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Mein Kampf Tabori

Filmkritik

Mein Kampf

| Oliver Stangl |

Gescheiterte George Tabori-Verfilmung

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George Tabori (1914–2007) galt als großer Weiser unter den Theatermachern. Der gebürtige Ungar mit jüdischen Wurzeln, dessen Vater in Auschwitz umkam, musste Deutschland in den Dreißiger Jahren verlassen und feierte nach seiner Rückkehr in den Sechziger Jahren sowohl mit Inszenierungen von Klasskikern als auch eigenen Stücken

Triumphe vom Burgtheater bis zum Berliner Ensemble. Humor galt ihm als Lebensprinzip: „Im jüdischen Witz ist die Katastrophe verträglicher, damit man sie ertragen kann.“, so Tabori. Sein Stück „Mein Kampf“ (das er selbst als „Farce“ bezeichnete) entstand 1987. Der junge Hitler kommt darin 1910 nach Wien, um sich an der Akademie der bildenden Künste zu bewerben. In einem Männerwohnheim lernt er den Juden Schlomo Herzl (im Film von Götz George verkörpert) kennen, der sich mit dem Verkauf von Bibeln und seinem Erzähltalent durchs Leben schlägt. Herzl nimmt den komplexbeladenen Provinzler unter seine Fittiche, versorgt ihn mit Essen, tröstet ihn und rasiert ihm sogar den markanten Bart. Als Hitler von der Akademie abgelehnt wird, gibt Schlomo ihm den Rat, in die Politik zu gehen. Eine immer größer werdende Schar von Deutschnationalen um sich vereinend, beginnt Hitlers Aufstieg zur charismatischen Führerfigur. Taboris Stück verhandelt, mit zahlreichen Anspielungen, Symbolen und grotesken Elementen versehen, die Wechselwirkung von Gut und Böse, den Kontrast zwischen dem ewigen Optimisten Schlomo und dem hasserfüllten Hitler. Großes Theater also. Unter Urs Odermatts Filmregie jedoch regiert der Dilettantismus. Das fängt bei Götz Georges Perücke an, die aus einem Theaterfundus des 19. Jahrhunderts entsprungen scheint, zieht sich über den konfusen Schnitt, der offenbar inszenatorische Unzulänglichkeiten verdecken soll, bis hin zum traurigen Umstand, dass die auf der Bühne so lebendigen Figuren hier unerträglich platt bleiben. Was am Theater als Allegorie funktioniert, bleibt im Film, der jedes Wagnis, eine eigene Bildsprache zu etablieren, vermeidet, leblos – was durch die modische einheitsgraue Bildfärbung noch unterstrichen wird. Einzig Tom Schilling als Hitler vermag mit Körpersprache und Mimik ein wenig aus dem Einheitsbrei herauszuragen. In einem besseren Film hätte seine Darstellung Potenzial gehabt.  In dieser Version jedoch ist Mein Kampf weder Fleisch, noch Fisch, weder Film noch Theater – sondern schlicht und einfach langweilig. Und das ist wohl die schlimmste Kränkung, die man dem Werk des großen, hintergründigen Humoristen Tabori zufügen kann.