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Ein Dossier – Neues cineastisches Spiele-Vergnügen

(Spiel-)Filme

| Hanns Peter Glock |

Ein paar Empfehlungen, sich cineastisch-interaktiv unterhalten zu lassen.

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Videospiele verstehen sich schon lange nicht mehr als reine Reaktionstests; wohlüberlegte Storys und die Nutzung filmischer Techniken sind heutzutage – bei teils kolportierten Produktionskosten um die 100 Millionen Dollar – gang und gäbe. Exquisites Beispiel ist LA Noire (PC/PS3/Xbox 360), eine Kriminalgeschichte, die man sich am besten als „versoftetes“ Gangster Squad vorstellt. Angesiedelt im Los Angeles der vierziger Jahre wird ein junger Cop bei seinem Aufstieg und Fall begleitet. Der Clou: Dank Performance-Capturing digitalisierten die Entwickler real gedrehte Verhörszenen in die virtuelle Welt. Es ist für die Spielenden deshalb möglich – und notwendig –, in Dialogpassagen Gefühlsregungen auf den Gesichtern der Figuren zu erkennen und sie im Fall der Lüge zu überführen. Das Mitwirken bekannter Akteure, u.a. John Noble aus Fringe, trägt zum hochwertigen Erlebnis bei.

Action & Adventure

Auch beim stylischen Action-Game DMC – Devil May Cry (PC/PS3/Xbox 360) war der Einfluss der Filmwirtschaft groß: (Drehbuch-)Autor Alex Garland (28 Days Later), der dem britischen Entwicklerstudio Ninja Theory schon mehrmals zur Seite stand, hat auch bei diesem – mit dem Film bzw. Comic Constantine vergleichbaren – Spiel am Script mitgewirkt. Seine Handschrift erkennt man in den zynischen Sprüchen des Antihelden Dante und entrückten Settings eines von Dämonen geplagten Londons. Ähnlich aufwendig gestaltet und mit nicht von der Hand zu weisenden Story-Parallelen zu Garlands Zombie-Horror ist der am 14. Juni erscheinende Titel aus dem Hause Naughty Dog: The Last of Us (PS3). Das Action-Spiel mit Schleichpassagen ist in einer von Pilz-Mutanten entvölkerten Welt angesiedelt und setzt auf die emotionale Verbindung, die sich zwischen der spielbaren Figur, dem Mittvierziger Noel, und seinem Schützling, dem Teenager Ellie, aufbaut.

Zu empfehlen ist auch die Uncharted-Trilogie (PS3) desselben Studios: Die Abenteuer von Nathan Drake, einer modernen Interpretation von Indiana Jones, punkten neben Schießereien, Rätseln sowie halsbrecherischen Klettereinlagen durch geschmeidige Animationen. Da hatte selbst die seit den Neunzigern berühmte Videospiel-Ikone Lara Croft Mühe, mit ihrem jüngsten Game, das sich knapp Tomb Raider (PC/PS3/Xbox 360) nennt, anzuschließen. Im Reboot ihrer Geschichte gilt es, kletternd und kämpfend das Geheimnis einer Insel mit Lost-Flair zu ergründen. Eine recht frei erkundbare Spielwelt sowie die hochwertige technische Umsetzung auf Uncharted- oder LA-Noire-Niveau lassen kaum Wünsche bei Spielprinzip und Präsentation offen. Die gute deutsche Synchronisation mit Nora Tschirner als Lara beweist ferner, dass die von vielen Videospielern als Manko angesehene „Lokalisierung“ ausländischer Produktionen mittlerweile häufig mit einigem Aufwand betrieben wird. So auch bei Heavy Rain (PS3), einer interaktiven Suche nach einem Mörder. In dem spielbaren Thriller erlebt man nach dem Whodunit-Prinzip die Schicksale unterschiedlichster Charaktere, von denen einer der Täter ist. Wer, das erfährt man am Ende der dichten Geschichte, die von einer regenreichen Melancholie getragen wird. Zahlreiche vom Spieler beeinflussbare Plotpoints lenken die Handlung in neue Richtungen. Grandios: Selbst der Tod wichtiger Spiel-
figuren durch falsche Entscheidungen ist eine Option.

Ebenfalls in die Haut eines Killers schlüpft man in der überaus populären Sci-Fi/History-Reihe Assassin’s Creed (PC/PS3/Xbox 360/Wii U). Als Mitglied einer uralten Vereinigung von Meuchelmördern vollzieht Protagonist Desmond die genetischen Erinnerungen seiner Vorfahren nach. Dabei verschlägt es ihn in die Zeit der Kreuzzüge, ins Renaissance-Italien oder in die Vereinigten Staaten zur Zeit der Amerikanischen Revolution. Ansprechend ist der Mix aus historischen Fakten – man trifft beispielsweise die Borgias oder George Washington – und fiktiven Gegebenheiten. Spielerisch stehen agiles Klettern über Hausfassaden oder durch Wälder riesiger Areale sowie Meuchelaufträge im Vordergrund.

Egoshooter

Wenn es Games gibt, die Action im Stil von Michael Bay für sich beanspruchen, dann Ego-Shooter, bei denen man das Geschehen – hauptsächlich „ballernd“ – durch die Augen der Hauptfigur mitverfolgt. Weil die Spielabschnitte linearer angelegt sind, könnten die Entwickler genau getaktete Explosionen, Wagen, die über das Sichtfeld geschleudert werden und Ähnliches am laufenden Band präsentieren. Egal, zu welchem Vertreter der Call-of-Duty- oder Battlefield-Reihe man greift – z.B dem zuletzt erschienenen CoD: Black Ops 2 (PC/PS3/Xbox 360/Wii U) oder Battlefield 3 (PC/PS3/Xbox360) –, in Sachen Inszenierung wird man daher nicht enttäuscht und ein auf Kompetitivität ausgelegter Multiplayer lässt auch nach den rund fünf- bis sechsstündigen Storys weiterspielen.

Freilich geht es auch mit dezenterer digitaler Materialschlacht: Der Steampunk-Ego-Shooter BioShock: Infinite (PC/PS3/Xbox 360) brilliert durch eine schlaue Handlung mit schockierenden Twists sowie die vom Computer gesteuerte Begleiterin des Helden, die es schafft, das reale Gefühl von Verantwortung für eine künstliche Person zu wecken. Ein Exempel dafür, dass mehr im Genre steckt als das bloße Schießen auf sich bewegende Ziele – oder um es auf Games im Allgemeinen umzulegen – das reine Bestehen von Geschicklichkeitsaufgaben.

Kurz Tipps

Nähme man den Film Phantoms und gäbe dazu ordentliche Prisen Buddy-Humor sowie Stephen-King-Horror, käme Alan Wake (PC/Xbox 360) heraus. Wenn der Autor, der mit Pistole und Taschenlampe gegen unwirkliche Schattenwesen antritt, plötzlich auf seinen eigenen Manuskriptseiten die nächste Spielszene lesend vorwegnimmt, ist man längst im Bann der kreativ erzählten Geisterbahnfahrt.

Beyond: Two Souls (PS3) erscheint im Oktober und ist dank monatelanger Performance-Capturing-Sessions mit den Akteuren Ellen Page und Willem Dafoe nicht nur sehr gut „besetzt“, sondern bietet auch interessantes Gameplay: Man steuert sowohl die Heldin als auch eine körperlose Entität.

Eine Handlung, die sich über drei Teile zieht und sich an die Entscheidungen des Spielers anpasst, und viele optionale, aber interessante Missionen abseits der Hauptstory machen das actionreiche Sci-Fi-Rollenspiel-Trilogie Mass Effect (PC/PS3/Xbox 360/Wii U – nur Teil 3) zum Zeitfresser.

Downloads

Wer sich ein wenig mit Online-Download-Stores auseinandersetzt (die es für PC, Mobiltelefone sowie sämtliche erhältlichen Spielkonsolen gibt), entdeckt dort eine Menge günstiger Indie-Games, die oft von wenigen Leuten mit geringen Mitteln, aber mit großer Wirkung erarbeitet wurden. Wer einmal das Motto „Der Weg ist das Ziel“ im PS3-Spiel Journey umgesetzt erlebt, in Thomas Was Alone (PS3) eine Geschichte bloß von Klotzfiguren erzählt bekommen oder das düster-groteske Year Walk auf iPhone oder iPad mit Kopfhörern im Bett ausprobiert hat, wird die billigen Alternativen zum Vollpreis-Game zu schätzen wissen. Zusätzlicher Vorteil: In den Shops geben Bewertungen anderer Spieler Aufschluss über die Qualität.

Hanns Peter Glock ist stellvertretender Chefredakteur des österreichischen Videospielmagazins consol.AT / www.consol.at