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Serie Heroes

Dossier Fernsehen

Wir sind Helden

| Julia Kopetzky |

Die vierte und letzte Staffel der Science-Fiction-Serie „Heroes“ ist auf DVD erschienen. Über nachlassende Superkräfte eines Zeitgeistphänomens.

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Superhelden sind auch nur Menschen mit Problemen. Mit etwas anderen Problem zwar – nicht jeder von uns verflüssigt sich zwischendurch, fliegt durch Zeit und Raum oder sieht Töne in bunten Farben schillern (zumindest nicht ohne vorher diverse verbotene Substanzen konsumiert zu haben) – aber letztlich will auch der durchschnittliche Superheld, so scheint’s, nur eines: ein friedliches Leben mit Freunden und Familie. Dass das nicht so einfach ist, wissen wir spätestens, seit Clark Kent, das nerdige Alter Ego von Superman, Lois Lane vorzumachen versuchte, ein ganz normaler netter Kerl zu sein. Und Pixars großartige Incredibles haben uns gezeigt, dass selbst das Leben im Supersuit so seine Tücken hat.

Ganz ohne Spandex-Outfit kämpft sich seit 2006 das Serienpersonal von „Heroes“ höchst erfolgreich durch die globale Fernsehlandschaft. Die Geschichten um Durchschnitts-Menschen, die eines Tages aufwachen und plötzlich ungeahnte Superkräfte an sich entdecken, löste eine Welle der Begeisterung bei Kritikern und Publikum aus. Die 23 Folgen der ersten Staffel sahen allein in den USA im Schnitt 14 Millionen Menschen. „Heroes“ wurde mit Preisen überhäuft, NBC hatte endlich wieder eine Hit-Show und die Klatschspalten mit Hayden Panettiere (sie spielt das All-American-Superhero-Girl Claire Bennet) einen neuen Teenie-Star. Die Fernsehserie selbst war aber nur die Spitze eines Eisbergs. Im Internet wurden für die nicht minder freakige Fan-Community ganze „Heroes“-Universen, Mythologien, Spin-offs und Webisodes erschaffen.

Magischer Kompass

„Heroes“ hatte offenbar den Nerv der Zeit getroffen. Das Kino war geradezu übervölkert mit Superhelden. Die Fantastic Four, die X-Men-Mutanten, Spiderman, Batman und die bereits erwähnten Incredibles retteten New York, Gotham City, die Welt vor unglaublich fiesen Bösewichten, bis(s) sie durch fahle, liebeskranke Vampire von der Leinwand vertrieben wurden. Das schöne an den „Heroes“-Helden aber war, dass sie trotz all ihrer Superkräfte Menschen blieben und das Comic-Hafte in der Serie nicht überhand nahm.

Auch die nun auf DVD erhältliche vierte Staffel „Redemption/ Erlösung“ wartet mit 18 Episoden höchst abwechslungsreichen Superheldendaseins auf. Zu Beginn erfahren wir, dass nach den Ereignissen in Staffel drei nun alle Helden (vergeblich) versuchen, zurück in ein „normales Leben“ zu finden. Claire Bennet hat ihren ersten Tag am College und freundet sich mit Gretchen an, die aber gefährlicherweise schon sehr bald Claires Geheimnis entdeckt. Peter Petrelli arbeitet als Notfall-Sanitäter in New York und trifft dort auf die taubstumme Emma, die fähig ist, Töne und Klänge als Farben wahrzunehmen. Peters Bruder Nathan ist vom Superbösewicht Sylar besessen, wie auch der Polizist Matt Parkman, in dessen Kopf Sylars Geist herumspukt. Tracy Strauss will an ihr früheres Leben als toughe Lobbyistin in Washington D.C. anknüpfen. Und Hiro Nakamura ahnt, dass er nicht mehr lange zu leben hat und versucht durch eine gewagte Reise in die Vergangenheit, seine große Liebe Charlie vor Sylar zu retten.

Zwielichtiger Neuzugang in Staffel vier ist Samuel Sullivan, gespielt von Robert Knepper. Eher als einem herkömmlichen Superhelden ähnelt Sullivan einem alternden Punksänger. Er zieht mit seinem obskuren Wanderzirkus und einer bunten Truppe aus Hippies und Freaks, die er seine „Familie“ nennt, durch die Lande. Die Figur des diabolischen Samuel Sullivan erinnert an Charles Manson und seine „Manson-Familie“ (Mansons fanatische Anhängerinnen ermordeten 1968 Roman Polanskis hochschwangere Frau Sharon Tate). Auch Sullivan – so lernen wir später – verfolgt einen teuflischen Plan und sucht zu diesem Zweck die zunehmend an Orientierungslosigkeit leidenden Superhelden ausfindig zu machen. Er lockt sie mit einem magischen Kompass zu sich, in seine „Familie“.

Not Expandable

Bis es soweit ist und man endlich in Sullivans Masterplan eingeweiht wird, vergehen allerdings (zu) viele Folgen, in denen man allmählich Gefahr läuft, selbst den Faden zu verlieren und sich irgendwann die bange Frage stellt, wo denn das alles noch hinführen soll. Die sich daraus ergebende Vermutung: Der ursprüngliche Plot trägt keine ganze Staffel und wurde krampfhaft in die Länge gezogen, um die mit NBC vereinbarte Anzahl an Folgen zu erreichen. Die einzelnen Handlungsstränge hängen in der Luft, bis sie schließlich doch noch durch den Sullivan-Plot zusammengeführt werden. Das nimmt dem Ganzen die Spannung. Und auch die Sache mit den Superkräften läuft sich mit der Zeit tot. Die ersten magischen Momente in Staffel eins, in denen alle ihre übernatürlichen Fähigkeiten entdecken, mit ihnen hadern und sie dann einzusetzen lernen, sind vorbei. Staffel vier bietet in dieser Hinsicht wenig Neues und begibt sich dabei eines der zentralen Elemente der Serie. Auf Romantik oder gar Sex wird in „Heroes“ ohnehin weitgehend verzichtet, immerhin handelt es sich um eine saubere Familienserie und keine Pay-TV-Show. Das höchste der Gefühle ist ein zarter Mädchenkuss zwischen Gretchen und Claire. Jedoch – sorry, guys – auch da wird nicht mehr draus. Blut fließt dafür in Strömen (was in den USA bekanntlich weniger verstört als ein nackter Busen), wobei sich hier mit der Zeit ein gewisser Gewöhnungseffekt einschleicht.

„Heroes“ erleidet das Schicksal vieler TV-Zeitgeistphänomene – sie überleben sich früher oder später. Der Zeitgeist, der sie einst schuf, ist letztlich auch deren Untergang. Gute Serienschöpfer erkennen das und schaffen rechtzeitig einen Abgang in Ehren. „Heroes“-Creator Tim Kring spekulierte zwar noch mit einer fünften Staffel mit dem Titel „Brave New World“. Aber nach den enttäuschenden Quoten der vierten Staffel zog NBC den Stecker: 2010 wurde die vormals supererfolgreiche Superheldenserie eingestellt. Kurzfristig rumorte das Gerücht einer Kinoversion durch das Netz, daraus wurde aber letztlich doch (noch) nichts. Selbst Superserien sind nicht endlos „expandable“.