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Tricky Women

Tricky Women

Happy Birthday!

| Alexandra Seitz |

Das Tricky Women Festival geht in die zehnte Runde.

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Tricky Women lässt es krachen! Es gilt, einen runden Geburtstag zu begehen: Das weltweit einzige Festival, das sich dem Animationsfilmschaffen von Frauen widmet, feiert sein 10-jähriges Bestehen. Vom 10. bis 14. März wird das Top-Kino in Wien wieder zum Begegnungsort für alle am Trickfilm Interessierten, seien sie männlich oder weiblich. Zehn Jahre Tricky Women, das heißt auch eine Dekade Engagement und Stehvermögen der Macherinnen. Zehn Jahre erfolgreicher Widerstand gegen eine im Kulturbetrieb bedauerlich übliche Unbill, die sich aus zu wenig Geld und zu viel Arbeit zusammensetzt. Eine Dekade Kampf darum, den Filmkunstwerken von Frauen Öffentlichkeit und eine Leinwand zu verschaffen. Und jedes Jahr wieder ein glückliches Gelingen und die Bestätigung, dass die Anstrengung sich lohnt. Mögen noch viele Jahre folgen!

Neben einem Überblick über das aktuelle heimische Trickfilmschaffen im „Österreich Panorama“ bietet die Jubiläumsausgabe von Tricky Women auch Einblicke in die Arbeit des Nachwuchses: Unter dem Titel „Up & Coming“ sind ein gutes Dutzend Beiträge von Filmschulen aus einem guten Dutzend Länder zu sehen. In Zusammenarbeit mit der Universität in Nanjing entstand das Programm „Made in China“, und einer Kooperation mit dem internationalen Frauenfilmfestival Dortmund/Köln verdankt sich das Musikvideoprogramm „MuVi – Colliding Worlds“, das sich prächtig ergänzen lässt mit der von Trilby Schreiber (School of Visual Arts, New York) kuratierten Kompilation „Dance and Music“, die neun aktuelle Filme US-amerikanischer Trickfilmerinnen versammelt, darunter Hommagen an Norman McLaren und Busby Berkeley sowie ein Flamenco-tanzendes Rhinozeros.

Die im letzten Jahr begonnene Sektion „Dokumentarische Animationsfilme“ wird fortgesetzt mit drei Programmen, die Annegret Richter, Leiterin der Animations-Sektion des DOK-Festivals in Leipzig, zusammengestellt hat. Eines davon zeigt unter dem Titel „Geschichten vom Überleben“ in Ton und Machart außerordentlich unterschiedliche Trickfilme, die die Erfahrungen von Kindern mit Krieg und Vertreibung gestalten. Wohl den bedrü-ckendsten Eindruck vermittelt Slaves, in dem Hanna Heilborn und David Aronowitsch ein Interview mit zwei aus der Sklaverei befreiten somalischen Kindern in zartfühlende, farbenstarke Bilder übersetzen und damit doch einen ungeheuren Schmerz ausdrücken. Humorvoll und lebendig dagegen die Puppenanimation In Those Days von Nadine Buss, in der sich ein kleiner deutscher Junge an seine Nachkriegs-Kindheit in Paris erinnert, wo es zum einen gilt, das Geheimnis der eigenen Nationalität zu wahren und zum anderen, das Rätsel um das unstete Treiben der Nachbarinnen zu lösen. Nicht weniger schwungvoll Ann Marie Flemings Adaption von Bernice Eisensteins autobiografischer Graphic Novel I Was a Child of Holocaust Survivors, die Glück, Bürde und Trauma des Überlebens in kraftvoll kontrastreicher Animation reflektiert.

Flemings Comic-Verfilmung findet sich auch unter den rund vierzig Beiträgen, die im Internationalen Wettbewerb um die Gunst der Jury buhlen. Sie trifft dort auf einen weiteren schwarzweißen Zeichentrickfilm, der gleichfalls vom Dilemma einer Frau erzählt. Die Titelheldin von Joanna Rubin Drangers Fröken Märkvärdig & Karriären, einer geradezu epischen Geschichte einer geradezu episch fehlgehenden weiblichen Sozialisation, wurde von Kindesbeinen an darauf gedrillt, sich zu überfordern. Mit großen Hoffnungen und ebensolchen Plänen ins Leben gestartet, wird das Fräulein unter den allseitigen Erwartungen allmählich immer brüchiger und buchstäblich schwärzer (Augenringe!). Sie kämpft erbittert und verbissen – um die schließliche Erkenntnis, dass es sich als unbedeutende Niemandin auch recht glücklich lebt. Fröken Märkvärdig ist demnach ein echtes Vorbild.

Folgerichtig hat Drangers Film Eingang gefunden in eines der drei Tricky-Women-Jubiläums-Programme, in denen insgesamt 25 Meilensteine weiblichen Animationsfilmschaffens gezeigt werden. Darunter Lotte Reinigers Silhouettenfilm Carmen aus dem Jahr 1933, Asa Sjöströms poppiger Collagen-Alptraum America, America von 1972 und Michaela Pavlátovás 1991 entstandene, später oscarnominierte Sprechakte-im-Cafe-Visualisierung Words, Words, Words.

Apropos Meilensteine: Die diesjährige Tricky-Women-Personale ist Caroline Leaf gewidmet. Und wer das Werk dieser Meisterin der Direct-Animation-Technik noch nicht kennt, sollte sich die rare Gelegenheit, ihre verstörend verzaubernden Animationsfilme im Kino zu sehen, keinesfalls entgehen lassen. Leaf, 1946 in Seattle, Washington, geboren, studierte Malerei an der Harvard University in Boston. 1971 führt sie ein Stipendium des National Film Board of Canada nach Montreal, wo in den Folgejahren zahlreiche ihrer Animationsfilme entstehen. Seit 2001 lebt sie in London.

Im Leaf-Programm gezeigt wird unter anderem das aufschlussreiche Doppel-Porträt Interview, das 1979 gemeinsam mit Veronica Soul entstand und in dem sich aus der gegenseitigen Reflexion zweier eigenwilliger Filmemacherinnen ein reizvolles Spannungsfeld aus Stilen und Perspektiven ergibt. Dazu kommen vier von Leafs berühmtesten Animationen, die die Aussage der Filmemacherin, sie sei weniger von anderen Filmen und Regisseuren als vielmehr von Literatur und Schriftstellern beeinflusst, eindrücklich unterstreichen. Der oscarnominierte The Street (1976), Leafs Adaption einer Kurzgeschichte von Mordechai Richler, setzt der Morbidität des Themas – das langwierige Sterben einer Großmutter und das geduldige Warten ihrer Verwandten und Bekannten – formal eine kadersprengende Lebendigkeit entgegen. The Metamorphosis of Mr. Samsa (1977) hingegen konzentriert sich gänzlich auf die Vermittlung der Atmosphären von Hoffnung und Verzweiflung und dringt damit direkt ins Herz von Franz Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ vor.

Im Rahmen des im Filmmuseum stattfindenden international besetzten Forums „Connecting Animation“ wird Caroline Leaf auch eine Masterclass halten. In weiteren Vorträgen und Diskussionen wird über aktuelle Entwicklungen auf dem Trickfilmmarkt, Ausbildungsmöglichkeiten und spezielle Animationsfilmtechniken informiert. Dazu kommen Workshops, Publikumsgespräche und Partys!

Statt auf einer von diesen auf das Jubiläum anzustoßen, kann man aber auch das brandneue Buch „Animationsfilmkunst von Frauen“ zur Hand nehmen und sich ein umfassendes Bild des Status Quo und der Geschichte weiblicher Trickfilmkunst verschaffen.

Am besten ist, man macht beides.