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Habemus Papam

Habemus Papam

| Harald Mühlbeyer |

Ein frisch gekürter Papst flieht. Die Kardinäle unter der Petersdomkuppel: ratlos.

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Annuntio vobis gaudium magnum: Habemus papam!“, ruft der Kardinal auf dem Balkon den Gläubigen auf dem Petersplatz zu. Dann hört man einen verzweifelten Schrei, der gewählte Papst stürmt aufgebracht durch die labyrinthischen Gänge des Vatikan davon, peinlich berührt zieht sich der Kardinal vom Balkon zurück: Kardinal Melville, fast einstimmig – mit nur der eigenen als Gegenstimme – zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt, hadert mit sich selbst, mit Gott und der Welt, und ist nicht bereit, das Amt anzunehmen. Hunderte Kardinäle bleiben im Konklave eingesperrt, da die Papstwahl nicht zum Abschluss gekommen ist, ein Psychoanalytiker, der die Zweifel des Papstes hätte zerstreuen sollen, ist dort ebenfalls gefangen, während der gewählte Heilige Vater unerkannt durch Rom streift und ins Theatermilieu eintaucht: neben der Religion seine zweite große Leidenschaft.

Der deutsche Verleih-Untertitel „Ein Papst büxt aus“ suggeriert klamaukigen Spaß, mit vielleicht auch kirchenkritischen oder gar antiklerikalen Untertönen – eine Versuchung, der Nanni Moretti widersteht. Habemus Papam zieht zwar seinen Witz aus der immer absurder werdenden Handlung, in den witzigen Situationen konzentriert sich Moretti aber nicht aufs Komische, zeigt vielmehr die Selbstzweifel des Noch-nicht-ganz-Papstes ganz ernsthaft, wie er auch die Kardinäle, gefangen im Konklave, ganz ernsthaft zwischen hoffendem Gottvertrauen, irritierter Bestürzung und Vertreibung der Langeweile zeigt. Zwischendrin der von Moretti selbst gespielte Psychoanalytiker, eitel, von sich selbst überzeugt und ungläubig: Er nimmt das Ernste als Spiel, das Spiel aber ernst – und organisiert im Vatikan ein Volleyballturnier der alten Männer aus allen Erdteilen, die zum Nichtstun verdammt sind. Während in den Privatgemächern des Papstes ein Schweizer Gardist an den Vorhängen rüttelt, um die Abwesenheit des Gewählten zu vertuschen.

Abgegrenzte, um sich selbst kreisende Milieus lässt Moretti aufeinanderstoßen: Die Kardinäle, die betend und bangend von der Welt abgeschieden sind, der Psychoanalytiker, der seine Probleme mit Frau und Kindern wälzt, das Theater, wo bis zum Durchdrehen die immergleichen Geschichten und Anekdoten erzählt werden. Wenn der Papst unter Schauspielern, der atheistische Psychologe unter gottesfürchtigen Kirchen-oberen auftaucht, entsteht mehr als ein bloßer Culture Clash. Im Beinahe- und Pseudogöttlichen – im Star, im Seelendoktor, im Stellvertreter Christi – wird das Menschliche offenbart.