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Mein liebster Alptraum

Filmkritik

Mein liebster Alptraum

| Andreas Ungerböck |

Schauspieler/innenkino der französischen Art: Isabelle Huppert und Benoît Poelvoorde glänzen.

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Man muss schon ein bisschen guten Willen mitbringen, um diese Kino-Geschichte zu „glauben“: Die superkühle und mega-elegante Galeristin Agathe, die ihre Angestellten herumscheucht und schikaniert, und im Privatleben mit dem (allzu) sanften Verleger François zusammenlebt, gerät an den prolligen Macho Patrick und lernt das Leben noch einmal von einer anderen Seite kennen. Da ist gar kein Spoiler drinnen, denn das ist von Anfang an klar, von der Szene an, als sich die beiden bei einem Elternabend (Agathes Sohn Adrien und Patricks Sohn Tony sind beste Kumpel) auf eher ungemütliche Art begegnen. Die Straße zum Happy End ist natürlich die folgenden 103 Minuten lang nicht frei von Hindernissen, und im Zuge der Handlung erkennen wir an beiden, dass sie, so will es die Komödie nun einmal, gar nicht (nur) so sind, wie sie zunächst erscheinen.

Was die Sache mit der Glaubwürdigkeit erleichtert, sind die Darsteller. Über Isabelle Huppert muss man sowieso kaum noch ein Wort verlieren: unnachahmlich, wie die mittlerweile 58-Jährige auch in dieser, sagen wir einmal, eher schlichten Rolle Großes leistet und dieser Klischeefigur ein unglaublich facettenreiches Leben einhaucht – von der strengen Frustbeule zur liebenswerten, „reformierten“ Frau mit Seele, aber ohne jede Unterwürfigkeit. Auch Benoît Poelvoorde, ohne den in Frankreich sowieso kaum noch eine Komödie gedreht wird (zuletzt war er in Die anonymen Romantiker und Nichts zu verzollen zu sehen), zeigt sich in großer Form. (Wer erinnert sich noch daran, dass er 1992 als Ko-Regisseur, Autor und Darsteller in der mehr als pechschwarzen belgischen Mediensatire Mann beißt Hund für massive Verstörung sorgte?) Er ist wieder einmal der brachiale Prolo mit Herz, das irgendwo unter vielen Enttäuschungen, Fehlern der Vergangenheit und seiner gewöhnungsbedürftigen Macho-Attitüde (die
natürlich nur Schutzschild ist) verborgen ist.

Auch die Nebenfiguren sind prima besetzt, André Dussollier, in die Jahre gekommener Parade-Lover des französischen Films, sieht sich als François mit einer energischen jungen Esoterikerin (Virginie Éfira) konfrontiert, die ihn von seinen Verkrustungen befreiet. Dazu kommt das von Kameramann Jean-Marc Fabre eingefangene Lokalkolorit (die schnieke Schnösel-Galerie und die teure, leblose Wohnung Agathes, die Absteige, in der Patrick zunächst wohnt, und die grindige Autowaschstation seines „Bruders“ in Belgien), und so verläuft der Culture Clash zwar nicht in berauschend originellen Bahnen, macht aber doch Spaß.