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Prometheus – Wer suchet, der findet

Wer suchet, der findet

| Pamela Jahn |

Jetzt aber! 33 Jahre nach „Alien“ und drei Sequels später legt Ridley Scott mit „Prometheus“ noch einmal nach. Sein lang erwartetes Weltraum-Epos ist zugleich beeindruckend und unbefriedigend, unterhaltsam und berechenbar. Ein Trost: Es hätte auch viel schlimmer kommen können

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Bei Filmen dieses Kalibers ist eine clevere Vermarktung bereits die halbe Miete. Mindestens. Wie gut sie tatsächlich sind, spielt erst in zweiter Linie eine Rolle. Wenn überhaupt. Seit Monaten war jedem klar, dass Ridley Scotts Prometheus einer der Filme des Jahres sein würde. Kaum ein anderes Werk wurde so sehnsüchtig erwartet, über keinen anderen Film wurde so eifrig spekuliert, und kein anderer ist bis zum Tag der Weltpremiere so hartnäckig unter Verschluss gehalten worden. Obwohl Prometheus erst jetzt in den hiesigen Kinos anläuft, hat jeder schon so viel von ihm gehört, als hätte er ihn längst gesehen. Das ist natürlich eine schöne Illusion, und wie groß sie ist, wird erleben, wer sich, angespornt vom inszenierten Trubel und den diversen Trailern, Teasern und Teaser-Teasern nun selbst überzeugen will und letztlich das sieht, was er vielleicht schon weiß, aber noch nicht kennt.

Zunächst drehte sich alles um die Frage, ob Prometheus nun tatsächlich das ursprünglich geplante Prequel zu Scotts Alien-Meisterwerk aus dem Jahre 1979 sei, das damals den Auftakt zur erfolgreichen Sci-Fi-Saga machte. Scott sagt nein, alle anderen sagen ja. Und wer auch nur einen der Trailer gesehen hat, ahnt, an wen der Punkt hier geht. Ein kurzer Blick auf die Handlung beseitigt auch die letzten Zweifel: Wir schreiben das Jahr 2089 als die ambitionierte Archäologin Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) und ihr Partner Charlie Holloway (Logan Marshall-Green) bei einem Forschungseinsatz auf der schottischen Isle of Skye eine Höhlenmalerei entdecken, die eine Planetenkonstellation aufweist, die ihnen bereits bei anderen archäologischen Funden aufgefallen war. Überzeugt davon, dass es sich um eine Einladung der Vorboten unserer Menschheit handelt, machen sie sich im Auftrag der Weyland Corporation auf den Weg, am anderen Ende des Universums die Wahrheit zu ergründen. Im Kälteschlaf für die geplante Mission konserviert, wachen sie wenige Jahre später gemeinsam mit den übrigen auserwählten Crewmitgliedern des Raumschiffes Prometheus am Zielpunkt angekommen auf, dem Mond LV-223. Geleitet wird die Expedition von der aalglatten Tochter des Unternehmensgründers, Meredith Vickers (Charlize Theron), unterstützt von dem adretten Androiden David (Michael Fassbender), der sich als das emotionslose Mädchen für alles ausgibt, das er, wer hätte es gedacht, natürlich nicht wirklich ist.

Genau genommen ist Prometheus zum Teil Prequel, zum Teil lediglich eine Variation des erprobten Motivs, das seit jeher um die Franchise kreist: Wo kommen die merkwürdigen Kreaturen her? Wo wollen sie hin? Und was haben sie vor? Allerdings deutet es der Titel des Films bereits an: Es geht Scott nicht länger um den Spaß am opferschweren Sci-Fi Abenteuer, das damals noch ganz im Geiste der paranoiden Siebziger entstanden war. Es geht um philosophisch-theologische Rätsel und die Antworten, die die Wissenschaft darauf gefunden zu haben scheint, und, vielleicht mehr als alles andere, geht es darum, dass man es sich immer zweimal überlegen sollte, ob man tatsächlich die Fragen stellt, deren Antwort man eigentlich lieber nicht wissen will. Am Ende sind es zu viele Fragen, die den Film dominieren, ohne mehr als lediglich altbekannte Tatsachen zu bestätigen.

Nun ist es kaum mehr verwunderlich, dass, wenn ein Film die Geschichte eines anderen ganz gleich an welchem Ende weitererzählt, diese gewöhnlich an Schwung verliert. Dennoch ist Scott geschickt genug, die Parallelen zu seinem grandiosen Original sowie den etlichen filmischen Querverbindungen so zu verweben, dass die Reminiszenzen nicht allzu augenfällig erscheinen: hier ein wenig 2001: A Space Odyssey, dort ein bisschen The Abyss, das Ganze mit einem guten Stück Star Trek unterlegt; und den Rest erledigt Michael Fassbender, der einmal mehr seine darstellerische Präsenz und Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt. Gegen die grundsätzlichen Unzulänglichkeiten des Films, von den mitunter faden Dialogen bis hin zu stereotypen Handlungsweisen und einem so majestätischen wie ohrenbetäubenden Score, der das Schiff und seine Besatzung mit Pauken und Trompeten begleitet, kann jedoch auch er nur wenig ausrichten. Auf die geradezu perfekte Fusion von Science-Fiction und Horror, mit der Alien das Sci-Fi-Genre einst neu definierte, antwortet Prometheus mit einer durchaus effektvollen, pompöseren Bildergewalt, wie sie nun einmal dem neuesten Stand der 3D-Technik entspricht. Und so ergeht es auch der Crew auf der auf Hochglanz polierten, hyperfunktionalen Prometheus am Ende zwar nicht anders, aber zumindest augenscheinlich zunächst besser als der Besatzung der vergleichsweise klapprigen Nostromo, die sich noch mit ihrem altersschwachen Raumschiff herumplagte, während der Schlaf der Vernunft stets neue Ungeheuer gebar und draußen vor der Tür das Weltall bald zu einer grenzenloser Hölle mutierte.

Tatsächlich ist es schwer, sich der visuellen Faszination von Prometheus zu entziehen. Dennoch bleibt bei aller Überwältigung ein Gefühl der Leere. Natürlich sieht es an den Kinokassen anders aus, und es soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Film trotz aller Mängel durchaus sehenswert ist. Aber es ist der Erfolg einer bewährten Rezeptur, nicht eines originellen Stoffs, der, wie es zumindest beim ersten Alien der Fall war, in jeder Szene für die Besatzung ebenso wie für die Zuschauer ein noch böseres, und damit fesselnderes Erwachen bereit hielt. Und noch etwas ist anders hier: nämlich dass Michael Fassbenders David diesmal sämtlichen weiblichen Charakteren die Show stiehlt. Sein geschlechtloser, blondierter Maschinenmensch ist die perfekte Konstruktion, die sich doch insgeheim nach einer Seele sehnt. Noomi Rapace und Charlize Theron wirken dagegen blass bis schattenlos, auch wenn erstere zumindest in einigen der besseren Actionszenen zum Zug kommt. Die wahren Schockelemente scheint sich Ridley Scott jedoch für sein Sequel zum Prequel aufzuheben. Nur so viel: Wirklich tot sind die unheimlichen Wesen aus einer fremden Welt wohl erst, wenn mit Fortsetzungen wirklich kein Geld mehr zu verdienen ist.