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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

| Alexandra Seitz |

Gulliver landet mal wieder im Kindergarten, und Jonathan Swift dreht sich mal wieder im Grabe um.

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Lemuel Gulliver ist ein kleiner Angestellter in einem großen Verlag. Im Allgemeinen ist er sehr auf Unauffälligkeit bedacht, doch eines Abends bringt ihn seine tiefe Verehrung für die Reiseredakteurin Darcy Silverman in eine schwere Bredouille: Weil er vor der Angebeteten mehr scheinen will als er ist, gerät Gulliver mitten im Bermuda-Dreieck allein auf einem Boot in einen Sturm und wird sodann am Strand der Insel Liliput, an dem ihn ein gnädiges Schicksal anschwemmt, von General Edward gefangen genommen. General Edward ist etwa so lang wie Gullivers Daumen, doch er gebietet über eine ganze Armee von Leuten seiner Größe; und so klein sie als Einzelne auch sein mögen, gegen ihre Überzahl hat Gulliver keine Chance – zumal es sich bei den Liliputanern um „terrific builders“ handelt – um großartige Baumeister also. Und in der Tat können es die Bauten, die die Liliputaner alsbald für den überdimensionierten Fremden errichten – und aus denen eine hoffentlich Trend setzende Kaffeemaschine herausragt –, mit den elaboriertesten Steampunk-Fantasien aufnehmen. An den Special Effects, mit denen in Rob Lettermans Gulliver’s Travels die unterschiedlichen Größenverhältnisse ins Bild gesetzt werden, liegt es jedenfalls nicht, dass die knapp 85 Minuten Laufzeit sich über Gebühr dehnen und strecken und in die Länge ziehen. Und obgleich sich der eingesetzte 3D-Effekt absehbar als völlig entbehrlich erweist, an der Oberfläche des Films gibt es nichts auszusetzen. Betrüben will vielmehr, dass auch diese x-te Adaption (die erste verantwortete

1902 Georges Méliès) von Jonathan Swifts berühmtem, sozialkritisch-satirischem Werk nicht mehr zu bieten hat als all die kindgerecht entschärften Bearbeitungen, die es sich seit seinem Erscheinen 1726 gefallen lassen musste. Einmal mehr also ist die Geschichte, die dem Misanthropen Swift als Brennglas diente, um die Fehler der menschlichen Gattung ins Groteske gesteigert hervorzuheben, auf den fantastischen Kontrast und die Spielerei mit Proportionen reduziert.

Die Kritik an einer ganzen Spezies schrumpft zusammen auf die ultimative Blamage Lemuel Gullivers, der den Umstand, endlich einmal aus der Menge herauszuragen, auf seine Weise zu nutzen weiß: Er entfacht einen schamlosen Personenkult rund um „President Awesome“, als der er sich den naiven, kleinen Leuten gegenüber ausgibt. Und Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Den lieben Kleinen wird’s Spaß machen, alle anderen sind hiermit gewarnt.