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Nägel mit Köpfen

Filmstart

Nägel mit Köpfen

| Alexandra Zawia |

Wo stehen wir, wo sollen wir hin? Das offen ehrliche Sequel zu „Mein halbes Leben“

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Die Orientierungslosigkeit ist einem Putzplan gewichen. Schwamm der österreichische Filmemacher Marko Doringer noch vor ein paar Jahren in der Zwischenwelt aus Flüggewerden und Längst- erwachsen-sein-Sollen, steht er jetzt mit seiner Freundin Marlene vorm Kühlschrank und schiebt den Putzmagneten auf ihr Namensfeld. Gerade ist er mit ihr zum ersten Mal in eine gemeinsame Wohnung gezogen, da eröffnet er seinen Film Nägel mit Köpfen auch schon mit einer Szene, in der Marlene laut über Trennung nachdenkt. Vielleicht ist er eben doch noch nicht so weit, sich „festzunageln“, mit 35.

Vier Jahre nach seinem Debüt mit Mein halbes Leben spürt Doringer auch hier wieder den bittersüßen Leiden der „Thirty-Somethings“ nach, die hauptsächlich darin bestehen, in einem bestimmten Alter nicht an jenen Punkten im Leben zu sein, die einem die Gesellschaftskonventionen so vorschreiben: mein Haus, mein Auto, meine Frau, meine Kinder, und das spätestens mit 35 – da fühlt sich der in den behüteten siebziger Jahren Großgewordene überfordert. Die Nachkriegs-Mentalität der Eltern und das damit einhergehende Bedürfnis nach totaler Sicherheit teilt man nicht mehr so ganz, aber verloren fühlt man sich trotzdem ungern, auch wenn es einem ganz recht ist, sich – auch freie Werkverträge sei „Dank“ – nie festlegen zu müssen.

In welcher Generation leben wir eigentlich? Dieser Frage kann Doringer hier ebenso viele Facetten abgewinnen, wie in seiner Bestandsaufnahme zur „Situation Ü30“ zuvor, und er hat sogar noch etwas mehr Gespür dafür entwickelt, in kleinen Details ein universelles Lebensgefühl zu spiegeln. Wieder selbst vor und teilweise hinter der Kamera, wenn er drei befreundete Pärchen porträtiert, schafft Doringer einen unaufgeregt intimen Zugang in die Lebenssituationen jener Menschen. Ob der Kinderwunsch in Dubai, die Fernbeziehung Wien-Berlin oder die teils unter Homophobie leidende Beziehung zwischen einem Serben und einem Österreicher, Doringer involviert den Zuseher wie selbstverständlich in die Gedanken, Gespräche und Probleme der Beteiligten, auch indem er immer in deren Perspektive bleibt. Es ist die konsequente Offenheit aller Mitwirkenden, die bodenständige Ehrlichkeit auch von Doringers Blick und seiner Fragen (auch an sich selbst und von Marlene), die beide seiner Filme kennzeichnet und sie zu einem Teil einer kollektiven Erfahrung werden lässt. Wie sehr der Lebensort eine Beziehung beeinflussen kann, die Jobsituation und die damit einhergehende (nicht) stattfindende Selbstverwirklichung, und wie groß die Angst ist, zu versagen, etwas zu versäumen oder zu verlieren, all das kann Doringer hier mühelos thematisieren, und wenn er am Ende sogar zu einer Erkenntnis gelangt, dann kann daran jeder ein wenig wachsen.