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Eine Familie

Filmkritik

Eine Familie

| Alexandra Seitz |

Vielschichtiges Drama über eine Familie am Scheideweg

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Zu Fuß und mit einem Sack voll Getreide unter dem Arm sei der Urgroßvater seinerzeit aus Deutschland gekommen. So geht die Gründungslegende der Bäckerei Rheinwald, die es in langen Jahren mit harter Arbeit schließlich zum Königlichen Hoflieferanten geschafft hat und sich nunmehr in dritter Generation in Familienbesitz befindet. Rikard Rheinwald, derzeitiger Chef und Patriarch, ist ein Tatmensch. Als ihm ein inoperabler Gehirntumor diagnostiziert wird, reagiert er mit wütender Verweigerung. Er lehnt sich auf, er zürnt, er tobt. Er will sein Schicksal nicht wahrhaben. Umso weniger als ihm bald schon klar wird, dass die Zukunft des Familienbetriebes nach seinem Tod bestenfalls ungewiss sein wird.

Denn die älteste Tochter, Dette, die Rikard als Nachfolgerin am liebsten sähe, hat eigene Pläne; Wimmer, sein einziger Sohn, ist noch viel zu jung, um die Tradition weiterzuführen – und den Rest hält er für unfähig. Also kommt es zum Konflikt zwischen Vater und Tochter, zwischen patriarchaler Autorität und feministischer Selbstbestimmung. Ohnmacht und Verzweiflung prägen schließlich den Abschied des Bäckermeisters von der Welt, und unter der Last des Sterbens ihres Oberhauptes entfremden sich die Mitglieder der Familie. Nicht nur voneinander, auch von Rikard Rheinwald.

En Familie von Pernille Fischer Christensen zeigt die beunruhigende Janusköpfigkeit des Prinzips Familie, jenes auf Blutsverwandtschaft gegründeten Zusammenschlusses, der die Keimzelle einer jeden Gesellschaft bildet. Je nachdem, ob man in ihr eher ein mit liebevoller Herzensbildung weich gepolstertes Nest sieht, oder einen Ort der Zurichtung, Disziplinierung und Einübung in Autorität – je nachdem zeigt einem En Familie ein anderes Gesicht.

Das eine ist das Porträt dreier Generationen, die Feste feiern, Zeiten der Not ertragen, Kinder verlieren, Kinder zeugen, sich streiten, sich versöhnen, sich trennen, sich wieder vereinen. Und so weiter. Was Familien halt so machen. Das andere zeigt das Bild eines Niedergangs, eine Familie nicht nur im Umbruch, sondern am Abgrund, deren Mitglieder die eigenen Interessen über alles andere stellen, die einander nicht respektieren, die manipulieren, drohen und befehlen statt zu argumentieren, zuzuhören oder auch einfach nur mitzuteilen. Der eine Film interpretiert Familienbande als Sicherheitsnetz, der andere als Fallstricke. Beide haben Recht.