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See you soon again

| Günter Pscheider |

Kurzweilige Doku über den 90-jährigen Leo Bretholz und seine Versuche, Schülern in Baltimore die Gräuel des Holocausts nahe zu bringen.

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Mit diesen Worten „Bis bald“, verabschiedete sich 1938 der 17-Jährige Leo Bretholz in Wien von seinen kleinen Schwestern und seiner Mutter, bevor seine Odyssee durch halb Europa begann, wo er mehrmals nur knapp dem Tod entrann. Seine Angehörigen hat er wie so viele andere Holocaust-Überlebende nie wieder gesehen. Doch dieser klug inszenierte Dokumentarfilm von Lukas Stepanik und Bernadette Wegenstein stellt nicht die Nazi-Zeit in den Mittelpunkt des Geschehens, sondern stellt sich die Frage, was es bedeutet, 40 Jahre lang in Schulen immer wieder seine Geschichte zu erzählen. Leo Bretholz versteht es, in seiner nunmehrigen Heimat Baltimore Kindern aus unterschiedlichen Schichten und religiösen Gruppierungen das Erlebte anschaulich vermitteln zu können. Die Dramaturgie stimmt, die Pausen und sogar die Pointen sitzen. Wie bei einem guten Schauspieler klingt sein Vortrag so, als ob er ihn zum ersten Mal halten würde. Auch wenn der selbstironisch grantelnde Leo sich als „over-holocausted“ bezeichnet, weiß er doch, dass es seine Mission ist, der heutigen Jugend die für (nicht nur) amerikanische Kids unvorstellbaren Gräueltaten der Nazis als absolut glaubwürdiger Zeitzeuge nicht nur nahe zu bringen sondern seine Zuhörer auch emotional zu berühren. Dabei kann er auch aggressiv werden, wenn beinahe 18-jährige es „wagen“, die Shoah mit dem Koreakrieg oder der Sklaverei zu vergleichen. Der Film lebt ganz eindeutig von seinem charismatischen Protagonisten, wirft aber in etlichen auch komischen Szenen einen ebenso genauen Blick auf die Vorzüge und Nachteile des US-amerikanischen Schulsystems oder behandelt in wenigen intimen Gesprächen das Thema, wie die Nachkommen der Überlebenden mit der Vergangenheit ihrer Eltern und Großeltern umgehen. Livia, die Enkelin von Bluma Shapiro, einer weiteren Zeitzeugin, die ein wenig wie der emotionale Gegenpol zum manchmal fast zynischen Leo wirkt, hat Jahre lang davon geträumt, selbst im Zug nach Auschwitz zu sitzen. Sie will einfach nichts mehr davon hören, während eine naive Vorzugsschülerin gar nicht genug vom Thema bekommen kann und sogar beim jährlichen Talentewettbewerb selbst verfasste Texte und Fotomontagen über eine Liebesgeschichte während der Nazizeit vorträgt. Der einfühlsame aber auch ambivalente Blick auf die Schwierigkeit, die Last und vor allem die Notwendigkeit, Geschichte weiterzugeben, ist eine der Stärken dieses gemessen am Sujet erstaunlich unterhaltsamen Films.