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Duncan Jones

Source Code

„Ich schöpfe Ideen aus Computerspielen“

| Ines Ingerle |
Duncan Jones über seine Anfänge als Werbefilmer, seine Erfahrungen mit Hollywood und seine zukünftigen Projekte

Bei all den Interviews, die Sie geben, müssen Sie sich wie Jake Gyllenhaals Charakter in Source Code fühlen – Sie führen die gleichen Konversationen in verschiedenen Variationen immer und immer wieder. Haben Sie es schon satt, nach Groundhog Day gefragt zu werden?
Duncan Jones:
Das ist eine sinnvolle Frage. Es gibt viele Bezugnahmen in dem Film. Ben Ripleys Drehbuch bringt eine Menge Ideen von Science Fiction und anderen Bereichen ein. Es gibt zum Beispiel auch eine Anspielung auf „Quantum Leap“, als Jake Gyllenhaal sich im Spiegel im Körper von jemand anderem sieht.

Und einen Cameo-Auftritt von Scott Bakula, dem Hauptdarsteller der TV-Serie „Quantum Leap“.
Duncan Jones: Ja, er ist die Stimme von Jakes Vater.

Und Videospiel-Bezüge? Die Prämisse des Films ist so etwas wie der Traum eines Gamers.
Duncan Jones: Ja, mehrere Möglichkeiten zu haben, eine Mission in unterschiedlichen Arten auszuführen. Es gibt eine kleine Hommage darauf in dem Film. Die Szene, in der Jake vom Zug springt – das ist ein direkter Riff aus dem Computerspiel „Grand Theft Auto“, wo genau dasselbe passiert und kein einziger Schnitt gemacht wird.

In gewisser Art und Weise kombiniert der Film die Computerspiel-Erfahrung mit sozialen Netzwerken.
Duncan Jones: Das ist mein Leben. (Lacht.) Ich bin ein ziemlicher Hardcore-Spieler. Es gibt heutzutage eine Generation von Filmemachern, die sich nicht schämen, Computerspiele als kulturelle Referenz anzugeben. Es ist ein Prüfstein für uns. Für die jüngeren Filmemacher ist das ein Teil der Kultur, in der wir aufgewachsen sind. Wir haben eine Vertrautheit damit und wir schöpfen Ideen daraus – und ich habe mich sicherlich wohl gefühlt, das in diesem Film zu machen.

Haben Sie sich mit der Prämisse des Films wohl gefühlt? Ich bin nicht sicher, ob ich mehr über das Funktionieren des Source Codes verstanden habe als die Anmerkung des wissenschaftlichen Leiters, dass es kompliziert wäre.
Duncan Jones: Drehbuchautor Ben Ripley hatte in einem früheren Entwurf viel mehr Erklärungen drin, wie der Source Code funktionieren könnte, doch dann haben die Produzenten viel davon herausgestrichen. Als ich schließlich dazu kam, habe ich auch noch die letzten Überreste rausgenommen, und übrig blieben die nackten Regeln, die wir die Zuschauer verstehen lassen wollten, und sie damit quasi zu bitten, uns einen Vertrauensvorschuss zu geben.

Hier zeigt sich erneut die dunkle Seite der Wissenschaft, wie in Moon.
Duncan Jones: Ganz genau, obwohl Moon philosophischer gegenüber den Konsequenzen von Technologie war. Ich habe zweieinhalb Jahre an der Vanderbilt University in Nashville Philosophie studiert und mich darauf spezialisiert, Ethik auf potenziell empfindungsfähige Maschinen anzuwenden – und das war sehr maßgeblich für Moon. Ein paar dieser Ideen werden in Source Code behandelt, aber wir sind genauso interessiert am Unterhaltungswert wie an derartigen Auswirkungen.

Ich war überrascht, dass nicht Sie den Film geschrieben haben, denn das Thema der Beschaffenheit von Identität ist ähnlich wie jenes in Moon.
Duncan Jones: Die Beschaffenheit der Identität finde ich faszinierend, die Tatsache, dass die Person, die man zu sein glaubt, so anders ist als das, was andere Menschen in einem sehen. Aber als ich das Drehbuch von Source Code las, war ich vor allem von den Unterschieden zu Moon angezogen. Ich denke, es ist wahrscheinlicher, dass Jake und die anderen Produzenten die Ähnlichkeiten zwischen Moon und Source Code sahen. Vielleicht ist das der Grund, warum sie an mich gedacht haben. Als ich das Script las, dachte ich an alle Möglichkeiten, etwas anderes zu machen, und dann spielten meine eigenen Gefühle auch noch mit hinein.

Die Gefühle eines Philosophiestudenten möglicherweise. Wie kamen Sie vom Studium zum Filmemachen?
Duncan Jones: Ich interessierte mich immer schon für Film. Ich machte zuerst einen Umweg über mein Philosophiestudium. Gleich danach ging ich auf die Filmschule in London. Du gehst dort nicht hin, weil du Regisseur werden willst. Du arbeitest an einer Menge von Kurzfilmen und du machst so gut wie jeden Job. Ich war Beleuchter für den Film von jemand anderem, Tontechniker, alles. Nach der Filmschule arbeitete ich in einer Computerspiel-Firma. Das Geld, das ich verdiente, investierte ich in Kurzfilme und Musikvideos, sozusagen als Vorzeigeprojekte. Schlussendlich landete ich bei einer Werbeagentur, wo ich Werbespots schrieb und inszenierte. Nach ein paar Jahren dieser Arbeit wagte ich mich an meinen ersten Spielfilm.

Viele britische Regisseure beginnen mit Werbung, Ridley Scott beispielsweise.
Duncan Jones: Genau. Sein Bruder Tony hat mir diesen Schlachtplan vorgeschlagen. Ich hatte die Möglichkeit, gleich nach der Hochschule kurz mit ihm in Montreal an einer TV-Serie mit dem Titel „The Hunger“ zu arbeiten. Das löste bei mir den Wunsch aus, die Universität zu verlassen und zur Filmschule zu gehen.

Bis jetzt habe ich es geschafft, Ihren Vater David Bowie nicht ins Spiel zu bringen, aber nun muss ich fragen, wie es war, Ihrem alten Herrn in „The Hunger“ zuzusehen.
Duncan Jones: „The Hunger“, an dem ich arbeitete, war die TV-Version Jahre später, aber gut, mein Vater war auch in der TV-Serie.

Okay, keine weiteren Fragen über ihn. Sie arbeiten jetzt an einer Science-Fiction-Trilogie, die Moon inkludiert?
Duncan Jones: Was ich gerne machen würde, sind drei Science-Fiction-Filme, die im selben Universum spielen. Sie werden aber nicht die Fortführungen einer Geschichte sein. Stattdessen werden Charaktere oder Ereignisse in allen drei Filmen reflektiert, sodass man sie verbinden kann, obwohl es drei verschiedene Geschichten sind.

Ein bisschen wie die Sci-Fi-Variante von Kieslowskis Drei Farben. Ein weiterer Film der Trilogie heißt Mute?
Duncan Jones: Ja. Er spielt in Berlin. Der Film ist sehr schwer zu machen. Was wir also kurzfristig tun werden, ist, das Projekt als Graphic Novel herauszubringen. Das hat bei Darren Aronofskys The Fountain funktioniert. Ich schreibe aber gerade an etwas, was hoffentlich mein dritter Film wird. Ich kann nicht viel mehr sagen, als dass es meinen Appetit danach stillen wird, einen Film zu machen, der sich wie Blade Runner anfühlt.

Aber keine Fortsetzung von Blade Runner?
Duncan Jones: Es hat nichts mit Blade Runner zu tun, abgesehen von der Tatsache, dass ich Blade Runner liebe und einen Film in einer Zukunfts-Stadt machen will.

Ich habe gehört, dass Sie Superman angeboten bekommen und abgelehnt haben, und jetzt macht ihn Zack Snyder.
Duncan Jones: Ich war in der engeren Auswahl dafür. Ich bekam die Möglichkeit, mich mit Chris Nolan, einem der Produzenten, zu treffen und fachzusimpeln – das war ziemlich cool.

Ist also dieser nächste Film die Comedy-Version von Peeping Tom, den Sie mit Simon Pegg besprochen haben?
Duncan Jones: Nein, ist er nicht. (Lacht.) Simon und ich haben darüber auf Twitter gescherzt. Ich glaube nicht, dass es zu dem Zeitpunkt als so lustig empfunden wurde. Ich habe Simon Pegg kennen gelernt, aber nur online. Ich habe ihn nie persönlich getroffen. Wir haben ein bisschen darüber geredet, dass es lustig wäre, zusammen zu arbeiten und ich meinte: „Weißt du was, es wäre großartig, wenn wir Peeping Tom noch mal machen würden. Du wärst grandios darin.“

Hat Ihr neues Projekt ein 150-Millionen Dollar Budget? Könnten Sie damit umgehen?
Duncan Jones: Ich denke, ich könnte damit umgehen, aber ich glaube nicht, dass ich das als nächstes machen werde.

Hat Sie Hollywood schon verdorben?
Duncan Jones: Sicherlich nicht. Ich habe noch gar nicht die Möglichkeit gehabt, verdorben zu werden. Aber ich habe einen großen Plan. Ich würde liebend gern in die Position von Leuten wie Tarantino oder den Coen-Brüdern kommen, die ihren eigenen Stoff schreiben und dann ein Budget haben, um es so zu machen, wie sie wollen. Chris Nolan ist von Memento zu Insomnia gegangen, und das brachte ihn in die Position, einen Film wie Batman Begins zu machen. Ich denke, dass es jetzt mehr Möglichkeiten für Regisseure in meiner Lage gibt. Moon war eine Möglichkeit, einen kleinen Independent-Film zu machen, den ich auch als Visitenkarte nehmen kann. Source Code war die Chance, zu zeigen, dass ich mit einem größeren Budget, mit größeren Stars und im Hollywood-System arbeiten kann. Wir haben uns angeschaut, was Chris Nolan gemacht hat und versuchen, selber etwas Ähnliches zu machen.

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