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Abraham Lincoln: Vampire Hunter – Axt und Vorurteil

Axt und Vorurteil

| Pamela Jahn |

Der britische Schauspieler Dominic Cooper im Gespräch über engstirnige Besserwisser, rachelüsterne und keusche Vampire und warum Stuntmen auch in Zeiten von 3D und digitaler Bildbearbeitung noch immer die wahren Helden des Kinos sind.

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Abraham Lincoln: Vampire Hunter, um es gleich zu sagen, meint es ernst, todernst. Unter dem wachsamen Produzentenauge Tim Burtons entstanden, liefert Timur Bekmambetovs Leinwandadaption des gleichnamigen Mashup-Romans von Seth Grahame-Smith tatsächlich genau das, was der haarsträubende Titel erahnen lässt: ein düster getünchtes Fantasy-Action-Spektakel, das die Biografie einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der amerikanischen Geschichte mit klassischen Vampirhorrorelementen vermengt und dem Ganzen mit einer jungen, äußerst einsatzfreudigen Besetzung extra Biss verleiht. Unterstützt wird der ungeahnt vielseitige Präsident (Benjamin Walker) im Kampf gegen die aufmüpfigen Blutsauger von Henry Sturgess (Dominic Cooper), der sich kurzum als Lincolns Mentor in Sachen Vampirkampftechnik anbietet, obgleich er es des Nachts selbst, wenn auch widerwillig, faustdick zwischen den Zähnen hat.

Dominic Cooper, der zunächst mit einigen gediegenen Auftritten in englischen Fernsehproduktionen und Spielfilmen wie Saul Dibbs The Duchess und Stephen Frears Tamara Drewe von sich reden machte, darf hier einmal mehr sein Faible für exzentrische bis zwiespältige Rollen ausleben. In Lee Tamahoris auf wahren Ereignissen beruhender, aber hemmungslos überzeichneter Politfarce The Devil’s Double imponierte der adrette 34-jährige Brite bereits in der Doppelrolle als irakischer Soldat und unfreiwilliger Doppelgänger von Saddam Husseins Sohn. Kurz darauf folgten Einsätze in Captain America: The First Avenger und My Week with Marylin, in Nebenrollen zwar, aber nicht ohne mit seinem Talent auch bei Bekmambetov und anderen Regisseuren Eindruck zu schinden. In Abraham Lincoln: Vampire Hunter stellt Cooper nun einmal mehr seine schauspielerische Wandlungsfähigkeit unter Beweis, die ihm auch außerhalb von Tim Burtons kuriosem Filmuniversum bald viele neue Türen öffnen dürfte.

Ganz ehrlich, was haben Sie gedacht, als Sie das Drehbuch zum ersten Mal in die Hand bekamen?
Ganz ehrlich? Ich habe gedacht, was wohl jeder denkt: Was für ein dämlicher Titel ist das denn! [Lacht.] Im nächsten Augenblick habe ich mich dann allerdings ziemlich über mich selbst geärgert, weil ich der Sache von vornherein so voreingenommen gegenüber stand. Wenn man es sich recht überlegt, ist die Idee doch eigentlich ziemlich genial. Denn zumindest handelt es sich bei der Geschichte nicht, wie so oft, lediglich um ein aufgebauschtes Remake eines Remakes oder, noch schlimmer, ein weiteres dröges Historien-Drama über Abraham Lincoln und den Bürgerkrieg. Stattdessen gibt es eine zugegebenermaßen bizarre Nebenhandlung, auf die man sich einlassen kann und die, wenn man das tut, sehr unterhaltsam ist. Oder aber man stellt sich stur und findet das Ganze einfach nur total lächerlich. Das geht natürlich auch, macht aber definitiv weniger Spaß.

Hatten Sie von dem Roman gehört, beziehungsweise dem Vorgängerhit „Pride and Prejudice and Zombies“ („Stolz und Vorurteil und Zombies“), der ja innerhalb kürzester Zeit zum Bestseller mutierte?
Nein, ich kannte bis dahin keines der Bücher von Seth Grahame-Smith. Ich habe „Abraham Lincoln: Vampire Hunter“ dann aber gelesen, als feststand, dass ich die Rolle im Film übernehmen würde. Auch der Roman ist ja nicht unbedingt die Art von Lektüre, die ich normalerweise bevorzuge. Aber wie gesagt, ich war total überrascht, wie unterhaltsam die Geschichte ist, und man lernt trotzdem auch noch was dabei. Ich denke, das Problem ist, dass wir als Erwachsene viele Dinge zu voreilig als Blödsinn abtun, nur weil sie nicht in das Schema passen, das wir als „künstlerisch wertvoll“ erachten. Man wird da ganz leicht zum engstirnigen Besserwisser, wenn es darum geht zu beurteilen, welche Kunst nun gut oder schlecht ist und was letztlich unsere Vorstellungskraft inspiriert. Und Seths Roman funktioniert eben deshalb so gut, weil er diesem an sich sehr ernsten Thema mit einer geradezu entwaffnenden Phantasie gegenübersteht, ganz ohne Augenzwinkern und vor allem ohne dabei die Fakten aus den Augen zu verlieren. Ich kann schon verstehen, dass es einer Menge Leuten gefällt, solche Geschichten zu lesen. Ich habe dann im Anschluss auch gleich noch „Pride and Prejudice and Zombies“ verschlungen. Die Bücher sind im Grunde wunderbare Mittel, um für einen Moment aus unserer allzu ernsten Realität zu entfliehen und einfach die Phantasie spielen zu lassen. Ich persönlich finde es ganz wichtig, dass man das ab und zu tut, und dass man hin und wieder über seinen eigenen Schatten springt und seine Grenzen testet, auch was den eigenen Geschmack angeht.

Wie muss man sich Ihren Charakter im Film vorstellen? Was ist Henry Sturgess für ein Typ?
Auf den ersten Blick ist Henry ist ein ziemlich mitgenommener, griesgrämiger Typ, der zu viel trinkt, weil er vom Leben zutiefst enttäuscht wurde, und der sich deshalb weitestgehend von der Welt abschottet. Tief im Herzen ist er ein guter Mensch mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, aber gleichzeitig hat er diese dunkle Seite an sich, von der er sich nicht lösen kann. Das heißt, in erster Linie ist er Lincolns Freund und Mentor, aber angesichts der Tatsache, dass er selbst unfreiwillig zum Vampir wurde, steckt er auch in einem schrecklichen seelischen und moralischen Dilemma, und in diesem Zusammenhang wechselt schließlich auch die Dynamik zwischen den beiden Charakteren auf interessante Weise im Lauf des Films.

Vampire sind gerade wieder unheimlich in Mode im Kino. Was macht denn das Besondere an Henry aus?
Henry ist ein Vampir, aber im Grunde hasst er sich dafür, und zudem hegt er starke Rachegelüste gegenüber den Blutsaugern, die seine große Liebe auf dem Gewissen haben und die obendrein auch ihm das Leben zur ewigen Hölle gemacht haben. Gleichzeitig lehrt er Lincoln die Kunst des Vampirjagens, und er tut das nicht zuletzt auch, um seinem eigenen Dasein ein Ende zu bereiten. Das Ganze ist also ziemlich komplex und verworren und letztlich sehr traurig.

Sind Sie persönlich auch ein Fan von Vampirfilmen?
Also … Ich bin mit The Lost Boys aufgewachsen, das heißt, grundsätzlich lautet die Antwort wohl: Ja! Aber man muss da differenzieren. Ich gehöre ganz sicher nicht zum Twilight-Publikum, das gerade in die Kinos strömt. Ich kann zwar auch hier verstehen, was die Leute daran finden, aber das macht mich, wie gesagt, nicht automatisch auch zum Fan. Und ich gehöre auch nicht zu der Zielgruppe schwärmerischer Teen-Girls mit Hang zu keuschen Vampiren, auf die Twilight in erster Linie zugeschnitten ist. Gerade was Vampirfilme angeht, ist das vielleicht auch viel eher eine Alters – als eine Geschmacksfrage.

In Lee Tamahoris The Devil’s Double kann man Sie in einer Doppelrolle als Saddam Husseins Sohn Uday und als sein Doppelgänger Latif Yahia sehen, was sicher keine einfache Aufgabe war. Wonach wählen Sie Ihre Rollen aus?
Als noch relativ junger Schauspieler muss man sehr vorsichtig sein, was man annimmt und was nicht. Aber zugleich besteht die Gefahr, dass man zu viel ablehnt, einfach aus Unsicherheit, ob das nun tatsächlich der nächste Schritt in die richtige Richtung ist. Es gibt bestimmte Fragen, die ich mir dann jedes Mal stelle, zum Beispiel: Würde ich diesen Film sehen wollen? Gibt der Stoff und die Rolle, um die es geht, genug her, so dass ich damit arbeiten kann, dass ich mich selbst einbringen und dem Ganzen meine eigene Note geben kann? Wenn diese Grundvoraussetzungen geschaffen sind, gilt es abzuwägen, ob das Projekt wirklich interessant genug ist, oder ob es vielleicht doch besser ist abzuwarten, bis etwas Aufregenderes ins Haus flattert.
Ich bin grundsätzlich eher wählerisch, vielleicht zu wählerisch, was meine Rollen angeht. Das ist nicht immer gut, aber ich kann es auch nicht ändern. Ich muss schon hundertprozentig von dem Projekt überzeugt sein, sonst funktioniert es hinten und vorne nicht.

Wie bereiten Sie sich dann auf solche und andere Rollen vor?
Das kommt immer darauf an, was das genau für eine Figur ist, die ich spiele. Wenn ich einen Psychopathen verkörpere, der sich vielleicht zehn Jahre lang in einer einsamen Hütte irgendwo im Wald verschanzt hat, dann muss ich das nicht auch erleben, aber ich muss mich sehr intensiv mit dem Gefühl der Einsamkeit auseinandersetzen und damit, was es bedeutet, für einen langen Zeitraum abgeschnitten von der Außenwelt zu sein. Oder wenn ich beispielsweise Howard Stark in Captain America spiele, dann muss ich auch grundsätzlich ein Gefühl dafür bekommen, was das für ein Typ ist, aber ich muss nicht gleich sechs Monate zur NASA gehen und recherchieren. Was The Devil’s Double angeht, habe ich während der Drehvorbereitungen viel über den Irak der Hussein-Epoche gelesen und mir Videos und Filmchroniken angesehen, aber am wichtigsten war sicherlich, dass ich einen ganzen Tag mit Latif verbracht und viel mit ihm gesprochen habe. Eine solche Gelegenheit zu haben, ist im Grunde Gold wert.

Abraham Lincoln wird von Benjamin Walker verkörpert. Eine überraschende Wahl, wenn man bedenkt, dass sich Walker in Amerika bisher vor allem als Komiker profiliert hat.
Ja, das stimmt. Und Benjamin ist von Natur aus einfach ein sehr komischer Typ. Aber er ist auch extrem talentiert und hat sich wirklich unheimlich für die Rolle ins Zeug gelegt. Das Ergebnis ist ziemlich atemberaubend. Was man allerdings auf der Leinwand nicht sieht, ist, dass er jeden Morgen vor Drehbeginn mindestens vier Stunden mit einer Engelsruhe in der Maske saß, um die Gestalt von Abraham Lincoln anzunehmen, und das in der Hitze von New Orleans. Das hat mich schwer beeindruckt. Ich glaube, wenn ich jeden Morgen ab vier Uhr für vier oder fünf Stunden in der Maske sitzen hätte müssen, wäre ich irgendwann Amok gelaufen, aber nicht Ben, er hat das alles einfach so über sich ergehen lassen und nebenbei auch noch Witze gemacht – wirklich erstaunlich.

Sie haben einmal gesagt, Sie seien kein Freund von zu vielen Stunts, aber wie es aussieht, hatten Sie diesbezüglich diesmal alle Hände voll zu tun.
Ja, das ließ sich leider nicht vermeiden. Mit Stunts ist das immer so eine Sache. Das sieht immer alles ganz toll aus, wenn man es auf der Leinwand sieht. Aber wenn man dabei ist, ist es einfach knallharte Arbeit, und es dauert oft sehr lange, bis man an den Punkt kommt, wo man den Dreh raus hat. Da gibt es keine Zauberformel, alles ist auf die Sekunde genau durchchoreografiert und man muss einfach üben, üben, üben. Und irgendwann heißt es „Action“, und du versuchst die Axt so zu schwingen, als hättest du dein Leben lang nichts anderes gemacht. Und während du noch dabei bist, wirfst du einen Blick zu deinem Regisseur rüber, und ihr beide wisst, es hilft alles nichts, ein Stuntman kann das einfach tausendmal besser als du. [Lacht.] Mein Problem ist, dass ich es einfach auf Teufel komm raus genauso gut machen will wie diese ausgebildeten Stunt-Typen, gegen die man einfach nicht ankommt, weil oft auch nicht genügend Zeit zum Trainieren bleibt. Aber Zeit ist Geld, und am Ende zählt natürlich, was im Film am besten aussieht. Nur darauf kommt es an.