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Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

| Ralph Umard |

Kritische Betrachtungen zur Zeitnot unter beschleunigten Lebensbedingungen

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Im Banne der digitalen Bilder- und Informationsflut, getrieben vom Erfolgs- oder Geltungsdrang im Berufs- und Privatleben klagen viele über fehlende Zeit – auch der 1973 in Saarbrücken geborene Dokumentarfilmer Florian Opitz. In Speed setzt er sich mit dem eigenen Zeitmangel auseinander und befragt Experten nach den Ursachen. Als Hauptgrund genannt wird – neben Wachstumswahn sowie steigendem Konkurrenzdruck am Welt- und Arbeitsmarkt – die seit Beginn der Industrialisierung ständig zunehmende Beschleunigung der Lebensvorgänge. Die Eisenbahn, dann Autos und Flugzeuge haben den Personen- und Warenverkehr immer schneller werden lassen. Die Technisierung  verringerte den Kontakt von Mensch und Natur, beschleunigte Lebens- und Arbeitvorgänge. Maschinen bestimmten nun das Arbeitstempo (Charlie Chaplin hat dies bereits in Modern Times satirisch demonstriert). Beim Fernsehen lernten die Zuschauer, Bildfolgen im Zeitraffertempo wahrzunehmen. PCs, Internet und Smartphones, vor wenigen Jahrzehnten noch Science Fiction, sorgten für einen Quantensprung im Informationstransfer und beschäftigen die Menschen auch noch in der Freizeit, der klassische Feierabend fällt aus. Die Abhängigkeit von digitalen Medien führt zum Verlust der Herrschaft über die eigene Zeit.

Auf der Suche nach Alternativen zur allgegenwärtigen Rastlosigkeit fand Opitz in den Schweizer Alpen einen Ex-Investment Banker, der nach einem Leben auf der Überholspur eine Almhütte betreibt; sowie Bergbauern mit traditionellem, von den Jahreszeiten bestimmten Lebens- und Arbeitsrhythmus. Seit der Schule, sagt ein junger Viehzüchter, habe er keine Uhr mehr. Bis nach Bhutan reiste Opitz. Da wird der Lebensstandard nicht am Bruttosozialprodukt bemessen, sondern am Bruttonationalglück, ein von König Wangchuck geprägter Begriff.

Obwohl Wortbeiträge die meiste Zeit des Films beanspruchen, hält Speed das Interesse des Zuschauers wach. Die beredten Interviewpartner erläutern die komplexe Problematik im Gespräch mit Opitz unterhaltsam in allgemein verständlicher Sprache. Deutlich herauszuhören ist die Kritik am Turbo-Kapitalismus und der mit Vollgas vorangetriebenen Technisierung, die umweltzerstörerisch wirken. Wer lernt, sein Leben zu entschleunigen, gewinnt mehr Lebensqualität und Zeit für sich selber, so das Fazit. Zeit ist eben nicht nur Geld – schließlich lebt man nur einmal. Wer immer in Eile ist, dem läuft die Zeit weg.