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Titanic

Titanic

Drama hoch Drei

| Pamela Jahn |

Ein Gespräch mit dem Erfolgsproduzenten Jon Landau über die 3D-Version von James Camerons Gefühlsklassiker „Titanic“.

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Bei der jetzt in den Kinos startenden 3D-Variante von Titanic handelt es sich um eine szenengetreue Umsetzung des Originals von 1997. War die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und James Cameron bei der Konvertierung ähnlich intensiv wie damals bei den Dreharbeiten zum Film?
Ja, auf jeden Fall, vielleicht sogar noch ein Stück intensiver, denn jetzt wo alles digital ist, hatten wir die Möglichkeit, jeden einzelnen Frame zu bearbeiten. Das heißt, wir haben 194 Minuten Filmmaterial bei einer Bildfrequenz von 24 Bildern pro Sekunde konvertiert. Das sagt sich jetzt so leicht, aber es war eine Höllenarbeit. Wir haben uns tatsächlich Frame für Frame angeschaut und jeweils die nötige 3D-Stereo-Tiefe berechnet. Und in diesen Prozess waren unsere Digitalspezialisten genauso involviert wie James selbst. Ganz ähnlich wie bei Avatar haben wir so lange an einem Frame herumgebastelt, bis alle mit dem Ergebnis zufrieden waren.

James Cameron ist vor allem in Produzenten-Kreisen als kompromissloser Perfektionist bekannt und gefürchtet. Können Sie das bestätigen?
James sagt von sich selbst, er sei kein Perfektionist, er mache die Dinge einfach so lange, bis sie richtig sind. Aber richtig oder falsch entscheidet sich für ihn nicht zwangsläufig am kleinsten Detail. Für ihn ist das Allerwichtigste, dem Zuschauer ein optimales Kinoerlebnis zu bieten. Nur darauf kommt es an, und dabei unterstütze ich ihn voll und ganz.

Titanic war der erste Film, den sie gemeinsam produzierten. Mit 200 Millionen Dollar Produktionskosten war es damals der teuerste Film aller Zeiten. Was hat Sie seinerzeit überzeugt, ein solch enormes Projekt auf die Beine zu stellen?
Als ich das Drehbuch zum ersten Mal las, hatte ich keine Ahnung davon, dass ich das Projekt tatsächlich übernehmen würde. Aber abgesehen davon, dass mich die Geschichte schon nach wenigen Seiten emotional total gepackt hatte, dachte ich mir, das ist so ein Stoff, aus dem die ganz großen Hollywood-Epen entstehen, und wer weiß, ob es nicht vielleicht das letzte Mal ist, dass einem so eine Geschichte in die Hände fällt. Wir waren ja zu dem Zeitpunkt noch meilenweit entfernt von dem, was heute mit digitaler Technologie machbar ist, wo quasi ganze Filmsets am Computer entstehen. Das Set, das damals für Titanic gebaut wurde, war insgesamt fast 250 Meter lang. Zudem hatten wir täglich Tausende Statisten im Einsatz. Ein Projekt dieser Größenordnung, samt der Probleme, die dabei permanent entstehen, und dem Engagement, das hier von jedem Einzelnen gefordert ist, hat so manches Opfer gefordert. Andererseits ist der enorme Erfolg des Films auch mehr als Beweis dafür, dass es sich gelohnt hat. Und ich denke, Sie werden mir zustimmen, dass es auf jeden Fall ein Film ist, den man unbedingt auf der großen Leinwand sehen sollte.

Absolut. Inwiefern verändert sich Ihrer Meinung nach bei der 3D-Version das Erlebnis für den Zuschauer?
Wenn man einen Film vorführt, erwartet man vom Publikum, dass es für die Dauer des Filmerlebnisses bestimmte kritische Wahrnehmungen und Bewusstseinsformen aufgibt, oder anders gesagt: dass es zunächst einmal alle Zweifel über Bord wirft. Und wenn man den Film in 3D vorführt, nimmt man eine ganz wichtige Hürde in dem Prozess. Bei 2D-Projektionen stellte die Leinwand stets eine Barriere zwischen dem Zuschauer und dem Film dar. Wenn es aber gelingt, diese Barriere zu durchbrechen, was bei 3D der Fall ist, dann glaubt der Zuschauer, er schaue wie durch ein Fenster in die Welt, die sich vor seinen Augen aufbaut. Das heißt, die Einbindung des Zuschauers in den Prozess des Geschichtenerzählens ist viel stärker als beim normalen Film in 2D. Und wenn das 3D gut gemacht ist, dann hat man tatsächlich das Gefühl, man schaut durch ein Fenster in die Welt, und nicht anders herum, dass einem die Welt aus dem Fenster heraus entgegenspringt. Und man muss dabei sehr vorsichtig vorgehen: Wenn Sie zum Beispiel einen Gag einbauen, bei dem der Zuschauer aufschreckt und denkt, wie toll das war, dann haben Sie in dem Moment trotzdem diesen sozusagen naiven Bewusstseinszustand beim Zuschauer unterbrochen, den Sie zuvor mühevoll aufgebaut haben. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass bei 3D alles noch ein Level intensiver erlebt wird als bei 2D. Und ich denke, wie bei allem gibt es auch bei 3D Dinge, die, wenn sie funktionieren, eben einfach viel besser sind, und es gibt andere, die funktionieren schlechter. Was ich damit sagen will ist, dass es bei 3D vor allem darauf ankommt, dass man dem Publikum stets Spitzenqualität präsentiert, sonst geht’s nach hinten los.

Was für einen Zeitrahmen hatten Sie sich bei der Konvertierung gesetzt?
Ich frage mich immer, wie das funktioniert, dass bei Filmen, die in 2D gedreht wurden, die konvertierte Fassung gleichzeitig zum Filmstart des Originals in die Kinos kommt. Da bleiben vielleicht höchstens sechs Wochen am Ende eines ohnehin immer sehr hektischen Produktionsplans, und die Regisseure sind bei der Konvertierung noch nicht einmal dabei, weil sie ja noch den eigentlichen Film fertigstellen. Im Gegensatz dazu haben wir allein für die Konvertierung 60 Wochen gebraucht. Und das beinhaltet nicht die anderthalb Jahre Testphase, die wir damit verbracht haben, das technische Equipment zusammenzustellen und die Firmen zu finden, mit denen wir zusammenarbeiten wollten. Das braucht alles seine Zeit und ist im Prinzip nicht viel anders, als wenn man einen Film dreht. 3D-Konvertierung ist kein rein technischer Prozess, es ist ein kreativer Prozess, der mit technischen Mitteln umgesetzt wird. Und man braucht dazu zwei Dinge: den Regisseur, der bei der Umwandlung des Films in 3D dabei ist, und genügend Zeit, die Sache richtig zu machen.

Gibt es etwas, dass Sie nach Avatar bei der Konvertierung von Titanic noch gelernt haben?
Ich würde die Frage andersherum beantworten: Ich denke, wir haben von Avatar gelernt und konnten vieles davon nun bei Titanic anwenden. Denn Avatar hat uns gelehrt, was 3D tatsächlich bedeutet (3-D ist Back Again!), an welchen Stellen es wichtig ist und wo nicht. Zum Beispiel ist 3D bei Actionszenen nicht wirklich interessant, weil man dabei sowieso schnell schneidet und da kaum Zeit bleibt, sich auf das 3D zu konzentrieren. 3D ist viel wichtiger in ruhigen Szenen, in denen wenig passiert, denn da merkt man erst den großen Unterschied. Das sind übrigens auch die Szenen, die bei der Konvertierung am meisten Zeit in Anspruch nehmen. In Titanic gibt es beispielsweise eine Dinner-Szene, nachdem Jack von Roses Familie in die Erste Klasse zum Essen eingeladen wurde. Das war eine der schwierigsten Szenen überhaupt, weil darin so unheimlich viele Details stecken. Etwa wenn die Kamera über die Essenstafel schwenkt, dann stehen da plötzlich ein Dutzend verschiedene Gläser auf dem Tisch, und jedes Glas muss bei der Konvertierung in ein ganz bestimmtes dreidimensionales Raumverhältnis gebracht werden, das mit dem der anderen Objekte harmoniert. Es geht also weniger um Ebenen als um Tiefenmessung. Mit anderen Worten: Sie müssen sich überlegen, wieviel Tiefe sie diesem Glas geben, das vor oder hinter einem anderen Glas erscheint, und dieser Prozess ist extrem zeitaufwändig. Viel komplizierter als man denkt sind auch Close-ups, denn egal wie groß angelegt der Film, es geht im Kino immer in erster Linie um Close-ups. Wenn Sie allerdings versuchen, ein Gesicht in 3D umzuwandeln, stehen Sie vor dem Problem, dass, wenn sie zu viel Tiefe geben, das Gesicht aufgeblasen wirkt, oder wenn sie zu wenig Tiefe geben, die Nase flachgedrückt erscheint. Man braucht bei der Konvertierung deshalb Leute mit einem außerordentlichen Blick fürs Detail – das ist im Grunde das Gleiche, als würde man mit einer Special-Effects-Team arbeiten.

Was macht für Sie bei aller Mühsal den großen Reiz an der Arbeit aus?
Für mich geht es bei 3D in erster Linie immer ums Drama. Wir versuchen dem Zuschauer eine möglichst intensive Kinoerfahrung zu ermöglichen, und 3D ist dafür optimal. Wenn Sie mich zum Beispiel fragen würden, was meine Lieblingsszene in Avatar ist, dann ist das die, in der Neytiri Jake aus Hometree verbannt, wenn sie sagt: „Du wirst niemals zu unserem Volk gehören!“ Das ist ohnehin eine höchst dramatische Szene, aber durch die Dreidimensionalität wird man geradezu nach Hometree verfrachtet. In dem Moment gehört man zu den Na’vi. Eine grundsätzlich passive Erfahrung wird auf einmal zu einer voyeuristischen. Es gibt eine ähnlich interessante Szene in Titanic, wenn Frances Fisher, die im Film Roses Mutter spielt, sich ihr Korsett eng um den Körper schnallt. In 3D wirkt diese Szene nochmal um einiges dramatischer. Man ist dabei, spürt das Korsett fast um den eigenen Körper geschnürt. Und nur darum geht’s, das Drama zu verstärken – das ist das Tolle an 3D.

Als Sie an Avatar gearbeitet haben, bzw. jetzt an Titanic, ging das ja nicht unbemerkt vonstatten. Wie offen sind Sie anderen Hollywood-Regisseuren oder Produzenten gegenüber, die vielleicht ein Auge darauf werfen wollen, was Sie und Cameron hinter verschlossenen Studiotüren treiben?
Ein gutes Beispiel ist wahrscheinlich Tintin. Wir hatten gerade mit den Dreharbeiten zu Avatar begonnen, da bekam ich einen Anruf, dass Peter Jackson und Steven Spielberg mit dem Gedanken spielten, Tintin zu drehen, aber sie noch nicht genau wüssten, wie sie die Sache am besten angehen sollten. Kurz: Die Frage war, ob sie nicht mal vorbeischauen könnten. Wir haben ihnen dann unsere ersten Aufnahmen gezeigt, wie wir die Performances eingefangen haben und so weiter. Dann haben sie gefragt, ob sie nicht für eine Woche das Studio mieten könnten, um ein paar Testshoots durchzuführen. Und es war herrlich, Steven Spielberg dabei zuzusehen, wie er sich wie ein Kind im Süßwarenladen gefühlt hat und mit der Mini-Kamera durchs Studio gerannt ist. Kurze Zeit später haben sie mit Tintin begonnen. Was ich damit sagen will, ist: Wir sitzen ja alle im gleichen Boot. Wir entwickeln neue Technologien, damit andere sie nutzen und weiterentwickeln. Und wenn wir Leute trainieren, bei der Digitalisierung ein bestimmtes Verfahren anzuwenden, und sie arbeiten danach an Tintin oder Real Steel, ist das umso besser. Dann kommen sie hoffentlich mit noch mehr Erfahrung und besseren Fachkenntnissen zu uns zurück, und wir haben am Ende alle etwas davon – vor allem noch bessere Filme.

Haben Sie Steven Spielberg die Nutzung des Studios in Rechnung gestellt?
Nein, aber ich habe dafür ein Foto, auf dem Steven, Peter und James zusammen in Aktion zu sehen sind. Ein ziemlich cooles Foto – das ist mir viel mehr wert.