zu sagen: Probiert einfach einen Spielfilm, schaut, was euch da so einfällt. Aber wie gesagt: Wichtig ist die Verwertung, dass man sagt, was gibt es für eine Präsentationsschiene, wo man das dann zeigen kann. Das müsste man mit den Kinos besprechen.

Auffällig ist auch, dass gut achtzig Prozent der Dokumentarfilmer ihre Themen im Ausland suchen.
Barbara Fränzen: Ich bin immer sehr froh, und wir unterstützen das sehr, wenn jemand – was ja dann doch öfter passiert – gesellschaftspolitische Themen aufgreift, die in unmittelbarer Nähe sind, so wie die Gangster Girls oder der Ute-Bock-Film jetzt. Ute Bock ist ja keine Unbekannte, aber mit dem Film gibt es plötzlich eine noch größere Öffentlichkeit. Jetzt entsteht ein Film über den Tierschutz-Paragraphen, über die Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel, die da von staatlicher Seite eingesetzt werden. Ich glaube, dass man nicht immer den Blick über die Grenze machen muss, sondern dass man auch vor der eigenen Haustüre einiges sehen könnte. Aber manche Dinge, das ist klar, das geht mir ja selber auch so, fallen einem halt im Ausland stärker auf. Dadurch, dass es fremd ist, wird manches einfach deutlicher. Wir haben jetzt ein Projekt, das nennt sich „Reality Check“, das das FilmABC durchführt. Da geht es genau darum. Politische Bildung ist etwas, was meiner Meinung nach in der Schule stark vernachlässigt wird. Filme über Themen wie Migration oder Arbeitslosigkeit, über Dinge, mit denen junge Menschen konfrontiert sind, wären da hilfreich. Und Workshops mit Expertinnen und Experten. Da geht es nicht um eine Analyse des Films, sondern darum, dass man sich über das Thema unterhält und Tabus aufzeigt, etwa, wenn die Eltern arbeitslos sind. Deswegen halte ich das für wichtig, da von Filmseite etwas zu machen, zusätzlich zu anderen Vermittlungsaktivitäten. Mittlerweile finden ja regelmäßig auch Schulvorführungen statt, bei denen es nachher Gespräche gibt. Es geht darum, eine Sprache zu finden und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was und wie etwas im Film passiert, und es nicht einfach nur so zu konsumieren.

Sie haben vorher von trostlosen Filmen gesprochen, deren Zeit vorbei sei. Gleich auf der ersten Seite Ihres aktuellen Kataloges aber spricht die Autorin Nicole Brenez erneut von den „profoundly lonely, tormented figures“ im österreichischen Film.
Barbara Fränzen: Ich glaube, dass die Filme vielseitiger geworden sind, dass man mehr und Verschiedenes macht. Film ist auch immer ein bisschen ein Zeitbild. Man müsste vergleichen, was ist in der Zeit im Theater passiert, oder wie ist sonst die Atmosphäre in einem Land. Wobei das auch nicht alle Filme betraf. „Trostlos“ war auch ein Schlagwort, um die österreichischen Filme schlechter zu machen, als sie waren. Man kann nicht immer nur die sonnige Seite zeigen, wenn die Realität eines Landes nicht so ist.

Wird es dieses Jahr eine Diagonale-Tournee geben?
Barbara Fränzen: Es gibt durchaus Interesse, österreichische Filme durch die Bundeslänger touren zu lassen. Es gibt ja zu Recht die Überlegung, dass die Leute die Filme nicht nur auf DVD, sondern auch im Kino sehen sollten. Wir fördern daher auch die regionalen Kinos für solche Programme. Da hat man dann schon eine gewisse Struktur, wo man in Zusammenarbeit mit den Länderförderungen auch die Diagonale-Filme zeigen kann. Da geht es wieder um das Bewusstsein: Was ist österreichischer Film, welche Filme sind zu sehen? Man muss die Neugier wecken. Da braucht es natürlich eine gewisse begleitende Öffentlichkeitsarbeit, damit die Leute nicht nur Avatar anschauen, sondern auch etwas anderes.

Wie geht es aus Ihrer Sicht den Programmkinos?
Barbara Fränzen: Für die Kinos wird die Situation immer angespannter, vor allem im Zuge der Digitalisierung. Das ist auch einer der Schwerpunkte, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Auf der europäischen Ebene gibt es da schon verschiedene Überlegungen. In Österreich hat sich das dadurch verschärft, dass die großen Multiplex-Kinos schon digitalisiert sind. Das heißt, es bleiben die kleineren Kinos übrig, die es sowieso schwerer haben. Man wird ein Konzept brauchen, man wird öffentliches Geld brauchen, das auch von der Wirtschaftsseite kommen muss, weil es um eine Infrastruktur geht, die es zu erhalten gilt. Kulturelle Vielfalt ist ein großes europäisches Thema, ebenso die bestmögliche Verbreitung nationaler und europäischer Filme. Wenn das nicht gewährleistet ist, dann sehen wir nur noch amerikanische Filme. Hierin liegt auch die Ausnahme vom Wettbewerbsrecht begründet, um eine Förderung zu gewähren. Die Programmkinos erhalten eine Jahresförderung von uns, für besondere Programme abseits vom Mainstream bzw. auch Filme in Originalfassung. Im Mai wird es eine Kino-Mitteilung der EU geben, die sich mit der aktuellen Situation der Kinos beschäftigen wird.

Wie ist Ihre Prognose? Wird man diese Kinos retten können?
Barbara Fränzen: Man muss es leider sagen: Alle Kinos wird man nicht retten können. Für die Programmkinos in den Städten wird sich eine Lösung finden, aber für all die kleinen Kinos auf dem Land sicher nicht. Das sind oft noch Familienbetriebe, die machen das mit wenig Mitteln und großem Engagement. Wenn aber die Mutter oder der Vater stirbt, wird das Kino geschlossen, und das ist schade. Gewisse Strukturen wird man nicht aufrechterhalten können.

Wie gestaltet sich Ihre Zusammenarbeit mit Ministerin Claudia Schmied? Wie ist ihre Offenheit gegenüber dem Thema Film?
Barbara Fränzen: Sie hat großes Interesse am Film, wie man auch an der Budgetentwicklung sieht. Seit 2007 wurde da sehr viel investiert, und nicht von ungefähr gibt es seither sehr große Erfolge. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut und filmpolitisch sind wir in einer ganz spannenden Zeit. Als ich hierher gekommen bin, war es mir natürlich wichtig, dass Film und unsere Abteilung eine große Rolle spielt. Ich bin ja ein ungeduldiger Mensch und denke: Es ist noch so viel zu tun, man weiß gar nicht wo man anfangen soll. Aber diese Erfolge treiben uns weiter und schaffen auch dem Film eine gebührende Öffentlichkeit. Das ist wichtig, weil es ja immer heißt: Film braucht so viel Geld. Ja, Film braucht viel Geld, ist teurer als Literatur. Aber die Erfolge zeigen, dass es sich lohnt. Film ist auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, es hängen viele Arbeitsplätze daran, nicht nur innerhalb einer einzelnen Produktion, sondern auch in anderen Betrieben, vom Kopierwerk bis zu den Grafikern, da gibt es ein ganz großes Umfeld, das davon profitiert. Filmemacher werden gerne dargestellt als reine Subventionsnehmer, aber Film spielt eine bedeutende Rolle. Die  Grundfrage ist, nimmt man Kunst in Österreich wichtig oder nicht? Wenn man das tut und wenn man die Künstlerinnen und Künstler entsprechend würdigt, dann bedarf es auch bestimmter Mittel.

Noch einmal: Ist ein Oscar-Gewinn, der sich am anderen Ende des Spektrums abspielt, nicht doch die bessere Werbung für den Film in Österreich?
Barbara Fränzen: Ich glaube an beide Enden des Spektrums. La Pivellina war gemeinsam mit Hanekes Das weiße Band in Cannes. Das ist das Spektrum des österreichischen Films, und als solches wird es auch wahrgenommen.