Splice

Filmkritik

Splice

| Alexandra Seitz |

Hochmut kommt vor dem Fall. Zwei Wissenschaftler wollen es nicht hören und müssen es fühlen.

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Im Zuge ihrer Forschungen für das Nucleic Exchange Research & Development Institut, abgekürzt N.E.R.D., haben sich die jungen Wissenschaftler Elsa Kast und Clive Nicoli kennen und lieben gelernt. Die beiden Genetiker beschäftigen sich mit der Herstellung hybrider Organismen, die der Medikamentenherstellung und damit der Heilung unheilbarer Krankheiten dienen sollen. Ihre Arbeit ist erfolgreich, Elsa und Clive sind hoch angesehen, sie werden gefeiert – und sehr wahrscheinlich ist es der Übermut, der aus der Selbstüberschätzung entsteht, der Elsa eines Tages eines ihrer Schöpfungsexperimente über den genehmigten Zeitraum hinaus weiter führen lässt. Es ist wie damals im Paradies: Neugier und Verführbarkeit der Frau beschwören den Sündenfall herauf.

In Vincenzo Natalis kühl-konzentriertem Splice hat dieser Sündenfall die Gestalt von Dren, einem Mischwesen aus menschlicher und tierischer DNA, das einen stachelbewehrten Schwanz schwingt, auf sprunggelenksstarken Bocksbeinen federt und sehr bald zu groß ist, um noch länger im Labor versteckt werden zu können. Also bringen Elsa und Clive Dren in eine abgelegene Scheune, wo sich das zugleich bedrohlich und niedlich wirkende Monster-Haustier zügig zum seltsam verführerischen Tochter-Ersatz mit starkem, eigenem Willen entwickelt. Mit dem, was dann folgt, begibt sich Natali aufs feuchtdunkle Gelände des Verdrängten, des Tabuisierten, des Perversen und des Verschwiegenen.

Splice verdankt zwar Ausgangsmotiv und Grundstruktur Mary Shelleys Gothic-Klassiker „Frankenstein Or The Modern Prometheus” (1818), erweitert das Lehrstück über die schlimmen Folgen menschlicher Hybris jedoch um eine psychologische Dimension, in der geschlechtliche Identität in Korrelation zu Gewalt gesetzt wird, sowie kindliche Traumata, familiärer Inzest, die Dynamik von Paarbeziehungen und der urtümliche Horror vor Schwangerschaft und Geburt Platz finden. Dabei wirkt Splice nie thematisch überfrachtet, denn wie bei seinem beeindruckenden zweiten Film Cube, mit dem er 1997 einen großen internationalen Erfolg feiern konnte, beweist Natali auch diesmal enormes Geschick bei der Verknüpfung – und damit Belebung – einer geradezu klinisch-mathematischen, narrativen Versuchsanordnung mit realistisch wirkenden, sorgsam charakterisierten Figuren. Freilich unterstützt von den Schauspielern, vor allem Delphine Chaneac, deren auf den Punkt genau zwischen erotischem Faszinosum, kindlicher Unschuld und fremdartiger Gefährlichkeit angesiedelter Dren sich keiner entziehen wird können.