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Dame, König, As, Spion

Eine Reise in die eigene Vergangenheit

| Thomas Abeltshauser |

Gary Oldman über die Zusammenarbeit mit Regisseur Tomas Alfredson, die Besonderheiten an der Figur des George Smiley und seine Rollen in großen Blockbustern.

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Sie haben in Dame, König, As, Spion (Tinker Tailor Soldier Spy) die wahrscheinlich schwierigste Rolle, weil Ihre Figur, der britische Topagent George Smiley auf der Suche nach einem Maulwurf in den eigenen Reihen, eher zuhört und observiert, als aktiv zu handeln. Sie sind sonst eher für sehr körperdominierte Rollen bekannt. Ist Ihnen diese Passivität schwergefallen?
Gary Oldman:
Nun, man hofft schon, dass man auf eine Art etwas mitteilt, kommuniziert. George Smiley tut ja trotzdem etwas, auch wenn er scheinbar nur dasitzt und zuhört. Selbst in dieser Passivität passiert ja etwas. Und ich fand es sehr spannend, als man mich fragte, ob ich in dem Film vor allem sitzen und zuhören möchte. Ich habe so viele physische Rollen gespielt, Charaktere, die ihre Gefühle und alles durch ihren Körper ausdrücken, die auch sehr verbal, oft sogar extrem laut sind. Es war daher ganz entspannend und zugleich spannend, einen sehr ruhigen Charakter darzustellen.

Kannten Sie Tomas Alfredsons Film So finster die Nacht
vorher?
Gary Oldman: Ja, und ich fand ihn phantastisch. Ich mochte Tomas von Anfang an, er hat einen tollen, sehr trockenen Humor, der mir gefällt. Und er hatte eine sehr klare Vision, ein sehr genaues Auge und er lässt sich durch nichts davon abbringen. Es war eine ziemlich geniale Idee, ihn mit Tinker Tailor Soldier Spy zu beauftragen. Ein britischer Regisseur hätte aus dem Stoff womöglich etwas viel zu Sentimentales und Nostalgisches gemacht. Das war auch das Problem der ursprünglichen TV-Serie, das war für meinen Geschmack alles zu gemütlich Britisch. All das interessiert Tomas nicht. Ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis.

Sind Sie ein Method Actor?
Gary Oldman: Man macht Dinge, wenn ich mal so dreist sein darf, eher instinktiv, zumindest tue ich das. Ich habe für die Vorbereitung meiner Rolle nie das Drehbuch verlassen. Ich hatte das Glück, John Le Carré zu treffen und mit ihm sprechen zu können. Er hat ja nicht nur die Romanvorlage geschrieben, sondern auch die Figur erfunden. Und er war selbst Spion, zu der Zeit, in der der Film angesiedelt ist. Alles, was ich wissen musste, habe ich durch ihn erfahren. Wenn ich jemanden gesprochen hätte, der heute als Spion arbeitet, beim MI6 etwa, wäre das wahrscheinlich nicht sonderlich hilfreich gewesen, weil sich die Methoden und die Technologie so radikal verändert haben. Wenn ich eine Frage hatte, konnte ich direkt die Quelle fragen, das war ungeheuer wertvoll.

Wie war es, in diese Zeit einzutauchen?
Gary Oldman: Es war sehr merkwürdig. Die meisten Kostümfilme spielen entweder in der Zukunft oder in einer Fantasiewelt oder in einer lange zurückliegenden Zeit. Aber eine Geschichte über eine Ära zu drehen, die man selbst erlebt und an die man sich erinnern kann, war sehr eigenartig. Man fühlt sich plötzlich so alt. Es passierte mir mehrmals, dass ich am Set war und dachte: Ach, diese Lampen hingen doch auch in meiner Schule; oder: So einen Aschenbecher hatte meine Mutter auch. Das war wie eine Reise in die eigene Vergangenheit.

Einer Ihrer Filmpartner ist Tom Hardy, mit dem Sie gerade auch für den neuen Batman The Dark Knight Rises und einen weiteren Film, The Wettest Country, vor der Kamera standen.
Gary Oldman: Ja, und dieses Jahr heiraten wir!

Sie scheinen eine sehr ähnliche, körperbetonte Heran
gehensweise an Rollen zu haben. Erkennen Sie ein wenig von sich selbst in ihm?
Gary Oldman: Nun … Er sagt, er sei ein Fan von mir. Er ist wahnsinnig charismatisch und talentiert. Und er sieht auch noch verdammt gut aus. Ein ganz schöner Cocktail. Das ist nicht jedem gegeben. Ich würde ihn eher mit dem jungen Marlon Brando oder Paul Newman vergleichen als mit mir. Und auch seine Herangehensweise ist eine andere als meine. Aber andererseits denke ich auch, dass für einige der Rollen, die er bisher gespielt hat, eine zwanzig Jahre jüngere Version von mir auch in Frage gekommen wäre.

Sie selbst haben die letzten zehn Jahre vor allem mit Nebenrollen in großen Blockbusterreihen wie den Harry Potter– und den Batman-Filmen verbracht…
Gary Oldman: Und das Tolle daran, jetzt wieder eine Hauptrolle in einem Film wie diesem zu spielen, ist die Möglichkeit, mit Tom und den anderen arbeiten zu können. Mit Colin Firth, John Hurt, Mark Strong, all diesen großartigen Charakterdarstellern.

Woran lag es, dass Sie so lange in keiner Hauptrolle zu
sehen waren?
Gary Oldman: Wenn man sich für etwas wie Harry Potter verpflichtet, ist man daran gebunden und muss sich nach deren Produktionsplan richten, da bleibt keine Zeit für viel anderes. Für Batman bin ich von April bis November geblockt, da kann ich keinen anderen Film nebenbei drehen. Vor allem dürfte ich mir nicht für eine andere Rolle die Haare schneiden, den Bart rasieren oder etwas Gesichtsfarbe bekommen. Bei einem Film wie Tinker Tailor Soldier Spy ist man zwölf Wochen als George Smiley vor der Kamera, ohne Unterbrechung und Ablenkung. Bei Batman sind es mal hier vier Tage, da drei Tage. Und zwischendurch fliege ich um die Welt, um Interviews für Tinker Tailor Soldier Spy zu geben. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich beschwere mich nicht, es ist großartig, mit Chris Nolan zu arbeiten, und ich genieße es auch sehr, auf Filmfestivals zu sein, aber zwischendurch ist es ein wenig verwirrend, und ich brauche eine Weile, um wieder reinzukommen. Aber das Leben könnte schlimmer sein.

Nach dem Ende von Harry Potter werden Sie jetzt wieder mehr Zeit haben.
Gary Oldman: Wenn mich die Leute noch sehen wollen … Ich will auch wieder selbst Regie führen. Mein Debüt Nil by Mouth ist auch schon wieder 15 Jahre her. Ich habe ein paar Projekte in Entwicklung, mal sehen, was sich davon realisieren lässt. Aber um noch einmal auf die fehlenden Hauptrollen zu kommen. Ich habe seit Nil by Mouth zwei Jungs großgezogen und mich auch bewusst dafür entschieden, ein Vater zu sein, der nicht dauernd weg ist. Und ich wollte sie nicht immer mitschleppen. Kinder brauchen Kontinuität, Freunde, ein soziales Umfeld. Mittlerweile sind sie in einem Alter, in dem es okay ist, wenn ich mal drei Monate arbeiten gehe.