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Mad Men

Mad Men | Serie

Retro-Begehren meets Macho-Ekel

| Roman Scheiber |

Spitztüten-BHs und Bleistiftröcke, witzige Werbekampagnen und Erniedrigungsrituale: Die smarte Sixties-Serie „Mad Men“ ist nun auch auf Deutsch erhältlich.

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Auf den ersten Blick glänzt sein Leben wie der Modellfall für einen Sixties-Werbespot, der den American Dream feiert. Don Draper sieht aus wie die perfekte Mischung aus Cary Grant und Humphrey Bogart, tritt so gewandt und souverän auf, wie sich das für den erfolgreichen Creative Director einer erfolgreichen Werbeagentur gehört, und wenn er abends sein scotchdunstendes, rauchschwadenverhangenes Büro verlässt, warten zu Hause zwei süße Kinder und eine Ehefrau, von der man eher glauben würde, dass sie einen Künstlernamen wie Grace Kelly trägt und zu einer glamourösen Party abgeholt wird, als dass sie ihrem Mann pünktlich sein Lieblingsessen serviert.

New York, Anfang der Sechziger Jahre. In der Agentur Sterling Cooper, situiert an der Madison Avenue in Manhattan, findet gerade die Zukunft der Werbung statt, während das Geschlechterrollenbild, ähnlich wie das Interieur, tief in den Fünfziger Jahren verwurzelt ist. It’s a Mad Men’s world: Die Herren Maßanzugträger sind kreativ unter sich, deren allesamt „Sweetheart“ genannte Sekretärinnen qualifizieren sich erstens durch ihre Bleistiftrockfigur und Tüten-BH-Tauglichkeit, zweitens durch ihren Grad an Devotheit vor Büroschluss und drittens durch ihre Amüsierwilligkeit danach.

Das Setting, in dem diese Menschen sich bewegen, entspricht der Eleganz ihres Alphatiers Don Draper. Handgefertigte Edelholztische in stilvollen Konferenzräumen, mondäne Bars und Lokale, gedeckte Farben. Wenn diese Eleganz, die sich auch in längst verschwundenen Umgangsformen und Gesten ausdrückt, aus heutiger Sicht eigenartig ambivalent erscheint, verdankt sich das einem Widerspruch – zwischen der vordergründig nostalgischen Ästhetik und einer stringenten Konjugation der überkommenen gesellschaftlichen Verhältnisse, die ebenso akkurat abgebildet werden. Retroschick-Begehren meets Macho-Ekel, so könnte man die Wirkungslogik zuspitzen.

Don Draper (preisgekrönt dargestellt von Jon Hamm) ist aber weit mehr als die Inkarnation dieser Ambivalenz. Seinen persönlichen American Dream hat er mit der Verleugnung seiner Herkunft und Identität bezahlt. Aufrecht erhält er ihn mit Leitsprüchen wie „Typen wie ich haben die Liebe nur erfunden, um Nylonstrümpfe zu verkaufen“. Typen wie er haben auch stets ein frisch gesteiftes Hemd in der Schreibtisch-Schublade. Denn während Smart Ass Don seine im Wortsinn „desperate housewife“ Betty (January Jones) zwecks Lebenssinnfindung zur Psychoanalyse schickt, verbringt er die Mittagspause bei wechselnden Geliebten. Sein Fetisch sind Frauen, die selbstbewusst und unabhängig ihren Weg finden. Aparte Nylonstrumpfträgerinnen, deren Wünsche, Liebes- und Glücksvorstellungen ihn überraschen, die seine Neugier auf Geschichten wecken, wie er sie selbst nicht erzählen kann.

„Mad Men“ ist kein Period Piece im strengen Sinn, macht aber  klug die ersten Risse auf der Zeitbild-Tapete von Kuba und Kennedy sichtbar, die später von Jugendrevolte, Frauen- und Antikriegsbewegung heruntergerissen werden wird. Die Serie versetzt einen zurück in eine Ära, in der Slogans wie „Mark your man“ den Lippenstiftabsatz in die Höhe peitschten und Berichte über Gesundheitsgefahren des Rauchens im Papierkorb versenkt wurden: „Lucky Strike – it’s toasted“. Bald nach dem Auftritt der neuen Sekretärin Peggy Olson (Elisabeth Moss) ahnt man, dass der Old-School-Lifestyle der Mad Men nicht mehr lange zu halten sein wird. In der ersten Folge wird Peggy noch von der rothaarigen, kurvenreichen Chefsekretärin Joan Holloway (Christina Hendricks), einer veritablen Bombshell, in die Hackordnung unter den Bürodamen und die Erniedrigungsrituale der Mad Men eingewiesen. Zehn Folgen später betraut Don Draper sie mit einer Diät-Gerät-Kampagne und stößt damit seine Mitarbeiter vor den Kopf. Peggy Olson ist aber nur eine von vielen spannenden Figuren, die „Sopranos“-Schreiber Matt Weiner und sein Kreativteam sich für „Mad Men“ ausgedacht haben. Drei Golden Globes für die beste Drama-Serie waren die Folge.