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Es muss was geben

| Sebastian Hofer |

Verschwenderische Jugend, klein wie groß: eine Oral History der Linzer Undergroundszene.

Es gab nichts in Linz, Mitte der Siebziger Jahre. Gut, es gab die Voest, ziemlich viel Beton, ein paar Sportvereine, die landesüblichen Fünfuhrtees und Pfarrgemeindesaalkonzerte. Sprich: nichts. Keine Frei- und Ausprobierräume, keine Möglichkeiten, eine Kleinstadtjugend sinnvoll zu verschwenden. Doch dann, kurz vor Ende der Siebziger Jahre, kam da plötzlich etwas, das nach großer Welt aussah, etwas verschwenderisch Neues, Aufregendes: Punk. Es kam – in Form von Schallplatten und Austauschschülererlebnissen – vom Großen (London) ins Kleine (Linz) und wurde dort noch einmal groß. Linz entwickelte sich zum ersten Versuchslabor des österreichischen Underground, zu einem erstaunlich fruchtbaren Biotop, in dem in rasanter Folge Punk, New Wave, Hardcore und Rap aufblühten und dabei weit mehr als nur lokale Bedeutung hatten. Linz brachte vergessene heimische Supergroups wie Willi Warma hervor, wegweisende Bands wie Target of Demand und ziemlich eigensinnige Pop-Phänomene wie Attwenger.

Andreas Kump, seines Zecihens Sänger der Linzer Popband Shy, dokumentierte diese goldenen Jahre anno 2007 in seinem Oral-History-Buch „Es muss was geben“, die Filmemacher Oliver Stangl und Christian Tod haben daraus nun einen Film gemacht – und dabei eine seltsame Entscheidung getroffen: Das schreiend scharfe Archivmaterial blieb überwiegend im Giftschrank, stattdessen erzählen 23 Männer und zwei Frauen, wie das damals so war, als es plötzlich etwas gab in Linz. „Freiheit, Freiheit, a totale Freiheit“ erlebte der Linzer Über-Punk Thomas Baua Hauer, und rundum eine Art Parallelverschiebung: die große Welt im kleinen Linz; ein bisschen London, ein bisschen Berlin, ein bisschen Zürich, Seattle, Portland, und doch immer: Linz. Die Spuren, die diese Zeit hinterlassen hat, sind in Es muss was geben deutlich sichtbar, nicht nur die körperlichen, vor allem auch die geistigen, die politischen: Meinungen, Haltungen, Lebensentwürfe, Verwirrungen und Sentimentalitäten. Letztere, und das zählt zu den Stärken dieses Filmes, bleiben verhältnismäßig dezent.

Souverän balanciert Es muss was geben zwischen Analyse und Anekdotensammlung, findet den schmalen Grat zwischen Heldensage und Zeitgeistbeschwörung und verdankt dies vor allem seinen Protagonisten, die sich – mit den zwei, drei unvermeidlichen Ausnahmen – nicht ganz so ernst nehmen, wie sie es durchaus könnten. Didi Bruckmayr (Fuckhead, Wipeout) findet – angesichts nachhaltiger Eifersüchteleien zwischen diversen Szeneveteranen – die goldenen Worte: „Ich verstehe diese Aufregung nicht. Das waren doch alles Jugendscherze. Lustige Jugendscherze. Da war viel gewonnen und nix verloren.“