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Männerherzen 2 – Eichinger’s Erben

Eichingers Erben

| Julia Kopetzky |

Das Spektrum des Produzenten-Duos Wiedemann & Berg reicht vom künstlerischen Welterfolg „Das Leben der Anderen“ bis zur Telenovela „Lena, Liebe meines Lebens“. Quirin Berg im Gespräch über Oscars, Männerherzen und das Dilemma deutscher Serien.

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Betritt man den nüchternen grauen Nachkriegsbau gegenüber der Münchner Akademie der Bildenden Künste, wähnt man sich eher im Stasi-Hauptquartier als in einem der erfolgreichsten Zentren deutschen Filmschaffens der vergangenen Jahre. Hier in der Akademiestraße befindet sich der wenig glamouröse Firmensitz des Produktionsbüros Wiedemann & Berg – und mit der Stasi fing irgendwie auch alles an: Die beiden Jungproduzenten Max Wiedemann und Quirin Berg, Freunde seit der fünften Klasse, lernten auf der Filmhochschule den überaus ambitionierten Regiestudenten Florian Henckel von Donnersmarck kennen. Nach einigen kleineren gemeinsamen Projekten beschlossen sie, seinen Erstling Das Leben der Anderen zu produzieren – der Rest ist Filmgeschichte. Seither landete das smarte Produzenten-Duo einen Erfolg nach dem anderen:

Mit ihren Komödien Männerherzen und Friendship! führten sie 2009 und 2010 die deutschen Kinocharts an, und mit Girl on a Bicycle kommt demnächst ihr erstes internationales Filmprojekt ins Kino. 2010 gründeten sie die Wiedemann & Berg Television GmbH, um in einem Joint Venture mit dem holländischen Fernsehgiganten Endemol auch den deutschen TV-Markt aufzumischen. Das erste gemeinsame Ergebnis war die ZDF-Telenovela „Lena, Liebe meines Lebens“, das Lizenzprodukt einer von Endemol produzierten brasilianischen Vorlage. „Lena“ erwies sich allerdings nicht als Straßenfeger und wurde kürzlich vom ZDF abgesetzt. „ray“ traf Quirin Berg zum ausführlichen Gespräch in München.


Sie haben gleich mit ihrem ersten Spielfilm Das Leben der Andere 2007 den Oscar gewonnen …
Ja, das war ein guter Start!

 

Hat dieser Erfolg bei weiteren Projekten geholfen?
Der Oscar hat international und national große Strahlkraft und öffnet sicherlich Türen. Aber selbst wenn sich die wichtigen Türen öffnen – man muss immer noch selber durchgehen. Gerade als Produzent muss man ja selbst die Impulse geben. Als Regisseur bekommt man nach einem Erfolg direkt unzählige konkrete Angebote, die mögen zwar nicht alle die Richtigen sein, aber es entsteht jedenfalls sofort eine große Dynamik. Für den Produzenten liefert ein Erfolg diese Dynamik kaum und vor allem nicht unmittelbar. Trotzdem verbessert sich natürlich die Ausgangssituation.

 

Wie war die Zusammenarbeit mit Florian Henckel von Donnersmarck?
Mit Florian haben wir gemeinsam auf der Filmhochschule studiert. Wir haben schnell gemerkt, dass unser Blick auf Film und aufs Filmemachen sehr ähnlich ist. Gemeinsam mit ihm und seinem Bruder sind wir dann für einen Kurzfilm losgezogen – Der Templer, eine sehr schräge, für das Format sehr aufwändige, sehr herausfordernde Geschichte. Und dann kam Florian zwei Jahre später mit dem Stoff zu Das Leben der Anderen zu uns. Aus heutiger Sicht klingt der Weg dieses Films irgendwie selbstverständlich, aber das war er nicht. Florian hatte damals zwei Kurzfilme hinter sich und einen sehr sperrigen Stoff dabei. Mein Firmenpartner und bester Freund Max Wiedemann und ich, wir rannten zwischen Filmvorlesungen und unserem ersten Fernsehfilm hin und her, unser Büro war grauenhaft laut und winzig, aber dafür fast gratis. Aus Filmhochschülerperspektive waren wir sicher schon sehr weit, aber trotzdem war unsere Erfahrung mit Kinofilmen überschaubar. Wir waren jedenfalls unglaublich motiviert, das hat man uns Dreien, glaube ich, stark angemerkt. Florian hatte einfach ein geniales Buch geschrieben, und wir hatten damals das Gefühl, dass es an der Zeit ist, dieses DDR-Thema auf eine ernsthafte Art und Weise anzugehen. Unsere Begeisterung wurde aber erstmal nur von sehr wenigen Partnern geteilt.

 

In Das Leben der Anderen spielt die absolute „A-List“ deutscher Schauspieler. War es schwierig, diese Schauspielerriege zu bekommen?
Schauspieler sind hungrig nach guten Stoffen. Die haben schon sehr genau gemerkt, was sie da auf dem Tisch haben. Aber vor allem muss man sagen: Florian ist extrem talentiert in vielen Bereichen, genial trifft es vermutlich besser. Und zu seinen großen Stärken gehört sicherlich seine Überzeugungskraft.

Die Filme, die Sie produziert haben, sind durchwegs sehr erfolgreich gelaufen. Wie wählen Sie Filmstoffe aus?
Ja, die letzten Jahre hatten wir einen guten Lauf. Bei allen erfolgreichen Stoffen hatten wir von Anfang an ein sehr gutes Bauchgefühl. Das lässt sich im Rückblick sehr klar festmachen – wenn wir das Gefühl wirklich hatten, dann lief es auch. So ein Bauchgefühl ist natürlich vielen Einflüssen und Stimmungen, je nach Projektphase, ausgesetzt. Aber unsere persönliche Begeisterung ist mal der Anfangspunkt. Was wollen wir sehen, was interessiert uns, woran glauben wir? Wenn wir uns an einer Idee einmal festgebissen haben, dann kann die Entwicklung für‘s Kino auch Jahre dauern, das muss man realistisch sehen.

Sie haben in jüngster Zeit viele Komödien gemacht. Gibt es da Vorbilder, an denen sie sich orientieren?
Ich finde, in den letzten paar Jahren gab es eine ganze Reihe großer Komödien, die durchaus diese Mischung hatten, die ich auch für Männerherzen in Anspruch nehmen würde – Charaktere, die man wirklich mag und die eine ganz große Glaubwürdigkeit haben, in denen man sich wiederfinden kann. Die Geschichte wird aus den Charakteren heraus erzählt und oft weit getrieben, aber eben ohne diese Glaubwürdigkeit zu verlieren. Da braucht man sich nur anzuschauen was zum Beispiel Judd Apatow macht. Das ist sicherlich schon ein gewisser Trend gewesen – Komödie nicht überhöht oder artifiziell zu erzählen, sondern realistischer. Letztlich ist für mich sogar Hangover so ein Film. Der hat eine Menge schräger Figuren und ein wahnsinnig smartes Grundkonzept. Aber man geht eben auch sehr weit mit den Figuren mit. Unabhängig davon haben wir aber auch ernstere Stoffe in Planung.

Was ist schwieriger zu machen, Komödie oder Drama?
Wirklich viele Menschen zu begeistern, ist mit einem Drama sicher schwieriger als mit einer Komödie. Aber wenn es nicht um die Zuschauerzahlen geht, sondern um die jeweilige Wirkung auf den Zuschauer, dann finde ich es viel schwerer, jemanden dauerhaft und mit Herz zum Lachen zu bringen, als ihn zu schocken oder Empathie zu erzeugen.

In welcher Phase steigen Sie üblicherweise als Produzent bei einem Projekt ein?
Das ist sehr unterschiedlich. Stoffentwicklung ist sicherlich der Kern gerade meiner Aufgabe. Das heißt, wir suchen nach den großen Themen, nach den Ideen, nach den Überschriften – und davon gibt es viele. Ideen werden uns auch nie ausgehen. Das Entscheidende und Schwierige ist, sie dann auch richtig zu entwickeln und umzusetzen, mit den richtigen kreativen Partnern. Im Fall von Männerherzen kam Simon Verhoeven, der Autor und Regisseur, mit zwei, drei Seiten zu mir, auf denen ein paar Charaktere beschrieben waren, im Prinzip noch ohne Plot, aber mit einer angerissenen Perspektive. Wir haben dann zwei Jahre intensiv am Drehbuch gearbeitet. Friendship! dagegen kam schon mit einem Drehbuch zu uns, das haben wir dann aber gemeinsam noch sehr intensiv überarbeitet.

Wenn sie die freie Wahl hätten, mit Ihrem Wunschregisseur zu arbeiten, wer wäre das?
Wenn Sie mich jetzt nach den ganz großen Namen fragen, dann sind das jetzt weniger die Godards dieser Welt als die Camerons oder Nolans, wobei der Plural da schon ein Fehler ist: Die gibt es einfach nur einmal. Ich hab schon ein klares Bekenntnis zu Filmen, die fürs große Publikum gemacht werden. Aber ich muss dafür auch nicht nach Amerika schauen, ich bin sehr glücklich über die Zusammenarbeit mit unseren Regisseuren.

Gab es Drehbücher, die Sie abgelehnt und bei denen Sie das später bereut haben?
Eigentlich nicht. Meistens entstehen die Sachen, die dann wirklich gemacht werden, schon relativ früh gemeinsam mit dem jeweiligen Kreativen. Es ist selten, dass ausgereifte, perfekte Stoffe irgendwo auftauchen. Jeder Produzent würde sich freuen, wenn er ein perfektes Buch auf den Tisch bekäme. Aber um so ein Buch entwickeln zu können, muss ein Kreativer in Deutschland, in Österreich sicher auch, in Vorleistung gehen, diese Entwicklung muss auch irgendwie finanziert werden. Das heißt, es ist schon aus der Marktsituation heraus nötig, dass der Produzent sich engagiert und auf bestimmte Projekte setzt. Das ist anders als in Amerika, wo sehr viel mehr „on spec“ geschrieben wird. Außerdem will ich als Produzent natürlich möglichst früh involviert sein, um alle Bereiche in meinem Interesse steuern zu können. Je später man einsteigt, desto überschaubarer sind die Verhandlungs- und Gestaltungsoptionen.

Was ist das Faszinierende am Produzieren? Warum entscheidet man sich für diesen Weg? Den Ruhm tragen ja dann doch zumeist die Regisseure und Schauspieler davon.
Das Rampenlicht war jetzt auch nicht so unser Stichwort. Was mich persönlich fasziniert, ist die Vielfalt der Aufgaben. Ich habe mit Juristen zu tun, mit Bankern, mit Investoren – und auf der anderen Seite mit kreativen, manchmal sehr, sehr speziellen Charakteren. Mit Schauspielern, mit Autoren, Regisseuren, die gepflegt werden wollen, die motiviert werden müssen, die ihren Klischees manchmal alle Ehre machen, die verrückt sind, die großartig sind.

Wiedemann & Berg ist 2010 auch ins Fernsehbusiness eingestiegen. Warum?
Es war immer unsere Entscheidung: Wir wollen nicht nur Kino machen, wir machen auch Fernsehen. Kino ist ein sehr großes Risikogeschäft, man setzt sehr viel auf sehr wenige Karten. Es ist ein Geschäft, das nur bedingt verlässlich ist und das über sehr lange Zeiträume greift. Da ist es natürlich hilfreich, wenn man parallel Fernsehen macht, dort sind die Zeiträume kürzer, und eine andere Kontinuität ist möglich. Der noch wichtigere Aspekt ist aber der kreative, weil es wirklich eine ganze Reihe von Dingen gibt, die im Fernsehen viel mehr Sinn ergeben als im Kino. Für mich geht es da auch nicht um „besser“ oder „schlechter“ im Vergleich zum Kino. Es gibt einfach Geschichten, die kann man wunderbar im Fernsehen erzählen, und die gehören da auch hin.

Was auf dem deutschen Markt fehlt – mit wenigen Ausnahmen –  sind hochwertige Serienproduktionen. Wird das
Potenzial bei uns zu wenig ausgeschöpft?
Ich glaube absolut, dass wir grundsätzlich dazu in der Lage sind, das Potenzial des Fernsehens auszuschöpfen, vom kreativen Standpunkt aus. Aber auch Serien wie „Mad Men“, „Entourage“ oder „Breaking Bad“ – geniale Serien mit Kultcharakter –, die bei uns in der Branche gern als Vorbilder zitiert werden, sind in den USA Nische. Wenn „Lost“ in Amerika mal fünf Millionen Zuschauer hat, dann ist das in Ordnung. Wenn Sie das aber herunterrechnen – wir haben in Deutschland ein Viertel der US-Bevölkerung –, wenn bei uns die Serie dann „nur“ 1,25 Millionen Zuschauer hat, dann entspricht das diesem Verhältnis. Mit dem einzigen Unterschied, dass mir die 1,25 Millionen eben nicht reichen, um etwas zu finanzieren, das auf diesem Level gemacht wird. Dazu kommt die Sprachkomponente: Wenn ich in den USA eine Serie produziere, habe ich im eigenen Land fünf Millionen Zuschauer und ich kann weltweit verkaufen – also werden auch diese Budgets möglich.

Stichwort Geld. In Deutschland und Österreich gibt es viel weniger Filmförderung als zum Beispiel in Frankreich. Ginge es eigentlich auch ohne?
Nein, auf gar keinen Fall. Wir brauchen die Filmförderung und sind dankbar, dass es sie gibt, und natürlich sollte man sie ausweiten. Der wichtigere Aspekt für mich ist – fließt die Förderung in die richtigen Projekte? Es gibt ein klares Verhältnis von Filmen, die Förderung bekommen, aber eben nicht wirklich Publikum finden, und es gibt ein paar wenige Filme, die das große Volumen an der Kinokasse ausmachen. Die Balance muss stimmen. Filmförderung muss den Nachwuchs fördern, das ist eine zentrale Aufgabe. Dann sollen natürlich Filme unterstützt werden, die Kunst sind, die nicht auf den Markt schauen, die gegen den Strom schwimmen, die etwas ausprobieren, die schwere, aber relevante Themen angehen. Aber meiner Wahrnehmung nach sollte die Balance ein kleines bisschen mehr in Richtung der Projekte gehen, die wirklich auch die Chance haben, ein größeres Publikum zu finden. Das kommt letztlich der ganzen Branche zugute und damit auch wieder dem Arthouse-Segment. Das ist das eine. Das andere ist, dass die Filmförderung gerade in Deutschland ja sehr erfolgreich auch große internationale Produktionen anzieht. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder verglichen, wo ließe sich ein Film am günstigsten machen. Wir haben in Litauen gedreht, wir haben uns Ungarn und Rumänien und Prag angeschaut, wir haben gerade in Frankreich gedreht, wir haben einen Kinofilm in Amerika gedreht. Ich kann wirklich sagen, es ist extrem attraktiv, in Deutschland zu drehen. Nicht nur weil das Know-How da ist, auch das Preisniveau und die Fördermöglichkeiten sind im internationalen Vergleich sehr gut.

Männerherzen … und die ganz ganz große Liebe
läuft im September im Kino an. Nennen Sie uns einen guten Grund, den Film anzuschauen!
Wir haben die besten Testscreening-Ergebnisse, die Warner Bros. in Deutschland jemals hatte. Der Film ist wirklich sehr humorvoll, emotional und temporeich, aber vor allem hat er Herz. Der Cast ist großartig, von Til Schweiger über Florian David Fitz bis Christian Ulmen. Allein für den Soundtrack lohnt sich das Kinoticket. Auch alle, die den ersten Film nicht gesehen haben, kommen voll auf ihre Kosten. Das wird für jeden ein sensationeller Kinoabend!