ray Filmmagazin » Filmkritiken » Die Schachspielerin / Joueuse
Die Schachspielerin

Filmkritik

Die Schachspielerin

| Walter Gasperi |

Ein Zimmermädchen emanzipiert sich über seine Leidenschaft für Schach.

Werbung

Die Dame ist die wichtigste Figur beim Schach“ ist einer der ersten Merksätze, die Hélène über das Spiel hört, auf das sie zufällig stößt. Diesen Satz kann man auch auf Caroline Bottaros Verfilmung von Bertina Henrichs Bestseller übertragen. Denn die Regisseurin, die anstelle einer griechischen Insel in der Vorlage Korsika als Schauplatz wählte, hat ihre Dame Sandrine Bonnaire zum Herzstück und Motor dieser Emanzipationsgeschichte gemacht.

Vom Klingeln des Weckers an begleitet die Kamera Hélène, beobachtet sie beim Ankleiden und folgt ihr bei der Fahrradfahrt entlang der wildromantischen Küste zum Hotel, in dem sie als Zimmermädchen arbeitet. Ihrem Mann zuliebe, der im Hafen Schiffe repariert, kam sie auf die Insel. Die Ehe und die Tochter im Teenageralter sind ihr Lebensinhalt, an ihrer Arbeitsstelle wird sie wegen ihrer Zuverlässigkeit geschätzt. Doch dann beobachtet sie auf der Terrasse eines Hotelzimmers ein amerikanisches Paar beim Schachspiel – und plötzlich ist alles anders.

Magisch ist sie vom königlichen Spiel angezogen, kauft ihrem Mann als Geschenk ein elektronisches Schachspiel, um selbst damit nächtelang üben zu können. Krümel auf dem Esstisch werden ihr ebenso zu Schachfiguren wie ein schwarzweiß gemusterter Boden zu einem Schachbrett. Für ihre Familie hat sie kaum noch Zeit, kann sie doch einen pensionierten Arzt, bei dem sie putzt, überreden, ihr wöchentlich Unterricht zu geben. Kein Wunder also, dass ihr Mann sie bald der Untreue verdächtigt, doch melodramatisch wird es nur ansatzweise.

In bester französischer Tradition kommt Joueuse ganz leicht daher, besticht durch exzellente Besetzung und brillante Dialoge. Gekonnt gelingt es Bottaro so, Interesse für die mit Sandrine Bonnaire ideal besetzte Protagonistin und ihre Entwicklung vom beinahe willenlosen Objekt zum handelnden und selbst entscheidenden Subjekt zu wecken. Den aufs Schachspiel bezogenen Satz „Wer nichts riskiert, hat schon verloren“ überträgt sie auf ihr Leben und beginnt ihre Wünsche und Sehnsüchte zu entdecken und auszuleben. So tritt denn auch an die Stelle der räumlichen Enge am Ende der Blick aufs offene Meer. Etwas aufgesetzt wirkt allerdings die Thematisierung des Gegensatzes von Arbeiterschaft und Bourgeoisie, von körperlicher Arbeit und Denken, und allzu realistisch sollte man die Geschichte nicht nehmen: Als Märchen akzeptieren sollte man, wie leicht hier Hindernisse überwunden werden und wie erfolgreich Hélènes Selbstverwirklichung verläuft.