ray Filmmagazin » Biopic » Der Fall Wilhelm Reich

Der Fall Wilhelm Reich

| Günter Pscheider |

Gut recherchiertes und gespieltes Biopic über die letzten Jahre Wilhelm Reichs

Werbung

In Antonin Svobodas neuem Film ist deutlich zu spüren, dass er sich bereits für die Dokumentation Wer hat Angst vor Wilhelm Reich? intensiv mit Leben und Werk des Psychoanalytikers und umstrittenen Innovators auseinandergesetzt hat. Reich, Verfasser des Standardwerks „Die Massenpsychologie des Faschismus”, überwarf sich mit seinem Lehrmeister Freud, entwickelte bahnbrechende Thesen wie die Orgasmustheorie und die körperorientierte Vegetotherapie, bevor er vor den Nazis in die USA flüchtete. Dort erforschte er eine bis dato unbekannte spezifisch biologische Energie, die er Orgon nannte, und beschäftigte sich mit der Möglichkeit, mit deren Hilfe künstlichen Regen zu erzeugen.Der Film spielt klugerweise ausschließlich in diesem Exil, behandelt ausführlich die gerichtliche Verfolgung durch die in der McCarthy-Ära extrem paranoid agierenen Behörden, die mit Reichs Verurteilung wegen eines Verstoßes bezüglich seiner Orgon-Akkumulatoren endete.

Private Konflikte mit seiner Frau, die er vernachlässigte, und mit seiner Tochter aus einer früheren Ehe, die hin- und hergerissen ist zwischen Faszination für den Übervater und Auflehnung, werden zwar wunderbar etabliert, aber leider nicht weiter verfolgt. So ist man annähernd zwei Stunden lang durchaus fasziniert von Reichs äußerst modern wirkender Weltsicht, bleibt aber emotional distanziert, weil Reich einfach immer Reich bleibt, kaum an sich zweifelt und auch den Auszug von Frau und Kind, die er liebt, stoisch hinnimmt. Besetzungstechnisch konnte nichts Besseres passieren, als Klaus Maria Brandauer dazu zu bewegen, endlich wieder in einem österreichischen Kinofilm mitzuwirken. Es gibt wenige europäische Schauspieler, die Technik und natürliche Präsenz gleichermaßen in sich vereinen. Hier reicht seine Ausstrahlung völlig, man schaut ihm gerne zu bei seinem Kampf gegen die Windmühlen eines bornierten Systems.

Trotzdem hätte man sich stärkere innere Konflikte für eine potenziell enorm spannende Figur gewünscht. Julia Jentsch, Birgit
Minichmayr und David Rasche geben ihr Bestes, bleiben aber Stichwortgeber in diesem von Martin Gschlacht gewohnt perfekt gefilmten Biopic, das sich etwas weniger Ehrfurcht und mehr dramaturgisch sinnvolle Freiheiten verdient hätte. Der Film regt aber dazu an, mehr über einen der einflussreichsten und am meisten missverstandenen Denker des 20. Jahrhunderts herausfinden zu wollen.