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Fliegende Liebende

Filmkritik

Fliegende Liebende / Los amantes pasajeros

| Andreas Ungerböck |

Eine schrille Komödie mit einigem Tiefgang: Das schafft nur Pedro Almodóvar.

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Es gibt Momente in diesem Film, an denen man denkt, dass das alles too much ist: zu tuntig, zu vulgär, zu laut, zu bunt. Aber am Ende stellt man verblüfft fest, dass der spanische Vorzeige-Regisseur die schrille Verpackung doch wieder nur benutzt hat, um erstaunlich Tiefsinniges zur „condition humaine“ zu sagen, vor allem zur Frage, wie Menschen miteinander umgehen, sei es privat oder öffentlich.
Der Schauplatz ist die Business Class eines Fluges der fiktiven Fluglinie Peninsula zwischen Spanien und Mexico D.F. Wobei: Flug ist zu viel gesagt: Man kreist über Toledo, weil ein Triebwerk ausgefallen ist. Das wissen aber die Passagiere nicht, weil die beiden Herren im Cockpit zu feig sind, um es ihnen zu sagen. Die armen Leute in der Holzklasse hat man deswegen mit einem Beruhigungsmittel in Tiefschlaf versetzt, während sich in der Business Class allerlei Dramen entfalten, befeuert von drei umtriebigen schwulen Flugbegleitern: Eine nicht ganz junge  Hellseherin will ihre Jungfräulichkeit verlieren, ein Geschäftsmann ist auf der Flucht vor einem Korruptionsskandal, eine Domina überlegt, ihre Kunden, angeblich die 600 wichtigsten Männer Spaniens (König inklusive), öffentlich zu machen, ein Star- Schauspieler sieht sich mit den Folgen seiner Beziehungsunfähigkeit konfrontiert, ein junges Ehepaar mit seinen Drogenexzessen, ein Profikiller mit einem Loyalitätsproblem.
Es ist also einiges los, und die schlanken 90 Minuten vergehen buchstäblich wie im Flug. Ergänzt wird das Geschehen durch mehrere Anrufe, die vom öffentlichen Telefon in der Kabine geführt werden müssen. Das ist wörtlich zu nehmen, denn die Lautsprecherschaltung lässt sich nicht deaktivieren, und die gesamte Business Class hört mit (und kommentiert ungefragt). Auch im Cockpit herrscht Dramatik, nicht nur wegen intimer Geständnisse, sondern weil man lange Zeit keinen Flughafen zu finden scheint, der für eine Notlandung gerüstet ist. Dass man schließlich in La Mancha landet, ist –  warum, sei hier nicht verraten – ein besonderer Treppenwitz.
Almodóvar hat diesmal einen bewusst lokalen Film gedreht, der bei keinem der großen Festivals lief. Er stützt sich auf zahlreiche Neulinge, die noch nie mit ihm gearbeitet haben, aber auch auf bewährte Kräfte wie die großartige Cecilia Roth, die erstmals seit ihrer Glanzrolle in Alles über meine Mutter (1999) wieder dabei ist. Auch hinter der Kamera agieren hauptsächlich Vertraute. Ein Familienunternehmen also, bei dem auch die zwei prominentesten Mitglieder nicht fehlen dürfen: Penélope Crúz und Antonio Banderas haben einen 40-Sekunden-Auftritt gleich zu Beginn des Films: kurz, aber folgenschwer.