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Ich sehe den Mann deiner Träume
Greg (Antonio Banderas), Sally (Naomi Watts) und Iris (Anna Friel).

Filmstart

Ich sehe den Mann deiner Träume

| Harald Mühlbeyer |

Jeder sehnt sich nach etwas Besserem – ein vergebliches Streben in Woody Allens neuem Film

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Ungefähr die Hälfte des Films sehen wir den Figuren von Woody Allens jüngstem Ensemblestück zu, die alle ein Leben führen zwischen Hoffnung und Illusionen, die festgefahren sind in ihren Beziehungen, in ihrem Denken, in ihrem Wollen. Und dann kommt langsam für (fast) jeden von ihnen die Wendung zum Schlechteren.

Roy (Josh Brolin) ist ein erfolgloser Schriftsteller mit Schreibblockade, der sich nach der schönen Nachbarin sehnt; seine Frau Sally (Naomi Watts) will eine Familie, ist frustriert und verliebt sich in ihren Chef (Antonio Banderas). Ihr Vater Alfie (Anthony Hopkins) sehnt sich nach seiner Jugend und heiratet eine Prostituierte, was seine Exfrau Helena trostsuchend zu einer Wahrsagerin treibt. Das Leben, so erklärt uns der Off-Kommentar mit Shakespeare, ist ein Märchen voll Klang und Wut, das nichts bedeutet. Und das Woody Allen belustigt, aber auch mitfühlend und zugeneigt betrachtet. Auch wenn sich seine Figuren lächerlich benehmen wie Alfie, der sich mit Insignien der Jugend umgibt, oder Helena, für die Scharlatanerie zum Leitfaden fürs Leben wird; das unterscheidet sich nicht wesentlich davon, wenn Roy die Schöne in Rot anhimmelt oder Sally sich in den dunkel gekleideten Fremden verguckt – menschlich, und deshalb tragisch.

Der dunkle Fremde des Originaltitels, das ist der Tod, dem wir alle dereinst begegnen – und mit untergründiger Ironie ist er auch eine Figur im Film, der schöne, schwarzhaarige Antonio Banderas. Ausgerechnet er scheint am meisten mit sich im Reinen zu sein, obwohl er vermutlich auch ein verkorkstes Leben führt. Mit dem Schicksal der anderen hat er wenig zu tun, in einer der schönsten Dialogszenen des Films blockt er elegant jede Beziehung zu Sally ab.

Die Mittel der großen Tragödie – etwa das Hadern mit dem Selbst, die Auseinandersetzung mit den Taten der Vergangenheit, das fruchtlose Bemühen um Besserung der Verhältnisse, hoffnungsvolle und sinnlose Illusionen – werden heruntergebrochen auf das ganz normale Leben. Zwar fehlt dabei die Zwangsläufigkeit, die Allens anderen jüngeren tragischen Werken wie dem Meisterstück Matchpoint oder Cassandra’s Dream eigen ist; es geht freilich auch nicht um Fragen nach Schicksal und Zufall, sondern um menschliche Fehleinschätzungen und Fehlhandlungen. Und wenn man glaubt, dass es nicht schlimmer kommen kann, schlägt das Leben erbarmungslos zu … Am Ende aber gibt es mit böser Ironie sogar ein Happy End, ausgerechnet für die Figur, die sich am meisten vom Leben, von der Realität abgewandt hat.