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La grande bellezza

Filmkritik

La grande bellezza

| Pamela Jahn |

Selbst Fellini wäre bezaubert von diesem Film.

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Jep Gambardella (Toni Servillo) ist angewidert. Von allem. Und jedem. Und von sich selbst sowieso. Mit 65 muss er sich nichts mehr vormachen: Das süße Leben, das er als einmaliger Bestsellerautor, angesehener Journalist und unverbesserlicher Frauenverführer inmitten der intellektuellen römischen High-Society genießt, ist, auch wenn er es in noch so vollen Zügen auskostet, im Grunde nur Schall und Rauch. Dennoch weiß sich der verbitterte Möchtegern-Flaubert, der vor gut 40 Jahren seinen ersten und letzten Roman verfasste, nicht anders zu helfen, als von Party zu Dinner zu Party zu flanieren und dabei in lapidaren Gesprächen und selbstreflexiven Monologen seine bitterböse Weltsicht zum Besten zu geben, in die sich mit zunehmendem Alter immer öfter auch unliebsame Erinnerungen an die Vergangenheit mischen, an vertane Chancen, eine verlorene Jugend, die Liebe seines Lebens und nicht zuletzt seine große Leidenschaft: die Literatur. Und während er zügellos über sein extravagantes Dasein sinniert, dabei stets das eine Auge auf die Frauen, das andere auf Rom richtet, verfällt er zunehmend in eine tiefe Melancholie ob der begrenzten Weile, die ihm auf Erden bleibt, und dem Ort, an dem er sie verbringen wird.
Es spricht einiges dafür, dass Paolo Sorrentinos berauschendes Filmkunstwerk, das im Mai in Cannes seine Weltpremiere feierte, als „der beste von Jury-Präsident Spielberg missachtete Film“ in die Festivalgeschichte eingehen wird: Der so eigenwillige wie stilbewusste Il Divo-Regisseur stolziert hier nicht nur ungeniert auf den Pfaden Federico Fellinis (die Referenzen zu Roma, La Dolce Vita, 8 1/2, Casanova und Satyricon sind reichlich, aber nicht aufdringlich und durchweg exquisit inszeniert), sondern wagt obendrein einen Blick hinter die Grundmauern Roms in die innerste Seele der Ewigen Stadt und ihrer Bewohner. Toni Servillo ist derweil ganz in seinem Element als schwelgerischer, knochentrockener Zyniker in Endzeitstimmung, und die Art und Weise wie er die zahlreichen selbstironischen, oft grotesken bis makabren Episoden und Anekdoten aus Jeps persönlichem Alltag mit Witz und Esprit füllt, machen La Grande Bellezza über alle Huldigung des Schönen und Gewesenen hinaus zu einem vernichtenden Porträt der römischen Oberschicht in Zeiten Berlusconis – hemmungslos, dreist und gottesfürchtig. Es mag sein, dass viele Wege nach Rom führen, aber schon lange hat keiner mehr die Stadt und die Vergänglichkeit des nichtigen Lebens so elegant und raffiniert in Szene gesetzt wie Sorrentino in diesem wunderbar exzentrischen, hervorragend gespielten und schlichtweg bezaubernden Film.