Somewhere Film

Filmkritik

Somewhere

| Alexandra Seitz |

Wer von beiden eigentlich das Kind ist, verunklärt sich im Laufe dieser zauberzart beobachteten Vater-Tochter-Begegnung zusehends.

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Der satte Sound des im Kreis herum fahrenden Ferrari bestimmt die ersten Minuten. Die Ödnis, die in der Wiederholung des ewig Gleichen liegt, bestimmt das, was folgt: die Pole Dancer, die Pressekonferenz, die Party. Flüchtige Beziehungen, oberflächliche Gespräche, seichte Vergnügungen. Bier am Nachmittag. Bis sich in die routinierte Sinnentleertheit des Lebens des Schauspielstars Johnny Marco eine Unregelmäßigkeit einschleicht: Johnnys elfjährige Tochter Cleo absolviert den üblichen Wochenendbesuch und Papa bringt sie zum Eiskunstlauftraining. Dann sehen er und wir dem Mädchen beim Tanzen zu, und es sieht mitunter etwas ungelenk und an manchen Stellen ein wenig zittrig aus, doch immer wieder scheint in diesem noch mädchenhaften Körper für Sekunden bereits die Verführungskraft und Sinnlichkeit der jungen Frau auf, die sich bereit macht, aus ihm auszubrechen – und im zuschauenden Vater dämmert die Erkenntnis, dass sein Kind drauf und dran ist, erwachsen zu werden und Erfahrungen mit der großen weiten Welt zu machen. Und er staunt. Und er schaut. Und als wenig später seine Tochter ein paar Tage länger als üblich bei ihm bleibt, da löst diese Anwesenheit etwas in ihm aus. Erst ist es wie ein leises Zittern, ein Vibrieren, doch am Ende wird es eine erdbebenartige Erschütterung gewesen sein.

Mit ihrem vierten Spielfilm, Somewhere, erweist sich Sofia Coppola endgültig als Meisterin der Inszenierung von Melancholie und anverwandten verdüsternden Gemütszuständen wie Ennui, Schwermut, diffuser Weltschmerz und allgemeine Bekümmernis. Es gibt in Somewhere keinen falschen Ton und keine Klischees, keine zu langen Szenen und auch nichts Übereiltes. Die Ereignisse vollziehen sich in einem ihnen genau entsprechenden Rhythmus – d.h. Coppola gesteht ihnen mehr Raum und Zeit zu, als es den filmischen Konventionen entspricht – und dabei bleibt noch genügend Zeit für eine Beobachtung am Rande, die die Ausdruckskraft des Bildes verstärkt. Selbst der peinlich banale Zusammenbruch Johnny Marcos, bei dem er in einem mitternächtlichen Telefonat die Leere seiner Existenz bejammert und dafür noch nicht mal Trost-Floskeln, sondern unverhohlenes Desinteresse erntet, ist ein zutiefst wahrer Moment. Weil Wahrheit des Öfteren peinlich und banal ist. Und weil die Wenigsten eine gute Figur machen, wenn ihnen die Textur des eigenen Lebens unter den Händen löchrig wird.