Museum Hours

| Günter Pscheider |

Kurzweiliger dokumentarischer Spielfilm über die Herausforderung, im Leben und in der Kunst genau hinzusehen

Werbung

Jem Cohen war schon in seinen dokumentarischen Arbeiten, die oft in Zusammenarbeiten mit Musikern wie Guy Picciotto von Fugazi (Instrument) oder Vic Chesnutt (Empires of Tin) entstanden sind, vor allem ein begnadeter Flaneur, der mit Hilfe assoziativer Bildmontagen die Stimmung der Musik auf der Bildebene einfing. Für diesen Versuch, fiktionale Elemente in seine Schule des Genau-Hinsehens einzubauen, hat er die Stadt Wien und das Kunsthistorische Museum als Location auserkoren. Der gute Geist der Viennale, der Gästebetreuer Bobby Sommer, „spielt“ den Museumswärter Johann, der mit der in Wien gestrandeten Kanadierin Anne die Stadt auf langen Spaziergängen abseits der Touristenattraktionen erkundet. Eine dramatische Handlung darf man sich nicht erwarten, trotzdem bildet Bobby mit seiner gütigen Ausstrahlung das emotionale Zentrum dieses vielschichtigen Versuchs, der Entstehung, Wirkung und Vermittlung von Kunst auf die Spur zu kommen.

Die disparat scheinenden Elemente wie die langen biografischen und anekdotischen Gespräche zwischen den Protagonisten, die stimmungsvollen, gefundenen Bilder der grau spätherbstlich/winterlichen Stadt und die Standbilder der Kunstwerke des KHM fügen sich zu einem erstaunlich organischen Ganzen. Wie bei den Bildern von Pieter Bruegel, die in einer langen Sequenz von Ela Piplits trefflich analysiert werden, kann man auch hier den Blick schweifen lassen, von einem Detail angezogen werden oder über die philosophischen und kulturellen Implikationen nachdenken, warum die Gemälde alter Meister heute noch die Menschen emotional und intellektuell ansprechen. Jem Cohen zeigt Zusammenhänge auf zwischen den gesellschaftlichen Verhältnissen einst und jetzt, vor allem aber stellt er Fragen über die Rezeption und den Wert von Kunst im Allgemeinen. In weniger bescheidenen Händen bestünde die Gefahr, dass dieser Ansatz der Reflexion bei gleichzeitiger Ausstellung der eigenen Könnerschaft auf der Bildebene prätentiös wirkte, aber ihm verzeiht man gerne, dass er eine selbst gefilmte kurze Einstellung durch eine elegante Erklärung der Bildkomposition in ein „Meisterwerk“ verwandelt. Genauso gut kann man diesen Kunstgriff auch als Versuch sehen, die Poesie in Alltagsaufnahmen zu finden.

Auf jeden Fall ist dem Regisseur ein ambivalenter Film gelungen, der große Lust macht, wieder einmal ins Museum zu gehen, eine fremde oder auch die eigene Stadt ausgiebig zu Fuß zu erkunden und der bestätigt, dass es sich lohnt, im Leben und in der Kunst genau hinzuschauen.