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Cooking History

Cooking History

| Reinhard Bradatsch |

Neun Köche und ihre ernüchternden Erzählungen aus dem Kriegsalltag

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Ohne Essen kein Krieg. Oder um es umgekehrt auszudrücken: Nur Soldaten, die mit den nötigen probaten Nahrungsmitteln versorgt werden, ziehen für ihr Land entsprechend motiviert in den Kampf. Cooking History ist – auch wenn der Titel Assoziationen zu gängigen TV-Formaten suggeriert – keine lukullische Auseinandersetzung mit historischen Speiseplänen. Regisseur Peter Kerekes rückt jene in den Vordergrund, die nicht an der Front stehen, die jedoch maßgeblich am Erfolg oder Misserfolg ihrer Kameraden beteiligt sind: die Militärköche.

Seine Dokumentation lässt die Protagonisten, ehemalige oder noch im Beruf stehende Köchinnen und Köche, nicht bloß erzählen; Kerekes beobachtet sie bei der Arbeit – sei es am Herdprovisorium auf dem Feld oder am Kohlenfeuer in einer Baracke. Die meisten von ihnen kneten, schneiden, dünsten, hacken seit Jahren das erste Mal wieder aus dem Kochbuch des Krieges. Etwa die betagte Russin, die aus Milch, Mehl und Eiern jene „blinis“ zaubert, die einst der Sowjetarmee unter Stalin die nötigen Proteine im Kampf gegen die deutsche Wehrmacht lieferten. Oder der französische Legionär, der beim Köpfen des Hahns vom Abschlachten seiner Kumpels im Algerienkrieg berichtet.

Worte, die in ihrer trockenen und zugleich erschütternden Ehrlichkeit ein Tagebuch der bewaffneten Konflikte inmitten des europäischen Kontinents formen, sind dabei nicht genug. Kerekes forciert das Dramatische: Er lässt seine Darsteller das Erlebte inszenieren, gibt ihnen auf dem ehemaligen Schlachtfeld noch einmal den Kochlöffel in die Hand oder lässt sie im Wald eine Kuh töten. Ein vermeidbarer Kunstgriff, ebenso wie die oftmals insistierenden und provokanten Fragen der Interviewer aus dem Off. Geschichten wie die des jüdischen Bäckers, der während der Naziherrschaft als Nürnberger Widerstandskämpfer das Brot der dortigen SS-Brigade vergiftete, sprechen auch so für sich.

Neben einem Querschnitt der letzten 70 Jahre europäischer Kriegshistorie vermittelt Cooking History vor allem eine bittere Erkenntnis: Essen ist – zumindest an den Tischen der Heeresdiener –  kein verbindendes Element. Frei nach dem Sprichwort „Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht“, ist der Nationalismus der Geschmäcker eine der wenigen Konstanten zwischen den Völkern. Oder wer könnte nach diesem Film noch daran zweifeln, dass die Auswahl der Speisen, die den ehemaligen Staatsoberhäuptern der Balkanstaaten vorgesetzt wurden, mit ein Grund für den Kriegsausbruch in den Neunziger Jahren war?