Tournée

| Barbara Fuchs |

Fettpölsterchen werden in dieser schrillen Hommage an die Menschlichkeit und das Showbusiness von Schauspielstar Mathieu Amalric ästhetisch in Szene gesetzt.

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Die Geschichte von Mathieu Amalrics viertem Langfilm endet in einem verlassenen Hotel auf einer französischen Atlantikinsel und mit der Einsicht, dass auch überzeugte Einzelgänger hin und wieder vertraute Gesellschaft für ihren Seelenfrieden brauchen. Am Beginn von Tournée stand eine Erzählung der Schriftstellerin und Variétékünstlerin Colette, in der sie ihre Erfahrungen im Music-Hall-Milieu schildert. Auf der Suche nach einer Kunstform, mit der Colettes Gedanken in der Gegenwart ausgedrückt werden könnten, stieß Amalric auf amerikanische Tänzerinnen des New Burlesque, einer feministischen Weiterentwicklung des Striptease, bei der sie sich niemals ganz entblößen, sondern mit originellen, von ihnen selbst konzipierten Einlagen primär Frauen unterhalten wollen.

In Tournée setzt Amalric den energischen Damen mit teils sehr üppig geformten Körpern nun den ehemaligen Fernsehproduzenten Joachim Zand an die Seite. Nach erfolglosen Jahren in den USA kommt er mit den Mädchen im Gepäck nach Frankreich zurück, um mit ihrer Show durch ein Land, das er nicht mehr als seine Heimat bezeichnen kann, zu ziehen. Doch jeder, von seiner Familie über Ex-Geliebte bis zu ehemaligen Kollegen, verachtet ihn hier, und so müssen die Mädchen mit Bühnen außerhalb der Hauptstadt vorlieb nehmen. Mathieu Amalric, der mit Samtanzug und Schnurrbart versehen selbst in die Produzentenrolle geschlüpft ist, hat für den Film eine echte Tour mit amerikanischen Berufstänzerinnen zusammengestellt. Gefilmt wurde ein reales Publikum, das gegen Abgabe seiner Bildrechte freien Eintritt erhielt.

Dirty Martini hat zwar den originellsten Namen der Truppe, Mimi Le Meaux jedoch das charismatischste Lächeln und bekam als einzige der Tänzerinnen eine weiterführende, fiktionale Rolle. Obwohl sie keine Schauspielerin ist, überzeugt sie dank der in Cannes mit dem Regiepreis ausgezeichneten Führung Amalrics. Die pulsierenden Bilder des Showalltags verschaffen dem Film einen Dokumentarstil, der zwar spontan wirkt, jedoch von Mathieu Amalric bis ins Detail inszeniert worden ist. Dabei bleibt er immer nahe an den Darstellern und entführt den Zuschauer so auf eine bewegende Reise, bei der nicht zu viel nachgedacht, sondern die Darbietungen voller Kitsch und Trash einfach genossen werden und Tournée als eine Hommage an die Menschlichkeit, die Welt des Showbusiness und den unperfekten Körper verstanden werden soll.