ray Filmmagazin » Themen » Regenwald statt Wüste

Aus- und Weiterbildung –Zwei praxisorientierte postgraduale Lehrgänge an der Donau-Universität in Krems

Regenwald statt Wüste

| Andreas Ungerböck |

Mit zwei praxisorientierten Lehrgängen im Herbst bietet das Österreichische Zentrum für Film und Choreographie an der Kremser Donau-Universität Aus- und Weiterbildung auf internationalem Niveau an. Ein Gespräch mit Gerald Trimmel, dem Leiter des Zentrums.

Werbung

Die Filmlandschaft ist im Umbruch. Was wie eine Binsenweisheit klingt und ohnehin seit Jahren den Diskurs in der Branche bestimmt, ist durch die voranschreitende Digitalisierung, die verschärfte Finanzkrise und die flächenbrandartige Ausbreitung von Sparkonzepten in allen Bereichen nun endgültig nicht mehr zu übersehen. Mit herkömmlichen Rezepten ist diesem Umstand nicht beizukommen, und fundierte Ausbildung bzw. konstante Weiterbildung sind unabdingbar für jeden Menschen, der in diesem Bereich in Zukunft reüssieren will.

Schon zum zehnten Mal bietet die Donau-Universität in Krems den postgradualen Lehrgang „TV- und Film-Produktion“ an, ein dreisemestriges Curriculum mit einem Master-of-Arts-Abschluss, abgehalten in deutscher und englischer Sprache und als geblockter Präsenzunterricht. Der Erfolg dieses Lehrgangs, so Gerald Trimmel, der Leiter des Österreichischen Zentrums für Film und Choreographie an der Donau-Uni, liege allein schon in seiner Struktur begründet: „Es wird in Kleingruppen von maximal 12 bis 15 Teilnehmern studiert und gearbeitet; so kann man auf individuelle Bedürfnisse und Erfordernisse gezielt eingehen. Wir bieten hier anwendungsorientierte und marktgechte Ausbildung an.“ Mit altbackenem Frontalunterricht habe das nichts zu tun, die Studierenden, „die meisten ohnehin Profis aus der Branche, die ein neues Standbein suchen oder vorhandene Fähigkeiten vertiefen wollen“, seien massiv zur Mit- und Zusammenarbeit aufgerufen, auf Praxis werde ebenso viel Wert gelegt wie auf fundierte theoretische Ausbildung.

Soft Skills

„Die Schwerpunkte liegen nach wie vor auf den Bereichen Projektentwicklung, Finanzierung und Distribution“, so Trimmel. Der Vermarktung von Projekten und deren erfolgreicher (Selbst-)Darstellung in Pitching-Situationen komme immer größere Bedeutung zu, so der Zentrumsleiter, der stolz auf die große Zahl von Absolventinnen und Absolventen verweist – und vor allem auf die höchst unterschiedlichen Berufsfelder, in denen sich diese mittlerweile bewegen. Darunter finden sich etwa Johannes Köck, Geschäftsführer der erfolgreichen regionalen Filmförderung CineTirol, dem es etwa gelang, zahlreiche Bollywood-Großproduktionen zu Dreharbeiten nach Tirol zu locken, Martin Kanzler, der heute als Medienanalyist im European Audiovisual Observatory in Straßburg tätig ist, Benita Rath, die als Entwicklungsredakteurin bei Endemol Deutschland arbeitet, oder Michael L. Reiseneder, der als Producer bei Paramount beschäftigt ist. Zu den erfolgreichen Projektarbeiten, die im Laufe des Lehrgangs fertig gestellt wurden, zählt u.a. Jenny Gands Oral-History-Dokumentarfilm Wilde Minze, der auch in den österreichischen Kinos lief und auf einiges Interesse stieß.
Gerald Trimmel wird nicht müde, die Praxistauglichkeit des Lehrgangs zu betonen, dessen sechs Module (Stoffentwicklung/Dramaturgie, Europäische Koproduktionen, Finanzierung und Kalkulation, Rechtssituation und Medienmarkt, Produktionsleitung und professionelle Kommunikation, Distribution) beständig an die neuen Erfordernisse angepasst werden. „Dadurch, dass unsere Vortragenden allesamt aus der erfolgreichen Praxis kommen, sind wir da stets auf dem neuesten Stand. Und für die Studierenden ergibt sich daraus die Möglichkeit, ganz unmittelbar wichtige Soft Skills gleich ,mitzunehmen‘. Ganz besonders trifft das auf das Thema Vernetzung zu, das immer bedeutender wird. Und dank der flexiblen Strukturen können wir stets auf neue Herausforderungen reagieren.“

Der Erfolg des Lehrgangs gibt Trimmel Recht, der sich, als die Durchführung eines solchen Curriculums zum ersten Mal konkret im Raum stand, mit dem typischen österreichischen „Argument“ des „Wozu brauch’ma des?“ konfrontiert sah: „Mir ging es darum, aus einer Ausbildungslandschaft, die sie sich damals als Wüste präsentierte, einen Regenwald zu machen.“ Das ist offensichtlich gelungen, und Trimmel hält es für denkbar, dass europäische Weiterbildungsinstitutionen mit gutem Ruf in Zukunft auch für US-amerikanische Professionals attraktiv sein könnten: „Nicht zuletzt spielt der Kostenfaktor da eine entscheidende Rolle. Wir verlangen 11.300 Euro für drei Semester, das mag manchem vielleicht viel vorkommen. Aber eine fundierte berufliche Ausbildung hat nun einmal ihren Preis, und verglichen mit dem, was man in ähnlichen amerikanischen Instituten zahlt, ist das ohnehin eher bescheiden.“

Selbstmanagement

Ein zweiter Lehrgang, der im Oktober in Krems startet und der dem studierten Musiker Gerald Trimmel mindestens genauso am Herzen liegt, ist „Music for Film and Media“. Er dauert fünf Semester lang, wird komplett in Englisch abgehalten, und schließt ebenfalls mit einem Master of Arts ab. Trimmel verweist auf die ungeheure Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten im Film- und Medienbereich für professionell komponierte, orchestrierte und umgesetzte Musik. Diesem Gedanken folgend, hat man 2010 schon einmal versucht, ein Curriculum anzubieten; der Lehrgang fiel aber damals „massiven Umstrukturierungen“ an der Universität selbst zum Opfer. Der Lehrgang richtet sich an Komponisten, Musiker, Klang- und Medienkünstler und an Musikwissenschaftler (und natürlich an ihre weiblichen Pendants), die an einem postgradualen Studium und professionellem Training mit den Schwerpunkten Musik für Film, Online-Medien, interaktive Spiele sowie an Sonic Branding für wirtschaftliche Anwendungen interessiert sind. „Längst geht es nicht mehr bloß um ,klassische‘ Filmmusik, sondern es hat sich ein weites Feld aufgetan, das aber auch eine fundierte und umfassende Aus- und Weiterbildung erfordert“, wirbt Trimmel für die Veranstaltung. Auch hier werden, neben der rein künstlerischen Arbeit, die natürlich einen beträchtlichen Anteil am Lehrgang ausmacht, zahlreiche weitere Fähigkeiten gefordert und gefördert, von denen „Selbstmanagement“ (Trimmel) eine der wichtigsten ist. „Der Markt wird größer, es gibt mehr Chancen, aber er wird auch zusehends unübersichtlicher, und es ist unabdingbar, dass man sich entsprechend positioniert“, sagt der Leiter des Zentrums. Das heißt, dass neben praktischem auch viel theoretisches Wissen angeboten wird: „Management for Composers: Presentation, Proposals, Pitching, Reports, Administration, Business Models, Brand Building“ heißt etwa ein elftägiges Modul, das im Oktober 2013 stattfinden wird. Im April 2014 steht dann „Entrepreneurship for Muscians and Composers“ auf dem Programm, ehe der Lehrgang im Oktober 2014  mit einer erfolgreich verfassten Master Thesis endet.

Als Leiter des Lehrgangs konnte ein prominenter und sehr umtriebiger Mann gewonnen werden: der 1965 in Recife geborene brasilianisch-amerikanische Komponist, Pianist und Unternehmer Miguel Kertsman, der seine Ausbildung am renommierten Berklee College of Music in Boston mit Auszeichnung abschloss und seither in den verschiedensten musikalischen Bereichen tätig war, u.a. auch als Produzent und Komponist für die Operndiva Angelika Kirchschlager, das Bruckner Orchester Linz und viele andere. „Die Tatsache, dass er neben Chicago Wien als Zweitwohnsitz gewählt hat, hat uns geholfen“, sagt Gerald Trimmel, „er hatte mehrere Angebote, darunter eines aus Valencia.“ Kertsman zur Seite steht ein illustres Kollegium, dem der japanische Games-Komponist Uematsu Nobuo, der österreichische (Film-)Komponist Paul Haslinger (Crank, Underworld) und der US-amerikanische Emmy-Preisträger Russ Landau angehören.

Doch damit nicht genug: Gerald Trimmel ist bestrebt, auch den erfolgreich durchgeführten Lehrgang „Acting for the Screen“, der 2011 in Kooperation mit EU-XXL unter der Leitung von Dieter Berner stattfand, zu institutionalisieren. Weiterbildung speziell für Filmschauspiel ist immer noch eine Rarität: Die Schauspielerinnen und Schauspieler machten sich u.a. mit Trainingsmethoden der Meisner-Technik vertraut, parallel dazu entwickelten sie unter dramaturgischer Begleitung eigene Filmfiguren. Der Episodenfilm Zimmer 34 war das Ergebnis dieses Workshops, der, so Trimmel, „alle Teilnehmer einhellig begeisterte.“ Hier soll schon demnächst weitergedacht und -gearbeitet und somit eine weitere Wüste begrünt werden.