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Arrietty

Arrietty

Arrietty / Karigurashi No Arrietty

| Andreas Ungerböck |

Bezaubernde Studio-Ghibli-Adaption eines Kinderbuchklassikers

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Nichts gegen die mit liebevoller Sorgfalt gestalteten Pixar-Filme, nichts gegen die eher handfeste Animation made by DreamWorks, das mit Kung Fu Panda und Madagascar echte Knüller landete, nichts gegen Blue Sky und seine Box-Office-Hits aus der Ice-Age-Reihe, aber wenn sich im fernen Japan das Studio Ghibli anschickt, einen Kinder- bzw. Familienfilm zu drehen, dann hat Hollywood Pause. Studio Ghibli, das steht in erster Linie für die Qualitätsarbeit des Großmeisters der japanischen Animation, Miyazaki Hayao, der mit Filmen wie Mein Nachbar Totoro, Das wandelnde Schloss, Prinzessin Mononoke oder Chihiros Reise ins Zauberland längst auch den Westen erobert hat.

Von Miyazaki stammt diesmal „nur“ das Drehbuch, die Regie hat er – gängige Praxis für verdiente Ghibli-Kräfte – seinem langjährigen Kollaborateur Yonebayashi Hiromasa überlassen, der seit Prinzessin Mononoke bei und mit Miyazaki arbeitet und so mit 38 Jahren zu seinem Regiedebüt kommt.Bemerkenswert ist die Vorlage: Es handelt sich dabei um die klassische und enorm populäre Kinderbuchreihe rund um die „Borger“, die die britische Autorin Mary Norton von 1952 bis 1982 schuf. 1997 wurde „Ein Fall für die Borger“ von Peter Hewitt – trotz prominenter Besetzung mit John Goodman und Jim Broadbent – eher mittelprächtig verfilmt.

Borger sind winzige, menschenähnliche Wesen, die um, unter und vielleicht sogar in unseren Häusern wohnen und sich, um am Leben zu bleiben, Dinge von uns borgen, aber in so marginalen Mengen, dass es uns gar nicht auffällt. Sie trachten danach, unbeobachtet zu bleiben, und jede Expedition ins Menschenreich, um z.B. ein Stück Würfelzucker oder ein Taschentuch zu „borgen“, ist für sie ein höchst riskantes Unterfangen, ebenso wie das Aufeinandertreffen mit Katzen, Ratten und anderem Getier. Im konkreten Fall sind die Borger eine Familie, Vater, Mutter und Tochter, die 14-jährige Arrietty. Als das Mädchen vom Menschen-Jungen Sho entdeckt wird, droht ernste Gefahr, aber es wäre kein Ghibli-Film, würde daraus nicht ein zauberhaftes, unglaublich detailreiches Märchen mit Witz und Wärme.

Die Gefühlsheftigkeit, mit der hier gearbeitet wird, mag – im Vergleich zu den eher „coolen“ Hollywood-Familienfilmen mit ihren forschen Verhaltensweisen und ihrem schnoddrigen Umgangston – zunächst ein bisschen verstörend wirken (und die französische Harfenistin Cécile Corbel trägt mit ihrer Filmmusik schon ziemlich dick auf), sie passt aber gerade für diese Geschichte ganz besonders gut. Es fällt nicht schwer, zu sehen, dass mit den in ihrer Existenz bedrohten „Borgern“ auch andere Außenseiter der Gesellschaft gemeint sein können. Für Kinder und alle, die es noch werden wollen.