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The Call – Leg nicht auf / The Call

| Alexandra Seitz |

Gediegener Thriller mit gediegenen Problemen in den Bereichen Logik und Moral

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Jordan Turner arbeitet in der Notrufzentrale von Los Angeles. Gemeinsam mit zahlreichen anderen sitzt sie dort wie eine Spinne im Netz an einer Stelle, an der Unglück, Verhängnis, Verzweiflung, Angst und Panik zusammenlaufen. Jordan weiß nie, was die Pralinenschachtel bereithält, wenn das Telefon klingelt und sie abhebt. „911, what is your emergency?“, fragt sie immer wieder tapfer. Mal gilt es dann die Feuerwehr zu entsenden, um ein Kätzchen aus einem Baum zu holen. Mal wird sie Ohrenzeugin der Entführung eines Mädchens. Als dieses wenig später ermordet aufgefunden wird, ist es für Jordan, die sich die Schuld am Geschehenen gibt, mit der Telefonarbeit vorbei; fortan führt sie Schulungen durch, zeigt Neulingen den Arbeitsplatz. Wie es der Teufel haben will, springt sie bei einer dieser Touren ein halbes Jahr später einer noch unerfahrenen Kollegin zur Seite und hat just ein neues Opfer des Übeltäters von seinerzeit am Ohr. Und diesmal, das schwört sich Jordan Turner, diesmal kommt er nicht ungeschoren davon! Gesagt, getan. Logik und Plausibilität hin oder her. Schließlich sind wir hier in Hollywood und Leute wie Halle Berry (Retterin Jordan), Abigail Breslin (Entführungsopfer Casey), Michael Imperioli (Kollateralschaden) und Brad Anderson (Spielleiter) haben Familien zu ernähren und brauchen Geld.
Als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geht The Call gerade mal so eben durch, als Beitrag zum Thriller-Genre taugt er nicht viel, als Legitimation von Selbstjustiz macht er sich einer reaktionären und zynischen Geisteshaltung schuldig. Zudem ist es über die Maßen bedauerlich zu sehen, wie die Genannten allesamt unter ihren Möglichkeiten bleiben. Berry blickt dauerpanisch und wiederholt gebetsmühlenartig „It’s gonna be okay!“, obwohl sie weiß, dass natürlich nichts okay werden wird. Breslin kreischt dazu hysterisch und auf verschiedenen Registern und trägt insgesamt wenig zur Lösung des Problems bei. Imperioli stirbt viel zu früh, was einem Skandal gleich kommt. Und Anderson? Auf das Konto des Mannes gehen immerhin so faszinierend undurchsichtige Horror-Etüden wie Session 9 (2001) und The Machinist (2004), auch wenn er zuletzt mit Transsiberian (2008) nicht wirklich überzeugen konnte. Andersons sicheres Gespür für den Bedeutungsgehalt von Räumen jedenfalls lässt ihn auch diesmal nicht im Stich, und so ist The Call vor allem als Erkundung der Möglichkeiten von Handlungsorten wie Telefonzentrale, Kofferraum, Killer-Werkstatt immerhin interessant.