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The Cabin in the Woods

Komm, schrecklicher Tod

| Jörg Schiffauer |
„The Cabin in the Woods“ hinterfragt auf höchst originelle Weise die Mechanismen des Horrorfilms und die Lust am Schrecken.

Fünf College-Studenten wollen sich eine kurze Auszeit gönnen und einige Ferientage in einer abgelegen Hütte irgendwo im tiefen Wald verbringen. Die Zusammensetzung der kleinen Gruppe wird dem einigermaßen versierten Genre-Kenner von Anfang an wohl vertraut sein, sind doch von der Sportskanone über den ständig Marihuana rauchenden Nerd bis hin zum freizügigen Partygirl alle bekannten Typen versammelt. Als bei einem  Zwischenstopp an einer heruntergekommenen Tankstelle der ein wenig kauzige Besitzer den jungen Leuten eindringlich abrät, die einsame Hütte aufzusuchen, müssten eigentlich alle Alarmglocken schrillen. Doch – auch dies kommt für den routinierten Zuschauer wenig überraschend – die Warnung wird in den Wind geschlagen, und schon bald trifft die Gruppe in ihrem rustikalen Ferienhäuschen ein. Dass dort ein Einwegspiegel die Zimmer trennt, erscheint zwar ein wenig ungewöhnlich, doch diese Entdeckung tut der rasch aufkommenden Partystimmung keinen Abbruch. Einige Joints und etliche Liter Bier später finden sich die Studenten schließlich im Keller der Hütte wieder, wo sie seltsame Artefakte – Fans des gepflegten Horrorfilms werden keine Mühe haben, die Hinweise auf Klassiker des Genres zu entschlüsseln – finden. Als ein Mädchen aus der Gruppe dann auch noch eine Beschwörungsformel aus einem alten Tagebuch rezitiert, nimmt das Unheil den zu Recht erwarteten Verlauf. Denn das Aufsagen der ominösen Formel erweckt eine längst tote Familie ungastlicher Rednecks wieder zum Leben, und als Curt – die Sportskanone – und seine Freundin Jules zwecks amouröser Aktivitäten in den Wald hinausgehen, sehen sie sich alsbald von einer Horde blutgieriger Zombies bedroht: Das Schlachtfest kann beginnen.

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Soweit wäre das der reichlich unoriginelle, oftmals strapazierte Plot einer durchschnittlichen Horrorproduktion, doch im Fall von The Cabin in the Woods erweist sich die Sache als weitaus diffiziler. Denn schon mit der Anfangssequenz wird deutlich, dass nicht irgendwelche übernatürliche Mächte für das Unheil, das den urlaubenden Studenten widerfährt, verantwortlich sind, sondern dass ein ausgeklügelter, mittels Hochtechnologie umgesetzter, höchst elaborierter Plan zur Ausführung gelangt. Orchestriert von zwei Technikern, die in einem unterirdischen Labor einem ganzen Team von Spezialisten vorstehen, erweisen sich die Hütte und der sie umgebende Wald als Teil einer durch ein unsichtbares Kraftfeld abgeschotteten und mit versteckten Kameras penibel überwachten Versuchsanordnung, die sich zum Ziel setzt, das studentische Quintett ihrem Verderben zuzuführen – mittels Szenarien und Monstern unterschiedlicher Provenienz, die allesamt dem Kanon des Horrorgenres entstammen und von dem Technikerteam kontrolliert werden.

Doppelspiel

Mit dieser Ausgangslage entwickelt The Cabin in the Woods eine äußerst raffiniert umgesetzte, doppelbödige Strategie, die das Wechselspiel zwischen Genrekonventionen und Metaebene kongenial auszubreiten weiß. Denn der Handlungsstrang um die jungen Leute, die diese furchtbaren Kräfte entfachen und in ihrem Überlebenskampf von einem Schreckensszenario ins nächste taumeln, funktioniert trotz aller (kalkulierten) Vorhersehbarkeit exzellent und erzeugt ein größeres Maß an Spannung als viele ausschließlich ernst angelegte Genrearbeiten. Der Plot um das Kontrollteam wiederum etabliert jene selbstreferenzielle Ebene, die spätestens seit Wes Cravens Scream-Reihe zum festen Repertoire des Genres zählt. The Cabin in the Woods begnügt sich jedoch nicht damit, das  Genre durch Querverweise und Überzeichnung zu ironisieren, sondern die Mechanismen, die bei der Konstruktion und der Rezeption des modernen Horrorfilms wirksam werden, zu unterwandern und damit bloßzustellen. Denn die zwei Cheftechniker (gespielt von Richard Jenkins und Bradley Whitford) überwachen das Szenario nicht nur. Mittels raffinierter Technologie – wie etwa dem gezielten Einsatz von Pheromonen – lenken sie auch unbemerkt das Verhalten der jungen Leute. Wie Regisseure halten die beiden eine Reihe von Optionen (und vor allem Ungeheuer, Killer und Schreckgestalten in allen Ausprägungen) bereit, die allesamt dazu geeignet sind, die auserkorenen Opfer ihrem Ende zuzuführen. Der Verlauf in diesem bizarren „Spiel“ ist also nicht ganz exakt vorprogrammiert, feststehen soll dabei nur der grausame Tod der Protagonisten, der sich entlang bestimmter Parameter vollziehen muss. Eben diese Parameter sind – und im Verlauf des Film wird wiederholt explizit darauf verwiesen – aus dem Kanon des Horrorgenres entnommen und führen so dem Zuschauer immer wieder vor Augen, welchem Konstrukt er sich da so gerne aussetzt. Doch The Cabin in the Woods geht noch einen Schritt weiter, denn das Verhalten der alles überwachenden Technikermannschaft reflektiert ziemlich deutlich die Rezeptionskonventionen der Fangemeinde. Denn die Belegschaft in dem abgeschotteten Labor überwacht und lenkt nicht nur die Geschehnisse, sondern hat eine geradezu diebische Freude, das Leiden und Sterben der potenziellen Opfer beobachten zu können. Sogar Wetten werden unter großem Gejohle darauf abgeschlossen, welches Horrorszenario – und die damit verbundene Art des Todes – die Studenten das Leben kosten wird. Unschwer ist darin das Gehabe von Genre-Aficionados während eines Kinobesuchs zu erkennen.

Zweifellos macht es den besonderen Reiz des Horrorgenres aus, sich ganz bewusst dem dargebotenen Schrecken auszusetzen und die Lust an der Angst zu genießen. Doch dieser Lust wohnt auch immanent ein gehöriges Maß an Voyeurismus und bis zu einem gewissen Grad ein wenig Sadismus inne, denn schluss-endlich schöpft der Zuschauer seine Lust am filmischen Text – und The Cabin in the Woods versteht dies ungemein präzise klarzumachen – aus Angst, Qualen und Sterben, das den (fiktionalen) Charakteren zugefügt wird. Gerade das Genre des Horrorfilms unterliegt einem strikten Kanon, und die beinahe ritualisierten Abläufe sind mit ihrem Widererkennungswert nicht nur ein wesentlicher Teil des Vergnügens, diese Ritualisierung streicht immer auch ein wenig die Künstlichkeit und Konstruktion des Genres hervor, was es wiederum leichter macht, Tod und Gewalt als eher spielerisch-stilisiertes Element wahrzunehmen. Bei Produktionen in jüngerer Vergangenheit war jedoch tendenziell eine recht drastische Steigerung bezüglich expliziter Gewalt und Brutalität festzustellen, die zudem in diesem Ausmaß weder dramaturgisch gerechtfertigt noch durch Stilisierung irgendwie abgemildert wurden und zudem eine unverhohlene und unangenehm sadistische Komponente aufweisen. Als augenscheinlichste Beispiele seien an dieser Stelle nur Hostel und die Sequels zu Saw erwähnt. Und von gezielt eingesetzten Schockeffekten, die auf gesellschaftliche Bruchlinien verweisen, wie dies das Neue amerikanische Horrorkino in den sechziger und siebziger Jahren so brillant vorexerziert hat, kann da schon längst nicht mehr gesprochen werden. Die Remakes von The Last House on the Left oder The Hills Have Eyes mögen als Beleg für einen um sich greifenden Hang zum trivialen Voyeurismus, verbunden mit weitgehend sinnfreier Gewalt, gelten. Eine selbstkritische Reflexion der in dem Genre um sich greifenden Mechanismen, wie das The Cabin in the Woods nun vornimmt, scheint eine längst fällige Reaktion zu sein. Dabei präsentiert sich der Film jedoch keineswegs als didaktisch angelegtes Lehrstück, sondern als äußerst raffiniertes Konstrukt, das als purer Genrefilm ungemein effektiv in Szene gesetzt ist, auf der Meta-ebene das Funktionieren des Genres bloßlegt, dabei neben einer gehörigen Portion Selbstironie dem Zuschauer jedoch geschickt immer wieder auch die Lust am Voyeurismus wie mit kleinen Nadelstichen gerdazu schmerzhaft bewusst macht.

Joss Whedon, Mastermind

Für die gelungene Mischung aus Genrearbeit und Selbstreflexion ist zu einem nicht geringen Anteil Joss Whedon verantwortlich, der bei The Cabin in the Woods als Ko-Autor und Produzent fungierte. Whedon, der soeben mit dem von ihm geschriebenen und inszenierten The Avengers einen Megaerfolg landen konnte, gilt seit geraumer Zeit als einer der kreativsten Köpfe des US-amerikanischen Kinos und Fernsehens. Der als Autor, Regisseur und Produzent fungierende Whedon verfasste zu Beginn seiner Karriere u.a. Drehbücher für die Sitcom Roseanne, war jedoch schon bald auch als so genannter Script Consultant – dessen Aufgabe darin besteht, festgefahrene Projekte wieder auf Schiene zu bringen – ein gefragter Mann. So half Whedon etwa mit, Speed zu einem Kassenschlager zu machen, sein Beitrag zu Toy Story verschaffte ihm eine Oscar-Nominierung. Als Mastermind hinter den Projekten war Whedon hauptverantwortlich für den Erfolg der TV-Serien Buffy the Vampire Slayer und Angel, ehe er mit Firefly, einer kongenialen Mischung aus Science-Fiction und Western, endgültig Kultstatus erlangte. Die Serie wurde zwar wegen zu geringer Quoten nach der ersten Staffel eingestellt, doch sie hatte eine rasch wachsende Fangemeinde, die für einen überraschend guten DVD-Verkauf sorgte. Der Hype um Firefly wurde schließlich so groß, dass Whedon mit Serenity einen auf der Serie basierenden Kinofilm produzieren konnte.

Mit dem herrlich hintersinnigen The Cabin in the Woods kann Joss Whedon seinen Erfolgslauf nun nahtlos fortsetzen. Das dabei thematisierte Spannungsfeld, das die Lust am Grauen mit sich bringt, brachte Whedon in einem Interview treffend auf den Punkt: „We really wanted to make a movie that contained our ambivalence, where we have a great time with this horror at the same time as we’re sort of going, ‚We really love these people and we want to protect them from this horror.‘ That ambivalence just exists as a viewer and as a writer. Specifically I’m thinking of one passage where you’re rooting for different things at the same time very clearly, and that’s sort of part of the excitement and part of what I’ve never understood about horror, and what I’ve always loved.“