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Eva Ulmer-Janes u. Walter Dillenz

Rechteverwertung

„Man kann gar nicht anders als streiten“

| Andreas Ungerböck :: Gunnar Landsgesell |
Interview mit Eva Ulmer-Janes, Vorstandsvorsitzende und Walter Dillenz, Geschäftsführer der VDFS.

Hinter dem schlichten Kürzel VDFS verbirgt sich die Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden, eine Organisation, die dafür sorgt, dass österreichische Kreative auch dann noch Geld aus Ihrer Arbeit lukrieren, wenn diese längst abgeschlossen ist – dann nämlich, wenn Filme, an denen sie beteiligt waren, irgendwo auf der Welt im (Kabel-)Fernsehen laufen. Oder wenn Menschen leere DVDs, Videokassetten usw. kaufen, um Filme aufzuzeichnen. Eva Ulmer-Janes ist Vorstandsvorsitzende der VDFS, Walter Dillenz Geschäftsführer. Gemeinsam kämpfen sie, durchaus erfolgreich und vor allem unermüdlich, einen Kampf, der bisweilen wie der gegen Windmühlen anmutet – in einer sich ständig verändernden und zunehmend komplexer und unübersichtlicher werdenden Kommunikations- und Medienwelt. Ein Gespräch über fehlende Lobbys, die Zusammenarbeit mit und die Konkurrenz zu anderen Verwertungsgesellschaften, eine recht bizarre Rechtslage und den guten alten Streit darüber, wer welches Stück vom Kuchen bekommt.

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Die VdFS agiert eher im Hintergrund, man hört und sieht relativ wenig von Ihnen, trotzdem ist es natürlich sehr wichtig, was Sie tun. Stimmt unser Eindruck, dass Ihre Tätigkeit einer größeren Öffentlichkeit vollkommen unbekannt ist?
Eva Ulmer-Janes:
Ja. Ich glaube, nicht einmal in der Branche wissen alle genau, was wir tun, obwohl sie direkt betroffen sind. Grob kann man sagen, wir sammeln die Zweitverwertungserlöse, also Tantiemen, für die Filmurheber ein und verteilen sie nach Schlüsseln, die wir in unseren Gremien wie Vorstand und Generalversammlung aushandeln.

Wer ist überhaupt Filmurheber?
EUJ: Das ist nicht in jedem Land gleich. Bei uns sind es Regisseure, Kameraleute, Schnittmeister, Kostümbildner, Filmarchitekten. Schauspieler sind keine Filmurheber in dem Sinn, die bekommen Erlöse aus dem Leistungsschutz.

Wie steht es mit Drehbuchautoren?
EUJ: Die sind natürlich auch Urheber, aber sie bekommen ihre Tantiemen von der LiterarMechana.

Was genau sind denn Zweitverwertungsrechte?
EUJ: Erstverwertung ist das, was vernünftigerweise automatisch dem Produzenten abgetreten ist, sprich: den Film irgendwohin weiterzuverkaufen oder die DVD-Rechte zu verkaufen. Wenn der jeden einzelnen Filmurheber fragen müsste, ob er das darf, das wäre undurchführbar, wenn auch nur ein Einziger dagegen ist. Zweitverwertungserlöse sind die Erlöse aus dem Verkauf ans Kabelfernsehen und Abgaben aus dem Verkauf von Leermedien. Das sind die zwei Kanäle, aus denen unsere Töpfe gespeist werden.
Walter Dillenz: Wenn Sie unbespielte DVDs kaufen, im Paket, dann ist, ohne dass Sie es wissen, diese Leerkassettenvergütung im Preis dabei.

Sie müssen also herausfinden, wo Filme mit österreichischen Urhebern gesendet werden?
EUJ: Ja, das ist Teil unseres Aufteilungsschlüssels. Der bezieht sich auf Filme, die gesendet werden. Das heißt, wenn jemand in keiner Produktion war, oder mit nichts von dem, was er produziert hat, auf Sendung geht, dann bekommt er leider nichts. Wir müssen ja Kriterien haben, nach denen erhoben wird – das ist international üblich. Nur wer zu den Urhebern zählt, die von diesen Töpfen beteilt werden, das ist in verschiedenen Staaten unterschiedlich.

Das ist doch ein wenig überraschend, weil ja in der EU vieles zentral geregelt ist.
EUJ: Wir hätten ja gar nichts dagegen, wenn alle unsere Regelungen übernehmen würden.
WD: Das ist die Freiheit der Verwertungsgesellschaften, dass man nicht per Gesetz etwas vorgibt. Das richtet sich nach den Verhältnissen, weil ja Verwertungsgesellschaften, so wie wir eine sind, ganz verschiedene Materien bearbeiten. Die Verwertungsgesellschaft der Bildenden Künstler beschäftigt sich mit Karikaturen, Gemälden, Statuen und so weiter, da gibt es wieder eine ganz andere Zusammensetzung der Urheber als bei uns. Bei der Musik gibt es Autoren, Komponisten, Musikverleger – daher heißt die Verwertungsgesellschaft auch AKM. Man kann also nicht über alle eine einheitliche Verteilung darüber stülpen, sondern man sagt, die sollen – unter staatlicher Aufsicht, unter der stehen alle Verwertungs-
gesellschaften – selbst demokratische Beschlüsse fassen, nach dem Motto: Die werden selbst am besten wissen, was ihnen gut tut.
EUJ: Abgesehen davon ist auch die gesetzliche Regelung, was mit den Geldern zu geschehen hat, nicht in jedem Staat gleich. Bei uns sind von den Einnahmen aus den Leermedien 50% gebunden an den so genannten SKE-Fonds, also an soziale und kulturelle Einrichtungen. Dieses Geld dürfen wir gar nicht an die Mitglieder ausschütten, sondern da werden Zuschüsse vergeben, an Leute, die in Not geraten sind, es werden Studentenfilmfestivals oder Ähnliches unterstützt, die Weiterbildung von Mitgliedern usw.

Wer vergibt das Geld?
EUJ: Wir, der Vorstand. Nach unseren Statuten müssen wir das so verteilen, dass es den Filmschaffenden zugute kommt. Grob gesagt: Diese 50% sind durch das Gesetz festgelegt, die Feinverteilung machen wir.

Und Sie kommen mit dieser Regelung gut aus?
EUJ: Ja, das ist ja nichts Böses. Wir sind ja unter Aufsicht der Behörde, die sind in jeder Sitzung und hören sich auch an, was wir mit dem Geld machen. Wenn wir zum Beispiel Geld in Kanäle fließen ließen, die nicht im Interesse der Filmschaffenden sind, dann würde die Behörde sicher Einwände machen. Also, wir sind in jeder Weise unter Aufsicht, aber uns stört das überhaupt nicht. Unter Kontrolle zu sein, da wäre man geneigt zu sagen, das ist nicht angenehm, aber in diesem Fall ist es in keiner Weise unangenehm, im Gegenteil, es sichert uns ja auch ab.
WD: Ein Beispiel dafür, was wir aus den sozialen und kulturellen Abgaben nicht zahlen hätten können: sich beim Filmball einen Tisch um 5.000 Euro zu kaufen.

Zur praktischen Arbeit: Wie erfasst man denn all die Fernsehausstrahlungen weltweit?
EUJ: Wir haben Angestellte, die fleißig alle Programme kontrollieren. Das ist gar nicht so einfach, weil in einem gedruckten Programm steht vielleicht etwas, was kurzfristig geändert wird. Es gibt eine riesige Anzahl an Sendern, die wir auswerten. Wir werten das aus, wir kassieren für unsere Mitglieder die Gelder auch aus dem Ausland. Das heißt, wenn ein österreichischer Ausstatter, der bei uns bezugsberechtigt ist, in einem deutschen Fernsehfilm, der in Deutschland ausgestrahlt wird, tätig war, dann holen wir uns von den deutschen Verwertungsgesellschaften das Geld und zahlen es ihm hier aus. Ohne jeglichen Abzug.
WD: Ein gutes Beispiel dafür ist „Kommissar Rex“, eine österreichische Produktion, in der viele unserer Mitglieder mitwirken, da kassieren wir wirklich von der ganzen Welt. Oder „Sissi“, das ist immer noch ein Hit in Spanien, die spielen das rauf und runter anscheinend, weil sie uns immer noch Geld schicken.

Spanien kann man sich noch vorstellen, aber es gibt doch sicher Länder, mit denen die Zusammenarbeit nicht so einfach ist.
EUJ: Ja. Manche nationale Verwertungsgesellschaften stehen sehr schlecht da oder haben gar keine Infrastruktur. Dann haben wir zwar einen Gegenseitigkeitsvertrag, nur es ist manchmal ein sehr einseitiger.
WD: Man hat zum Beispiel vor zwei Wochen in China eine Film Copyright Collecting Society gegründet, mit der werden wir natürlich Kontakt aufnehmen, und wenn „Rex“ irgendwann in China gespielt wird, werden wir auch von dort Geld bekommen. Aber natürlich ist das nicht so einfach.

China hat allein zig staatliche Kanäle, von Regional- und Privatsendern ganz zu schweigen. Das ist doch ein Fass ohne Boden.
WD: Das Programm ist komplett im Internet. Man muss halt fleißig sein. Wir haben begonnen mit der Auswertung von Programmzeitschriften, wo man sitzt und abhakt, aber jetzt stellen wir um auf PSB, das ist eine elektronische Programmerfassung, die alle Programmzeitschriften mit den Daten beliefert. Die sind auch up to date, wenn eine Sendung aus einem aktuellen Grund abgesagt wird. Von denen bekommen wir das elektronisch.
EUJ: Wobei wir immer noch davon abhängig sind, dass die Urheber die Werke melden. Das ist eine Bedingung. Am allerliebsten ist uns, wenn ein Regisseur nicht nur sagt, ich hab da Regie geführt, sondern eine Stabliste mitliefert, damit wir die anderen Urheber auch gleich eintragen können. Das ist auch deshalb wichtig, weil manchmal Filme umgetitelt werden, damit die Zuschauer nicht merken, dass die x-te Wiederholung läuft, und dann sind die Daten immer wieder schwer zu finden. Aber wenn wir wissen, Regie, Kamera, Ausstattung, vielleicht noch die Hauptdarsteller, dann ist der Film zu identifizieren.

Wie gehen Sie mit Dingen wie Internet-TV, Mobile Content, Handy-Fernsehen usw. um?
EUJ: Das wird ganz furchtbar! Die beiden neuen Bereiche sind IPTV und auch das mobile TV für das Handy. Das sind noch keine ganz großen Renner, aber da kommt schon Geld herein, das sind Bereiche, für die wir schon kassieren. Es gibt trotzdem im Internet viele Bereiche, wo Wildwuchs ist, das weiß ohnehin jeder, und auch alle Urheber. Es gibt Grenzbereiche, da wird es sehr kompliziert, auch im Bereich der externen Festplatten. Da haben wir uns redlich bemüht, nicht mit rasendem Erfolg.

Natürlich werden Filme auf externen Festplatten gespeichert und dann so hergezeigt. Aber im Moment ist die Entscheidung der Gerichte so, dass die externe Festplatte noch nicht in unseren Bereich fällt.
WD: Wir hatten erst vorige Woche eine Sitzung im Parlament, weil sich eine neue Plattform „Geistiges Eigentum“ gegründet hat. Initiatoren waren die Musikindustrie und der Zeitungsverband. Die streben verschiedene Ziele an, aber beide denken an Änderungen des Urheberrechtsgesetzes. Frau Prammer war dort, und auch die Richterin, die den Urheberrechtssenat des Obersten Gerichtshofes führt. Da ging es genau um diese Debatte: Warum kann nicht der Oberste Gerichtshof bei internen und externe Festplatten, Handy usw., bei den Bereichen, in denen viel Wachstum ist, eingreifen? Sie hat gesagt: „Weil es nicht im Gesetz steht. Wir sind im Parlament, deponieren Sie hier, was Sie geändert haben wollen. Ich kann nur das judizieren, was im Gesetz steht, und ohne Gesetzesänderung kann ich solche Dinge nicht für die Urheber entscheiden.“
EUJ: Gesetze hinken immer hinterher. Es gibt immer irgendeine Entwicklung, und im Nachhinein versuchen Gesetze, das irgendwie zu ordnen.
WD: Das ist ja das Typische beim Urheberrecht, dass es der technischen Entwicklung hinterher hechelt. Das begann schon vor 500 Jahren mit dem Buchdruck, da wurde ja auch eine Explosion von Material daraus. Mühsam abschreiben ist eine Sache, drucken eine andere. Das hat sich fortgesetzt mit der Schallplatte, mit Radio, Fernsehen, Satellit, Kabelfernsehen – alles Entwicklungen, bei denen die Frage aufkam: Wie partizipiert der Urheber daran? Bei den ersten Radiosendungen hieß es ja: Was ist das, ist das eine Aufführung? Dann hat man gesagt, eine Aufführung kann es nicht sein, denn die Musik kommt ja quasi vom Himmel. Dann hieß es, das kann man so auffassen wie einen gewaltigen Konzertsaal im Himmel – um das mit bekannten Begriffen benennen zu können. Die Urheberrechtler rennen ständig der technischen Entwicklung hinterher, das ist evident. Wir versuchen gerade wieder aufzuholen und auch die-   se gesetzliche Initiative nachzuvollziehen.
EUJ: Wir sind ja die jüngsten im Bunde der Verwertungsgesellschaften. Wir sind erst in den Neunziger Jahren gegründet worden, weil es bis dahin keine gesetzliche Grundlage gab. Beziehungsweise, es gab die Cessio legis (Rechteabtretung, Anm.): In den Dreißiger Jahren wurde per Gesetz jegliches Verwertungsrecht, oder alles, was an Erlösen aus einem Filmwerk stammt, dem Produzenten zugesprochen, mit dem Argument, der hat doch das Risiko und der muss das Geld aufstellen. Das war in den Neunzigern immer noch aufrecht, in Zeiten, wo die Produzenten in den seltensten Fällen noch selber Geld aufgestellt haben, sondern aus öffentlichen Mitteln oder von Fernsehsendern usw. finanziert worden sind. Das Risiko ist vergleichsweise minimal, aber an der Cessio legis wird festgehalten.
WD: Damals bekamen wir erst Luft zum Atmen. Davor gab es einfach keinen Platz für uns. Erst 1996 wurde entschieden, dass Rechte auch an die anderen Urheber, vertreten durch unsere Gesellschaft, gehen. Wir haben uns bis dahin mühsam ernährt durch das Ausland. Dort war das schon selbstverständlich, dass die Filmurheber Geld bekommen. Erst ab 1996 sind wir dann auch zu inländischen Einnahmen gekommen – erst aufgrund dieser Gesetzesänderung. Die Cessio legis ist ja an sich nichts Dummes. Es ist ja einleuchtend, dass sich beim Produzenten die Rechte konzentrieren sollten. Wenn er z.B. die Kabel-TV-Rechte nach Südkorea verkaufen will, müsste er fragen, ob alle anderen Urheber einverstanden sind, später die Erben und dann die Erben der Erben – das geht klarerweise nicht. Das wäre ein unmögliches Modell. Wenn ich ein Gedicht schreibe, und es fragt mich der Verleger: „Dürfen wir das in Südkorea in Übersetzung rausbringen?“ kann ich sagen, passt mir oder passt mir nicht – und je nachdem wird die Entscheidung sein. Aber das ist eben ein ganz simples Werk. Also, sinnvoll ist sie schon, die Rechtekonzentration beim Produzenten, aber nicht so holzhammer-mäßig, wie man sie in Österreich gehandhabt hat.

Wie ist das anderswo geregelt, in Deutschland zum Beispiel?
WD: Die Deutschen haben keine Cessio legis, sondern die Vermutungsregel. In deren Gesetz und praktisch in allen anderen europäischen steht: Wenn nichts anderes vereinbart ist, dann sind alle Rechte am Filmwerk beim Produzenten. Das ist etwas anderes, als wenn man, wie in Österreich, sagt, alle Rechte sind von Gesetzes wegen beim Produzenten. Das ist ein nur scheinbar kleiner Unterschied, in Wirklichkeit aber ganz wichtig. Was wir anstreben, ist ein europäisches Niveau bei dieser Rechtekonzentration.

Das basiert also auf Goodwill. Ist das nicht gefährlich? Der Produzent ist ja nicht daran gebunden.
EUJ: Der Produzent muss sowieso mit jedem Urheber einen Vertrag schließen. Er muss einen Regisseur unter Vertrag nehmen und einen Kameramann. Teil dieses Vertrages ist natürlich auch, was dann mit dem Werk geschieht. Das weiß man ja vorher.
WD: Wir haben gesagt: Wie ist denn das, warum klammern sich die österreichischen Produzenten so an die Cessio legis? Wenn man sich umschaut, im Rest von Europa scheint es ja auch ohne zu funktionieren. Da sagen die Produzentenvertreter, diese Frage haben sie schon so oft beantwortet, dass sie gar nicht mehr darauf eingehen wollen. In Wirklichkeit wurde die Frage noch nie beantwortet, denn wenn es in Deutschland, in Frankreich, in Holland ohne Cessio legis funktioniert, dann liegt die Vermutung nahe, dass es in Österreich auch gehen würde.

Woran liegt es, dass erst in den Neunziger Jahren diese Verwertungsgesellschaft eingerichtet wurde? An der mangelnden Größe der Industrie und an zu wenig Druck?
WD: Vorher war es so, dass die Österreicher zur deutschen VG Bild-Kunst gegangen sind, das war die dortige Verwertungsgesellschaft. Die gut informierten Leute haben gewusst, da gibt es Geld zu holen. Allmählich sind das immer mehr geworden. Jeder, der intelligent oder informiert genug war, hat das Geld dort geholt. Auch aus dem Verständnis heraus, dass das ja gerecht ist. Dass man, wenn zusätzlich etwas mit dem Werk verdient wird, wenigstens einen kleinen Teil davon bekommt.

Hat es an einer Lobby gefehlt?
EUJ: Das ist ja bis heute so. Selbst mit Oscar-Gewinn und so, die Lobby ist wirklich nicht groß. Wenn man die Töpfe des Österreichischen Filminstituts oder des Wiener Filmfonds mit den Summen vergleicht, die sonst in die Hochkultur fließen, dann ist das immer noch sehr wenig.

Wie kam es dann doch noch zur Gründung der VDFS?
WD: Österreichische Filmschaffende, die gesehen haben, es fließt Geld, haben sich gefragt: Warum kann das nicht auch über eine österreichische Verwertungsgesellschaft fließen? Die haben dann, und da haben die Deutschen mitgeholfen, gesagt, wir machen uns unsere eigene Verwertungsgesellschaft. Ich war schon in der Anfangsphase dabei. Ich war lange Zeit vorher bei der AKM, das heißt, ich kannte mich beim Thema Verwertungsgesellschaft ein bisschen aus. Dieses Zusammentreffen von jemandem, der die Dinge beherrscht, und Filmschaffenden, die sagen „Warum machen wir nicht eine eigene Gesellschaft?“, hat letztlich dazu geführt, dass die VDFS gegründet wurde. Es hatte aber auch zu tun mit der Entwicklung von Selbstbewusstsein. Auch die diversen Berufsverbände der Filmschaffenden sind erst damals gegründet worden.

Also war gar nicht die gesetzliche Barriere das Hindernis, sondern dass man sich selbst nicht organisiert hat?
EUJ: Ja, beim Urheberrecht schon. Es gab einfach kein Gesetz, und es stand uns ja auch nichts zu. Das mussten wir ja erst erreichen, dass das Gesetz geändert wird. Wenn es kein Geld zu holen gibt, was wollen wir für eine Gesellschaft gründen? Das war ein Gesamtprozess, dass zum Beispiel auch die Berufsverbände begonnen haben, nicht immer als Einzelkämpfer unterwegs zu sein, sondern uns einmal Musterverträge ausarbeiten haben lassen. Filmschaffende, wie in vielen anderen künstlerischen Bereichen auch, sind ja oft nicht so versiert in rechtlichen Dingen und unterschreiben vielleicht etwas, weil sie den Auftrag gerne wollen, was ihnen dann nicht so gut bekommt. Da hat man sich dann zusammengetan und begonnen, die Interessen gemeinsam zu vertreten.

Bei der Auswahl, wer als Urheber gilt, hat man sich da an Deutschland orientiert?
WD: Ja. Wir haben das deutsche Modell übernommen.

Wie kamen Sie auf die Genossenschaft als Rechtsform?
EUJ: Die Idee war, dass eine Genossenschaft eine hohe Transparenz hat. In einem Verein – das ist die andere Form, in der manche organisiert waren –, da gab es immer wieder den Vorwurf, dass es da so ein Kleingremium gibt und die eben machen, was sie für gut und richtig finden. Wir fanden es von Anfang an wichtig, dass alles transparent ist. Dass die Bezugsberechtigten und die Genossenschafter Anspruch darauf haben, nicht nur alles zu erfahren, sondern auch mitzubestimmen. Wesentliche Dinge können nur in der Generalversammlung beschlossen werden.
WD: Später hat der Gesetzgeber genau das verfügt, im neuen Verwertungsgesellschaften-Gesetz: Es kann nur mehr Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften geben. Daher gibt es in diesem Bereich keine Vereine mehr. Wie gesagt, uns behagt diese zusätzliche Kontrolle durch die Genossenschaftsbeamten – die kommen und prüfen alle zwei Jahre und machen einen Bericht. Es ist ganz beruhigend für den Vorstand, sagen zu können, da ist eine weitere Kontrollebene eingezogen.

Die VAM, die Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien, ist die der Produzenten. Gibt es da Konkurrenz?
WD: Einen Kampf um die Anteile. Wir müssen uns den Filmanteil teilen, und da ist die Frage, in welchem Verhältnis. Da gibt es zum Teil gesetzliche Regelungen, die unterschiedlich interpretiert werden können. Gerade in die letzte Novelle sind Sachen hinein geschrieben worden, die kann man unterschiedlich lesen – und sie werden auch unterschiedlich gelesen.

Worum geht’s da?
WD: Um die Anteile. Die Produzenten sagen, das gehört sowieso alles uns, und dann müssen sie gewisse Anteile abgeben. Aber genaue Kriterien, wie hoch diese Anteile sein sollen, gibt es nicht. Der Urheberrechtssenat hat das jetzt einmal entschieden: Wie ist für Kabel-TV zwischen VAM und VDFS zu teilen und wie für Leermedien? Diese Aufteilung ist zwar nicht mehr ganz aktuell, aber sie wird einfach fortgeführt. Und da ist es so, dass die VAM einen höheren Anteil hat als wir, was uns nicht gefällt.
EUJ: Wir haben Regie, Kamera, Schnitt, Ausstattung, Schauspieler zu vertreten, und bekommen weniger Geld als die Produzenten! Und Literatur und Musik haben die ältesten Gesellschaften, die haben sich ihre Pfründe gesichert. Für uns, die wir neu dazugekommen sind, bleiben nur Kleinanteile. Das ist etwas, was uns immer wieder beschäftigt. Im Grunde ist die ganze Aufteilung so, wie sie jetzt existiert, merkwürdig anachronistisch.

Das heißt, Literatur und Musik haben auch Anteile an den Filmtantiemen.
WD: Das ist ja in Ordnung, aber von dem Anteil, der an die Filmurheber geht, bekommt die AKM mehr als alle Filmschaffenden plus Produzenten zusammen! Das ist seltsam, und das kann man nur historisch erklären. Ich meine, ein Film wird doch nicht hauptsächlich auf DVD aufgezeichnet wegen der Musik, sondern möglicherweise hat es doch was mit Regie, Kamera, Schauspielern, Produktion usw. zu tun. Mich hat einmal der damalige Chef der AKM gefragt, warum wir immer so unfreundlich sind und immer um etwas kämpfen. Ich sagte: „Wir versuchen es ja anders, und wenn Sie uns freiwillig ein Scheibchen mehr abtreten, sind wir sehr dafür.“ Aber es geht nicht. Ich glaube, dass die das auch vor ihren Mitgliedern schwer vertreten könnten, und so wird halt immer wieder gekämpft.

Wird sich das jemals ändern? Gibt es da Spielraum?
WD: Das Problem ist: Als die VDFS gegründet wurde, war die Welt schon aufgeteilt zwischen den bestehenden Gesellschaften. Jeder hat sein Kuchenstück gehabt, und dann sind wir gekommen und haben jedem etwas weggenommen. Das hat uns nicht so beliebt gemacht. Zu Ihrer Frage, ob sich diese Verteilung ändern wird: Genau das versuchen wir zu bewirken. Das ist aber ziemlich aussichtslos, denn wer gibt freiwillig Geld her? Und der Gesetzgeber hat sich da bis jetzt herausgehalten. Ich glaube, das ist auch weise. Nicht so weise ist es, kein Mittel zur Verfügung zu stellen, um bei einem Ungleichgewicht eine Anpassung zu ermöglichen, außer durch Gerichtsverfahren. Unser Rekord-Gerichtsverfahren dauerte, glaube ich, acht Jahre. Da haben wir mit der Verwertungsgesellschaft der Rundfunkanstalten um Anteile gekämpft. Das ist zweimal zum Obersten Gerichtshof und wieder zurück gegangen, und dann ist man endlich zu einer Einigung gekommen. Der wirkliche Mangel im System ist, dass der Gesetzgeber keine Mittel in die Hand gibt, die Verteilung festzusetzen und zu adaptieren. Im Grunde ist es so, dass laufend nachjustiert werden müsste. Weil das nicht geht, muss man streiten, es gibt gar keine andere Möglichkeit.

Kann man beziffern, um welche Summen es da geht?
WD: Bei den Leermedien um 12 Millionen Euro pro Jahr für alle Verwertungsgesellschaften, beim Kabelfernsehen sind es rund 15 Millionen. Dann beginnt der Streit um den Kuchen. Davon hat 30 Prozent allein die Musik. Aus den Töpfen für den Film bekommt die Musik 30 Prozent, das muss man sich vorstellen.

Wie viele Mitglieder haben Sie?
EUJ: Rund zweitausend, davon etwa die Hälfte Schauspieler.

Wie erfährt man als Urheber, dass man Urheber ist? Lernt man das irgendwo, auf der Filmakademie beispielsweise?
EUJ: Ja. Beziehungsweise tun wir auch einiges dazu. Im Zusammenhang mit Festivals machen wir z.B. Veranstaltungen, wo wir ausdrücklich Studenten einladen und ihnen erklären, dass sie Rechte haben. Bezugsberechtigt zu sein kostet ja nichts. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass man im Moment eben nichts bekommt, aber es kostet gar nichts.

Wie viele Ihrer Mitglieder sind pro Jahr bezugsberechtigt?
WD: Ich denke, 600 Personen bekommen regelmäßig von uns Geld, insgesamt sind es pro Jahr wohl rund die Hälfte. Es ist manchmal so, dass jemand in einem Jahr nichts bekommt, im nächsten Jahr sehr wohl. Das kann zum Beispiel bei einem Regisseur der Fall sein, der gerade einen Film vorbereitet.

Wird der Anteil der ausbezahlten Mittel kleiner, wenn es mehr Berechtigte gibt?
EUJ: Pro Person? Ja, aber da gibt es keinen Durchschnittswert. Es gibt Leute, die haben bei einem Film Regie geführt, der dauernd gespielt wird, und es gibt Filme, die alle drei Jahre vielleicht einmal gezeigt werden. Manche Leute haben überhaupt nur überlebt, indem sie zum Teil im Ausland gearbeitet haben, oder auch andere Berufe nebenher ausgeübt haben. Für mich kam der große Einschnitt, als Gerhard Zeiler in den ORF kam und von einem Jahr auf das andere nicht mehr 25 Spielfilme in Auftrag gegeben wurden, sondern fünf. Da begann die Branche zu verhungern. Viele sind weggegangen oder haben einen anderen Beruf gewählt. Die Branche wurde unheimlich ausgehöhlt.

Geistiges Eigentum, wie Sie es verteidigen, ist doch sehr ins Gerede gekommen in den letzten Jahren. Das geht so weit, dass manche sagen, geistiges Eigentum sei Diebstahl. Wie sehen Sie das? Wie gehen Sie mit dieser Entwicklung um?
EUJ: Erfreut sind wir nicht, weil den wenigsten Leuten bewusst ist, dass – beim Film ist das nicht ganz so krass, weil normalerweise die Leute schon eine Gage bekommen – Buchautoren oft überhaupt nichts bekommen, außer Tantiemen für die verkauften Exemplare. Wenn Leute Bücher einfach kopieren, dann betrügen sie den Autor. Sie nehmen ihm seinen Verdienst. Den meisten Leuten ist das nicht bewusst. Das ist ja ein Irrglaube, dass alle, die eine CD einspielen, gleich gigantische Summen bezahlt bekommen. Bis auf einige Stars arbeiten alle auf Risiko und leben davon, was sie verkaufen. Wenn jemand seine Werke zur Verfügung stellt im Internet, bitte, das steht ihm ja frei. Aber dass man sie einfach ohne weiteres nimmt, zum Teil sogar ohne Quellenangabe … Das ist einfach übel. Wahrscheinlich würden es die meisten Autoren nicht einmal verbieten, aber bitte mit dem Namen des Urhebers. Vor allem unter jüngeren Leuten, denke ich, besteht gar kein Bewusstsein mehr, dass da jemand geschädigt wird. Das existiert nicht in den Köpfen.

Es gibt Vorschläge, pauschal Geld einzuheben und Downloads freizugeben, eine Art Kultur-Flatrate. Ist das sinnvoll und machbar?
WD: Es ist halt konträr zur bisherigen Auffassung des Urheberrechts, das die Kontrolle durch den Urheber vorsieht. Er sagt, wer, er sagt wann und er sagt, wie man sein Werk verwenden darf. Ich glaube, dieses System, nämlich die Kontrolle der Verwertung durch den Urheber bzw. durch die Verwertungsgesellschaft ist nach wie vor das beste Mittel, um Geld zu bringen. Beim Film geht es ja um exklusive Rechte. Wenn jemand irgendeine Hintergrundmusik schreibt, kann der sagen, ich will meine Vergütung dafür bekommen, und das war es dann. Im Filmbereich ist das wesentlich sensibler. Wenn man das völlig freigibt, ist das schon was anderes. Wenn ein Spruch oder eine Melodie aus einem Film für eine Werbung verwendet wird, bringt das den Urhebern Geld. Diese Art von Erträgen ist, wenn man die Tür völlig aufmacht, weg, das ist klar. Jeder kann zu seiner Werbung dazu spielen, was er will und muss niemanden fragen und nichts dafür bezahlen.

Wann wird eigentlich ein Film zur Public Domain?
WD: 70 Jahre nach dem Tod des letzten Urhebers. Für diese Zwecke sind die Urheber in eine Vierer-Gruppe zusammengefasst worden. Man musste nicht nur die Schutzfrist vereinheitlichen, sondern, damit das ganze auch funktioniert, musste man auch fragen: „Wer ist denn für Zwecke der Schutzfristberechnung Filmurheber?“ Man hat sich geeinigt auf Regisseur, Drehbuchautor, Autor der Dialoge – der kann ja verschieden sein von dem Autor des Drehbuchs – und Komponist, also der Komponist der Musik, die speziell für den Film geschrieben worden ist. 70 Jahre, nachdem der Letzte aus dieser Vierer-Gruppe gestorben ist, ist der Film öffentliches Gut.