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Prometheus – Scott, Theron, Rapace im Gespräch

Ridley, nicht Ripley!

| Pamela Jahn |

Regisseur Ridley Scott und die Darstellerinnen Noomi Rapace und Charlize Theron im Gespräch über die mehr oder weniger offensichtlichen Bezüge zu „Alien“, das Problem mit Science-Fiction und den Trick bei 3D.

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Mr. Scott, die Idee, eine Art Vorgeschichte zu Alien um die Figur des Space Jockey zu stricken, stand schon längere Zeit im Raum. Wann und wie wurde daraus ein konkretes Projekt?
RS: Zunächst einmal habe ich natürlich die Entstehungsgeschichte der drei Alien-Nachfolger aufmerksam beobachtet, die ja alle auf ihre Weise recht gut gelungen waren. Aber nach dem letzten „Alien“-Film hatte ich das Gefühl, dass damit die Franchise eigentlich auch ziemlich tot war. Wie lange ist das jetzt nochmal her?

Alien: Resurrection
kam 1997 in die Kinos.
RS: 1997, das heißt, ich habe dann zirka drei oder vier Jahre darüber nachgedacht, und was mich dabei immer am meisten verwundert hat, war die Tatsache, dass in allen drei Filmen die eigentlich zentralen Fragen stets außer Acht gelassen wurden, nämlich: Wer war der riesige Kerl im Cockpit, der im Nachhinein niedlicherweise als Space Jockey bezeichnet wurde? Keine Ahnung übrigens, wer auf diese Idee kam. Also, wer war diese Kreatur genau? Was hatte es mit der Fracht an Bord auf sich? Wohin war das Schiff damit unterwegs? Und handelte es sich tatsächlich um eine Notlandung? Das heißt, es ging mir in erster Linie um den Piloten und seine Geschichte, und mit dieser Idee bin ich schließlich auf zwei Drehbuchautoren zugegangen, Jon Spaihts und Damon Lindelof, und wir haben dann gemeinsam die erste Fassung des Skripts entworfen. Also, der Anfang von Alien war tatsächlich unser Ausgangspunkt, und es war zunächst sehr spannend, nicht zu wissen, ob daraus nun ein Prequel oder eher ein Sequel entstehen würde. Im Laufe des kreativen Prozesses entwickelte das Ganze allerdings eine völlig eigene Dynamik, die wiederum viel größere Fragen aufwarf. Zwar lässt sich in Prometheus die ursprüngliche Alien-DNA stellenweise noch erkennen, aber die Themen des Films sind gänzlich eigenständig, wenn auch in ihrem Ausmaß nicht weniger provokant.

Die eingestreuten Alien-Verweise sind jedoch für Fans recht offensichtlich, wie beispielsweise die Bezeichnung des Planeten, den die Prometheus ansteuert, LV-223. Wenn ich mich recht erinnere, handelt es sich in Alien um den Planeten LV-426. Hatten Sie Spaß daran, diese kleinen Anspielungen einzubauen?
RS: Ja, das hat schon Spaß gemacht. Aber je mehr ich mich in die Geschichte von Prometheus hineindachte, desto weniger war ich geneigt, die Verbindungen zum Original herzustellen.

Trifft das auch grundsätzlich auf das Design des Films zu?
RS: Das große Problem mit Science-Fiction und einer der Hauptgründe, warum ich so lange die Finger davon gelassen habe, ist, dass in dem Genre so ziemlich alles verbraucht ist. Jeder Raumanzug, jedes Raumschiff, die Korridore, die Planeten, alles sieht immer irgendwie ähnlich aus. Die einzige Möglichkeit, etwas Neues und Aufregendes zu schaffen, liegt demnach in der Geschichte und den Charakteren. Aber ich muss sagen, dass wir während des Design-Prozesses ziemlich viele – und ich gebrauche das Wort äußerst ungern – „coole“ Ideen hatten, die zumeist auf dem Zeichenbrett entstanden, sich aber so einfach nicht realisieren ließen. Wir haben dann an diesen Ideen weitergebastelt und alles in allem ist daraus letztlich ein Film entstanden, der sich doch ziemlich anders anfühlt.

Mrs. Rapace, Ihr Charakter Elizabeth Shaw ist eine Archäologin und Forscherin, und sie ist eigentlich die Figur, die einen durch den Film führt. Es geht vor allem um den ewigen Kampf Glaube vs. Wissenschaft, und Ihre Figur repräsentiert sozusagen die „Glaubensseite“ in diesem Konflikt.
NR: Das stimmt. Elizabeth ist eine Wissenschaftlerin, aber sie ist in Afrika aufgewachsen und ihr Vater war Priester. Das heißt, sie ist sehr religiös aufgewachsen, und sie ist von klein auf mit verschiedenen Kulturen und Menschen, die in unterschiedlichsten Verhältnissen leben, in Berührung gekommen. Dazu kommt, dass ihre Eltern recht früh verstarben. Von diesem Zeitpunkt an war sie auf sich allein gestellt, aber ihr Glaube und ihre Erfahrungen haben ihr geholfen, damit fertig zu werden und ihren Weg zu gehen. Also, sie ist eine Wissenschaftlerin, aber gleichzeitig hat sie diese wunderbare Gabe zu glauben. Diesen Konflikt fand ich unheimlich spannend, und Ridley und ich haben viel darüber gesprochen, was es bedeutet, der Wissenschaft zu dienen und trotzdem an Gott zu glauben. Ihr Motiv für die Teilnahme an dem Projekt, die Mission der Prometheus-Crew, das ist alles sehr persönlich für sie. Darauf hat sie ihr Leben lang gewartet.

Und es geht darum, bei allem Gräuel und Unglück, das um sie herum geschieht, den Glauben zu bewahren, quasi durch die Hölle zu gehen und wieder zurück.
NR: Sie macht ziemlich viel durch im Film, und sie verändert sich dabei auch. Am Anfang ist sie voller Hoffnung und überzeugt von ihrem Glauben, aber dann geschehen all diese Dinge und sie wird zur Überlebenskämpferin, zu einer Kriegerin. Und am Ende ist sie sich nicht mehr so sicher, was sie glauben soll. Da realisiert sie, dass das alles andere war, als das, was sie sich erträumt hatte.

Auch wenn Prometheus als Film für sich steht: Hatten Sie jemals Bedenken, dass Ihre darstellerische Leistung mit der von Sigourney Weaver im ersten Alien-Film verglichen werden würde?
NR: Nein. Ridley und ich haben das im Vorfeld besprochen und mein Charakter ist eben nicht Ripley. Das Wundervolle an der Zusammenarbeit mit Ridley ist, dass man sich komplett in die eigene Figur und in die anderen Figuren einfühlt, aber ich kam mir dabei niemals allein gelassen vor. Manche Drehtage waren extrem anstrengend, nicht nur körperlich, auch seelisch und geistig. Aber ich bin am Ende immer mit einem guten Gefühl nach Hause gegangen. Ich kam mir niemals vor, als hätte ich irgendeine Last zu tragen. Und wie gesagt, Elizabeth ist nicht Ripley. Sie mag aus demselben Holz geschnitzt sein im Sinne von, sie ist, wie Ripley, eine Kämpfernatur, aber das war’s.
RS: Ripley, nicht Ridley, wohlgemerkt!

Mrs. Theron, es ist nicht zu viel verraten, wenn man sagt, dass Ihre Figur anfangs eines der Rätsel ist, die der Film aufgibt
.
CT: Es ist schon ein bisschen merkwürdig, denn vieles, was Meredith Vickers auf den ersten Blick so rätselhaft erscheinen lässt, hat im Grunde damit zu tun, dass sie sich einfach extrem zugeknöpft gibt – unterkühlt und unbeteiligt in dem Sinne, dass sie angeblich allein zu dem Zweck an Bord ist, um sicherzustellen, dass alles nach Plan läuft, und damit allen anderen Mitgliedern der Crew das Leben zur Hölle macht, wie das „Anzugträger“ wie sie nun einmal gerne tun. Aber auch sie ist eigentlich aus einem ganz persönlichen Grund dabei, der allerdings nicht vorab verraten werden sollte. Aber ihre Art und das Geheimnis, das sie in sich trägt, das hat die Rolle für mich letztlich interessant gemacht. Ich hatte Tilda Swintons Charakter in Michael Clayton im Kopf, weil ich immer sehr davon beeindruckt war, wie es ihr gelingt, vom allerersten Moment an diese Panik zu verdeutlichen, die ihrer Figur eingeschrieben ist, ohne dass sie auch nur ein Wort sagt. Und Ridley hatte dann die Idee, mich ähnlich körperlich einzuspannen, dass ich mehr mit dem Körper agiere statt mit der Stimme. Und ich dachte: „Ja, genau das ist es, die Frau finde ich toll.“ So eine, die früher aufwacht als der Rest der Crew, die direkt nach dem Aufwachen ihre Liegestütze macht und dann ganz trocken fragt: „Gibt es Tote?“

Lässt sich das in gewisser Weise auch auf Ihre persönliche Arbeitsweise beziehen? Wie gehen Sie mit dem Druck um, den ein Projekt wie dieses unweigerlich mit sich bringt?
CT: Ich denke, das einzige, was man tun kann, ist, sich auf die Arbeit zu konzentrieren und nicht darüber nachzudenken, was die Außenwelt von einem erwartet. Sobald man dem verfällt, erstickt das die Kreativität. Für mich hat das in gewisser Weise immer auch mit Angst zu tun. Ich habe jeden Morgen, wenn ich zur Arbeit gehe, ein Gefühl von Angst in mir, aber ich mag das. Dieses Gefühl, morgens aufzuwachen und zu denken: Shit, ich hoffe, ich packe das heute. Dabei wird einem bewusst, dass man mit einem bestimmten Stoff arbeitet und dass man es mit einem Regisseur zu tun hat und mit Schauspielerkollegen, die einen auf Trab halten. Ich will nicht aufwachen und denken: Das schaffe ich mit links. Die ständige Herausforderung, das ist ja das Schöne an diesem Beruf.

Mr. Scott, welche Bedeutung hat der Android David [gespielt von Michael Fassbender; Anm.] für Sie in Bezug auf die Handlung?
RS: Für mich ist er eine Anspielung auf Ash [der Android in Alien; Anm.]. Aber wenn man heute einen Science-Fiction-Film dreht, dann sollte man keinen Hehl mehr daraus machen, dass es sich um einen Androiden, einen Roboter oder sonst was handelt. Das wäre albern. Aber ihn an Bord zu haben, ermöglicht eine ganz andere Art von Humor und Witz, vor allem weil man ja von vornherein weiß, was er ist, oder zumindest glaubt zu wissen, was er ist.

Hatten Sie für Ihre Schauspieler diesmal eine ähnliche Überraschung parat wie die berüchtigte Chestbursting-Szene in Alien?
RS: Es gibt eine Szene, die man wahrscheinlich als Äquivalent bezeichnen könnte, aber die haben wir unter Verschluss gedreht, Noomi und ich, da gab es keine Zuschauer.
NR: Ich hatte zwei Wochen lang Alpträume! [Lacht.]

Prometheus
ist Ihr erster Film in 3D. Viele Ihrer Kollegen schwören bereits auf die neue Technik. Wie war das für Sie?
RS: Wissen Sie, in 3D zu drehen ist keine Wissenschaft. Es geht hier nicht um Gehirnchirurgie, es ist eigentlich ziemlich simpel. Die Technik, mit der 3D-Inhalte erzeugt werden, ist das eigentlich Faszinierende. Was ich damit sagen will, ist: Ich sitze lediglich in einem Studio mit vier großen 3D-Bildschirmen, und ich schaue nur auf diese Bildschirme. Wenn ich vier Bildschirme habe, dann habe ich auch vier Kameras. Wenn ich sechs Bildschirme habe, habe ich sechs Kameras. Und vielleicht weil ich sowieso ein sehr visueller Mensch bin, fällt mir die Arbeitsweise mit 3D nicht schwer. Natürlich können Sie die ganze Sache auch unnötig verkomplizieren, indem Sie nämlich jeden im Studio einschließlich der Putzfrau nach ihrer Meinung fragen, aber das tue ich nicht. Ich hatte mit Dariusz Wolski einen wunderbaren Kameramann. Er hatte vor Prometheus erst einmal mit 3D gearbeitet [Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl; Anm.], aber das störte mich nicht. Ich hatte schon lange geplant, mal mit ihm zusammenarbeiten, und die Gelegenheit ergab sich nun. Er war sofort einverstanden, in 3D zu drehen, und wir haben die sogenannten RED-Kameras verwendet. Ich muss sagen, die Qualität ist schon beeindruckend, ob in 2D oder 3D. Also, wenn Sie mich fragen, ist das Quatsch, wenn jemand behauptet, man müsse da am Ende noch mal 16 Wochen für die Nachbearbeitung dranhängen. Wenn man weiß, was man will, muss das nicht sein. Nur wenn man natürlich 45 Minuten über jede einzelne Einstellung diskutiert, dann dauert es eben länger. Aber wenn da zum Bespiel etwas im Vordergrund hängt, dann sagt man entweder: „Das will ich nicht haben. Weg damit!“ Oder, man sagt: „Ich finde das super. Das lassen wir drin, und ihr könnt mich alle mal!“ So einfach ist das!