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Wer weiss wohin?

Wer weiss, wohin?

Wer weiß, wohin?

| Brigitte Auer |

Nadine Labaki sucht mit märchenhaftem Blick nach Lösungen für den Konflikt zwischen Moslems und Christen.

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Am 7. Mai 2008 erfährt die Regisseurin Nadine Labaki, dass sie schwanger ist. Am selben Tag verwandelt sich Beirut wieder in einen Kriegsschauplatz. „Wenn ich einen Sohn hätte, was würde ich dann unternehmen, um zu verhindern, dass er sich ein Gewehr schnappt und runter auf die Straße geht?“ Aus diesem Gedanken entwickelte Labaki die Idee zu Wer weiß, wohin?, ihrem zweiten Spielfilm.

In einem namenlosen, isolierten Dorf im Nahen Osten leben nach einem namenlosen Krieg Moslems und Christen scheinbar friedlich zusammen. Die Moschee steht neben der Kirche, die Friedhöfe grenzen aneinander. Die Menschen besuchen das gleiche Café, teilen ihren Alltag, die Gefahr beim Durchqueren der verminten Landstriche und die Trauer um die toten Väter und Söhne. Und gibt es ein Fest, wie zu Ehren eines neuen Fernsehapparats im Dorf, teilt man auch den Ziegenbraten (die rechte Seite ist halal). Doch eben jener Fernseher bringt die fragile Harmonie mit der Nachricht von erneuten Kämpfen zwischen den Lagern ins Wanken. Um die Eskalationsspirale nach einer Reihe von Zwischenfällen zu stoppen, beschließen die Frauen des Dorfes, einzugreifen – auch wenn sie nur mehr ein Wunder retten kann. Demgemäß gibt es Eingebungen bei den Damen und Tränen aus Blut bei der Jungfrau Maria, und hilft selbst die Heilige nicht, müssen leichtere Mädchen her. Aber als auch die „zufällig“ gestrandete Truppe ukrainischer Stripperinnen die männlichen Hitzköpfe nicht mehr ablenken kann, muss gebacken werden – mit allem was das Medizin- und Drogenschränkchen hergibt.

Die nach Labakis großem Erfolg mit Caramel (2007) naturgemäß hohen Erwartungen erfüllt der Film nur streckenweise. Die Charaktere sind nicht sonderlich tiefgründig, viele Späße weder treffend noch notwendig und es scheint, als bestünden Männer ausschließlich aus Augen (für weibliche Reize) und Händen (um sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen). Auch die These, dass alles eitel Wonne im Dorf wäre, gäbe es nur die unheilverkündenden Medien nicht, ist, nun ja, einfach. Doch der Grundgedanke von Wer weiß, wohin? – und selbst das unvorhersehbare, grandios unmögliche Ende –  sind höchst spannend; die Bilder und Momente immer wieder stark und poetisch, wie die beeindruckende und bedrückende Anfangssequenz. Es ist wohl lohnenswert, der Absurdität eines Konflikts von Nachbarn, den keine Experten, keine Verhandlungen zu lösen imstande sind, mit der Wahrhaftigkeit eines naivmärchenhaften Blicks zu begegnen: mit Musik, Tanz und unmöglichen Lösungsansätzen.