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Klaus Kinski

Der Schöne Wahnsinnige

| Oliver Stangl |

Er hasste den Schauspielerberuf, und doch spielte er in hunderten Trashfilmen mit – sowie in einer Handvoll Meisterwerken. Seine Darstellungsweise war von beispielloser Intensität, auf Filmsets hat er getobt wie kein Zweiter. Beat Presser hat Klaus Kinski dabei fotografiert.

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Rund 20 Jahre ist Nikolausz Günter Nakszynski, der Welt besser bekannt als Klaus Kinski, jetzt tot, doch der Kult um den Mimen, der mit seinen Tobsuchtsanfällen ebenso für Aufsehen sorgte wie mit seiner intensiven Leinwandpräsenz, ist ungebrochen. Beat Pressers Kinski-Fotografien sind längst legendär und haben mit ihrem ikonischen Bildaufbau dem Mythos um Kinski wichtige Bausteine hinzugefügt. Presser, 1952 in der Schweiz geboren, fotografierte Kinski erstmals 1977 für das Magazin „The Village Cry“, doch das sollte nicht das einzige Aufeinandertreffen der beiden bleiben. Presser reiste als Fotograf, Kamera- und Materialassistent mit dem Filmteam von Werner Herzogs Fitzcarraldo (1982) in den Dschungel Perus und für Cobra Verde (1987) nach Ghana und Kolumbien.

Vor allem um die Dreharbeiten des vielfach preisgekrönten Fitzcarraldo, in dem Kinski einen träumerischen Opernliebhaber spielt, der ein Schiff über einen Berg im Dschungel ziehen lässt (was für den Film mit enormem Aufwand auch tatsächlich realisiert wurde), um seinen Traum eines Opernhauses im peruanischen Iquitos zu verwirklichen, ranken sich Legenden. So erzählt Werner Herzog, der insgesamt fünf Mal mit Kinski zusammenarbeitete, in seinem Dokumentarfilm Mein liebster Feind – Klaus Kinski (1999), die Eingeborenen hätten ihm angeboten hätten, den tobsüchtigen Schauspieler zu töten. Dies, so Herzog, habe er abgelehnt, weil er den Film sonst nicht hätte fertig drehen können. Kinski und Herzog, das war eine Hassliebe, die großartige künstlerische Resultate hervorbrachte.

Kinski kann man dabei wohl als den lauten Wahnsinnigen bezeichnen und Herzog als den leisen. Wie viel von Kinskis Wahnsinn jedoch originär war, ist schwer zu sagen. Dass seine berüchtigten Ausraster jedenfalls nicht immer die reine Lust an der Tobsucht zum Anlass hatten, zeigt eine Fitzcarraldo-Anekdote Pressers: „Ein wirklicher Dschungel. Dicht, grün, überwältigend. Hier liegt der Ursprung. Mit einem Mal erhebt Klaus seine Stimme. Wie aus dem Nichts, von null auf hundert. Er schreit sich die Seele aus dem Leib. Fuchtelt, schimpft, flucht. Ein richtiges Donnerwetter, das selbst die Urwaldtiere innehalten lässt. Und alles ist gerichtet gegen Werner. (…) Alle wüsten und wüstesten Verwünschungen sind zu hören. Sind wir unseres Lebens noch sicher? Dann, mit einem Mal, bricht Klaus ab, dreht sich zu mir um und meint: Mach‘ dir da mal keine Gedanken, Beatus, ich mache das alles nur, um meine Stimme intakt zu halten!“

Beat Pressers Kinski-Fotos sind bereits in diversen Bildbänden zu sehen gewesen, nun ist die Fotoausstellung „Kinski“, die eine Vielzahl von Setfotografien zeigt, im Westpreußischen Landesmuseum in Münster Anlass für einen schönen, im Verlag Moser erschienenen Katalog. Neben einem Text Pressers, aus dem oben zitierte Anekdote stammt, ist darin auch ein Beitrag Werner Herzogs aus dem Jahr 1992 abgedruckt. „ray“ hat einige besonders eindrucksvolle Bilder für Sie ausgewählt.