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Django Unchained

Für eine Handvoll Spaghetti

| Leo Moser |

Mit Django Unchained erweist Quentin Tarantino nicht nur dem US-Blaxploitation-Kino der siebziger Jahre Reverenz, sondern – siehe Titel – auch dem fast schon vergessenen Genre des Euro-Westerns. Ein Rückblick im Schnelldurchlauf.

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Über 70 Millionen deutsche Kinobesucher lockte in den sechziger und siebziger Jahren ein Genre in die Kinos, das die Kritiker zumeist wegen seiner Gewaltszenen verabscheuten: der Italo-Western. Zu den erfolgreichsten seiner Art zählen bis heute der Sergio Leone-Klassiker Once Upon a Time in the West (C’era una volta il west / Spiel mir das Lied vom Tod, 1968) und die Terence Hill & Bud Spencer-Italo-Western-Parodie …continuavano a chiamarlo Trinità (Vier Fäuste für ein Halleluja, 1971) mit jeweils 13 Millionen Zuschauern sowie der ebenfalls von Sergio Leone produzierte Terence-Hill-Solo-Western Il mio nome è Nessuno (Mein Name ist Nobody, 1973) mit über sechs Millionen verkauften Tickets.

Die südeuropäischen Opern der Gewalt, die wegen ihrer Herkunftsländer Italien und Spanien die Markennamen Spaghetti- bzw. Paella-Western aufgesetzt bekamen, entwickelten sich nicht nur aus der ausklingenden Welle der von Muskelmännern bevölkerten, zumeist in der Antike handelnden „Sandalenfilme“ (1958–1965), sondern auch aus dem Erfolg der dänisch-deutschen Westernproduktion Der Schatz im Silbersee (1962) nach dem gleichnamigen Roman von Karl May. Die äußerst erfolgreiche deutsche Western-Welle war es auch, die deutsche und italienische Produzenten zusammenbrachte, um mit exotischen Schauspielerensembles, dem amerikanischen TV-Seriendarsteller Clint Eastwood, dem Italiener Gian Maria Volonte, der Deutschen Marianne Koch und den Österreichern Joseph Egger und Sieghardt Rupp mit Per un pugno di dollari (Für eine Handvoll Dollar, 1964) unter der Regie des einschlägigen Fachmanns Sergio Leone das Westernfieber der nächsten Jahre zu entfachen. Von diesem Zeitpunkt an überschwemmte eine Flut von Euro-Western die Kinos, Filme, in denen im Gegensatz zu den fast keimfreien Helden der deutsch-dänischen Karl-May-Filme nunmehr Mörder, Kopfgeldjäger und Desperados zum Symbol einer pervertierten Gesellschaft wurden. Zu den bekanntesten Antihelden des Spaghetti- und Paella-Westerns zählen bis heute Django, Sartana und Sabata. Ersterem beschert im Jänner der amerikanische Kult-Regisseur Quentin Tarantino mit Django Unchained eine Renaissance, wenn man einmal geflissentlich darüber hinwegsieht, dass sich der neue Django nur dem Namen nach in dem Werk wiederfindet. Tarantino serviert einen Cocktail, der sich als Hommage an den europäischen Spaghetti-Western und an das US-amerikanische Blaxploitation-Genre der siebziger Jahre versteht.

Django, 1966 inszeniert von Sergio Corbucci, einem wie Sergio Leone aus dem Sandalen-Genre kommenden Regisseur, stellte mit seinem ganz in Schwarz gekleideten Antihelden – dargestellt von Franco Nero, der 46 Jahre später auch bei Tarantino auftreten wird – erstmals einen fast schon katholischen frühmittelalterlichen Heiligen mit einem in einem Sarg versteckten Maschinengewehr vor, der am Ende trotz seiner zerschmetterten Hände mit Hilfe eines Kruzifixes seine Feinde erledigt. Auf dieses erfolgreiche Schlüsselwerk folgten bis 1987 an die 50 Filme, die den Namen „Django“ im Titel führten, obwohl sich nur drei davon (Django und die Bande der Gehenkten, 1968, mit Terence Hill; Django und die Bande der Bluthunde, 1969, mit Anthony Steffen; Djangos Rückkehr, 1987, mit Franco Nero) tatsächlich an die Original-Figur hielten. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so ausufernd, verhielt es sich mit Djangos Konkurrenten Sabata (Lee van Cleef bzw. Yul Brynner), von dem es drei Originalfilme und ein knappes Dutzend Epigonen gab, sowie Sartana (Gianni Garko, George Hilton), der es auf fünf Originalfilme brachte und ebenfalls ein knappes Dutzend Epigonen zu verzeichnen hatte. Ausschlaggebend für derlei Gepflogenheiten waren deutsche und internationale Filmverleiher, die sich mit getürkten Titeln schnelles Geld versprachen.

Nach der Hochblüte des ernsthaften und gewalttätigen Euro-Western etablierte sich mit dem italienischen Schauspieler-Duo Terence Hill (Mario Girotti) – er war zuvor mit vier deutschen Karl-May-Verfilmungen und einer Original-Django-Verfilmung bekannt geworden – und Bud Spencer (Carlo Pedersoli), der zuvor in einigen harten Western zu sehen war, in den Parodien Lo chiamavano Trinità (Die rechte und die linke Hand des Teufels, 1970) und Vier Fäuste für ein Halleluja (1971) die komödiantische Antwort auf das Genre schlechthin. Bis auf einige wenige Großproduktionen wie Mein Name ist Nobody musste der einst beliebte Euro-Western allmählich dem Import von asiatischen Actionfilmen, die als so genannte „Eastern“ ab 1973 den Kino-markt überfluteten, weichen. Erst mit der Karl-May-Parodie Der Schuh des Manitu (2001) des TV-Komikers Michael „Bully“ Herbig schaffte es zur allgemeinen Überraschung erneut ein Eurowestern mit fast 12 Millionen Zuschauern in die Kinocharts. Aber das ist eine andere Geschichte.