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Utopia Ltd.

Filmkritik

Utopia Ltd.

| Andreas Ungerböck |

Einfühl- und unterhaltsames Porträt der jungen Hamburger Punkband 1000 Robota

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Kann man das gut abgehangene Genre des Musikdokumentarfilms immer wieder neu erfinden? Kann man natürlich nicht, und sollte man auch nicht. Sandra Trostel hat gut daran getan, es nicht zu tun, denn so entstand eine lebhafte, „rückhaltlos ehrliche“ (wie die deutsche Presse ziemlich einhellig meinte) Doku über und mit der Hamburger Punk-Combo 1000 Robota, bestehend aus Anton Spielmann (Gesang, Gitarre), Jonas Hinnerkort (Schlagzeug) und Sebastian Muxfeldt (Bass), die allesamt noch keine 20, aber ziemlich erfolgreich sind. Wollte man böse sein, könnte man sie die Tokyo Hotel des Punk nennen, will man aber nicht, denn sie sind nette Jungs, sauber gewaschen, gekämmt und gekleidet, mit sympathischen und (bisweilen etwas alt-)klugen Ansichten über Gott und die Welt, über Musik und vor allem über das Musikbusiness bzw. über die altbekannte Kluft zwischen Kunst und Kommerz. Sätze wie „Wir wollen Entstehung verursachen und nicht erinnern“ muss man da als Zuschauer schon aushalten können.

Zwei Jahre lang begleitete Regisseurin Trostel die drei jungen Männer zwischen Studio und Bühne, auf einer Tournee durch die deutsche Provinz, zwischen ihrem Proberaum in einem Hamburger Einfamilienhaus und den bürgerlichen Haushalten, aus denen sie nun einmal stammen. Das war nach ihrem Debütalbum „Du nicht, er nicht, sie nicht“, mit dem sie Anno 2008 ziemlich fulminant aus den Startlöchern kamen. Den schnellen und heftigen Ruhm haben sie erstaunlich gut verkraftet, wenngleich sie bzw. Vordenker Spielmann – wie die Szenen, die sie bei Aufnahmen zum zweiten Album zeigen, demonstrieren – die Position der „sensiblen Künstler“ gelegentlich ein wenig zu sehr strapazieren. Aber natürlich kann man nicht von jedem Musiker verlangen, ein „poor boy“ zu sein, der nichts anderes tun kann, als in einer „rock’n’roll band“ zu spielen (Rolling Stones, „Street Fighting Man“), und Tatkraft kann man den 1000 Robota(n) ohnehin nicht absprechen: Konsequenterweise muss der nörgelnde Label-Boss, der keinen Hinweis auf die „Old Schooler“ Tocotronic auf der zweiten CD haben wollte, fürderhin ohne die aufstrebende junge Band auskommen – die nämlich wechselte zu Buback Records. An der schlichten Musik und an den Texten rumzumäkeln, bringt bekanntlich wenig, da Geschmäcker nun einmal verschieden sind, aber dass das ganze Unternehmen Witz und Charme hat, dass die Jungs etwas zu sagen haben und dass sie die von Ödbären wie Deichkind, Wir sind Helden, Fettes Brot usw. geknechtete deutsche Musikszene mal kurzfristig ein bisschen durchgelüftet haben, das zeigt dieser Dokumentarfilm, der immerhin heuer die Reihe Perspektive deutsches Kino bei der Berlinale eröffnete, ganz vortrefflich.