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The Loneliest Planet

| Alexandra Seitz |

In der Fremde einander fremd werden: dramatisch gemeint, eher zähflüssig geraten

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Nica und Alex sind ein junges, sehr verliebtes, niedliches Paar. Unbekümmert und erfahrungshungrig sind sie mit einem einheimischen Bergführer im georgischen Kaukasusgebirge unterwegs. Mangelnde Sprachkenntnisse, kulturelle Differenzen gelten ihnen nicht als Hindernis, sondern als Herausforderung. Wo englisches Radebrechen nicht weiterführt, nehmen sie Hände und Füße zu Hilfe. Und im Zweifelsfall wird eben das universell gültige, freundliche Lächeln eingesetzt. Dann aber geraten die beiden in eine Situation, in der weder Sprache, noch Geste, noch Mimik Wert besitzen und haben in der Ferne ein einschneidendes Erlebnis, das sich auf ihre Nähe massiv auswirkt.

Man erfährt nicht viel über die Protagonisten von Julia Loktevs The Loneliest Planet. Nicht, was sie im Alltag treiben, nicht, woran sie glauben. Im Kontext des gewählten, auf Reduktion wie Abstraktion setzenden, filmästhetischen Ansatzes ist dies auch nicht relevant. Nica und Alex sind typische Rucksacktouristen auf der Suche nach Freiheit und Abenteuer, zugehörig zur Zielgruppe jener Reiseführer-Buchreihe („Lonely Planet“), auf die der Filmtitel Bezug nimmt. Die deren Leserschaft in Aussicht gestellten, gewinnbringenden und exklusiven Fremdheitserfahrungen abseits des Massentourismus unterzieht The Loneliest Planet dem Realitäts-Check.

Das Ereignis, das den Reisenden die Naivität ihrer Perspektive austreibt, ist nur sekundenkurz; ein Moment, in dem Gewalt die Atmosphäre vergiftet, eine Reflexhandlung, die die unberührte Landschaft mit einem Mal die Unschuld verlieren und alles fortan besudelt wirken lässt. Geredet wird über das Geschehene nicht; die Anwesenheit des – letztlich eben fremden – Führers macht es Nica und Alex unmöglich, die Implikationen des Ereignisses – Verrat und Vertrauensverlust – auszuloten, geschweige denn zu heilen. Schweigen breitet sich aus, Versöhnungsgesten scheitern im Ansatz, Sand quietscht im Getriebe.

Das Spezifische des Films – der Verzicht auf Psychologisierung ebenso wie seine karge Narration – ist zugleich das Problematische an ihm. Der rigorose Minimalismus von Totalen sattgrüner Berglandschaft im Wechsel mit Nahaufnahmen der Wanderer erzeugt auf Dauer Langeweile. Dann sieht man statt einer seismografischen Aufzeichnung von Oberflächenphänomenen, die subtil von spannungsreichen, unterschwellig-innerlichen Vorgängen kündet, nur Handlungsarmut, der visuelle Ödnis korrespondiert.