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The World’s End – Einer geht noch

| Pamela Jahn |

Edgar Wright, Simon Pegg und Nick Frost wollen es noch einmal wissen: Mit „The World’s End“ bringen sie ihre Blut-und-Eiscreme-Trilogie zu einem würdigen Abschluss.

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Zwei Eingänge führen in die Filme des britischen Erfolgstrios um Regisseur Edgar Wright, Hauptdarsteller und Ko-Autor Simon Pegg und Ko-Star Nick Frost, einer über Geschmacksrichtungen, genauer gesagt: den Geschmack von Cornetto-Eiscreme, der andere über die Welt der Tatsachen. Und zu den Tatsachen gehört, dass The World’s End, der neueste Streich der eingespielten Genreparodisten, in England mit gefühlt ähnlich großer Spannung erwartet wurde wie die Ankunft des royalen Nachwuchses.
Fast zehn Jahre nach ihrem überraschenden Kinohit, der liebenswerten Zombie-Romcom Shaun of the Dead (2004), und dem noch erfolgreicheren Provinzpolizisten-Actionreißer Hot Fuzz (2007), einer rasanten Persiflage auf das Cop-Buddy-Film-Genre im ländlich verschlafenen Ambiente, war es nun auch höchste Zeit für den abschließenden Teil ihrer ungewollt zur sogenannten Blut-und-Eiscreme-Trilogie mutierten Blockbuster-Parodien.
Was das Ganze mit Cornetto zu tun hat? Die Frage kam auf, nachdem die Eishörnchen in Shaun of the Dead und Hot Fuzz als beiläufiger Running Gag wiederkehrten, woraufhin Wright sich nicht besser zu helfen wusste, als rauszuplatzen: “It’s like Krzysztof Kieslowski’s Three Colours trilogy, only this is our Three Flavours Cornetto trilogy.“ Damit war die Garantie auf einen dritten Film besiegelt und Wright und Ko-Autor Simon Pegg sahen sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, sich noch einmal selbst zu übertreffen, ohne dabei der Gefahr zu unterliegen, den dritten Film lediglich als eine Art „Best-of” der komischsten Pointen aus den ersten beiden Werken zu verbraten, die im Übrigen trotz universell etablierter Handlungs- und Actionkonstellationen so unverschämt britisch waren, dass es ein Wunder ist, wie sensationell gut Shaun of the Dead und Hot Fuzz auch auf internationaler Ebene funktionierten.
Aber bleiben wir zunächst bei den Tatsachen. Worum genau geht es in The World’s End? Der 40-jährige Kindskopf und mittlerweile in Therapie befindliche Alkoholiker Gary King (Pegg) versammelt seine vier besten Jugendfreunde in ihrer Heimatstadt, dem verschlafenen Nest Newton Haven, um 20 Jahre nach einer legendären Kneipentour, die zwölf Pints in zwölf Pubs zum Ziel hatte, allerdings frühzeitig abgebrochen wurde, das epische Saufgelage zu wiederholen und schließlich zu seinem glorreichen Ende zu bringen. Der Ruhm wartet im letzten Pub auf der Liste, dem glorreichen The World’s End, doch außer Gary hat es keiner seiner Kumpane besonders eilig, die Vergangenheit in der Gegenwart wieder aufleben zu lassen. Vor allem Andy (Nick Frost), einst Garys Busenfreund und Retter in der Not, sträubt sich vehement gegen das Vorhaben und bleibt selbst vor Ort hartnäckig, indem er zu Garys inbrünstigem Missmut zunächst einmal Leitungswasser, oder in Garys Augen: Regen, statt Bier bestellt.
Die anderen drei der fünf selbsternannten Muskeltiere, namentlich Steven (Paddy Considine), Peter (Eddie Marsan) und Oliver (Martin Freeman), trinken von Anfang an ordnungsgemäß und munter mit, nicht zuletzt um alte Wahrheiten und den gegenwärtigen Alltagsfrust im Rausch zu ertränken, aber auch, um Gary, für den das Abenteuer von existenzieller Bedeutung zu sein scheint, nicht zu enttäuschen. Doch natürlich ist es damit längst nicht getan, denn schließlich haben sich Wright, Pegg und Frost aus mehr oder weniger naheliegenden Gründen nach Horror und Action diesmal dem Sci-Fi-Genre verschrieben, und so kommt es nach den ersten paar Runden zu einem unschönen Zusammentreffen zwischen Gary und einem grimmigen Teenager auf der Herrentoilette, wonach die Welt für den König der Narren und seine Gang eindeutig nicht mehr das ist, was sie einst war. Aber weil in der britischen Natur so schnell nichts zwischen einen Mann und sein Pint kommt, geben die fünf Freunde längst nicht auf, sondern schlagen sich stattdessen wortwörtlich von einer Kneipe zur nächsten weiter durch, verfolgt von mürrischen, mordlustigen Kleinstadtrobotern und der sich unweigerlich manifestierenden Gewissheit, dass es hier nicht nur ihnen, sondern der gesamten Menschheit apokalyptisch an den Kragen geht.
Natürlich lassen sich beim dritten Film, so anders sein Geschmack auch ausfällt, gewisse Überschneidungen in der Grundmischung nicht vermeiden: Provinznest, schleppender Einstieg, exzessives Finale sind nur einige der gewohnten Eckpfeiler. Doch es wäre ein zwar leicht auflösbares, aber unsühnbares Verbrechen, an dieser Stelle mehr zu verraten. Deshalb vielleicht nur so viel: Wer eine Geschichte um eine (mindestens) zwölf Biere involvierende Sauftour strickt, läuft Gefahr, dass sich zirka ab der neunten Runde ein gewisser Ermüdungseffekt einstellt. Das ist auch bei den Briten nicht anders, und daran kann auch ein so wunderbar harmonierendes Team wie Pegg, Wright und Frost nichts ändern. Doch wo andere spätestens ab Runde zehn unter dem Tisch liegen würden, kommen die Jungs noch einmal in Fahrt, und im Endspurt ist der Film schließlich wieder ganz bei sich und bestätigt sich als würdiger Abschluss einer bemerkenswerten Erfolgstrilogie.
Tatsächlich illustriert The World’s End einmal mehr jene Art von selbstkritischem Humor, der die Briten auch heute noch in verzweifelten Situationen zu Herren ihrer Lage macht. Wobei dazu gesagt werden muss, dass dies in erster Linie Simon Peggs Film ist. In der Rolle des nervig überschwänglichen, penetranten Gary King, einer Art Jack-Sparrow-Prototyp im Grunge-Punk-Style, der mit beiden Beinen felsenfest in der Vergangenheit steht, schafft er die schwierige Balance zwischen Plagegeist, Vollversager und bestem Kumpel. Anders als sein übereifriger Supercop in Hot Fuzz oder sein charmanter Zombiejäger von nebenan in Shaun of the Dead gibt er sich hier zum ersten Mal angeschlagen und wehmütig, und ist dabei alles andere als bewundernswert oder liebenswürdig, geschweige denn sympathisch.
Den größten Wurf hat jedoch Nick Frost gemacht, der sich in all den Jahren, seit er 1999 zum ersten Mal gemeinsam mit Pegg für Wrights legendäre TV-Serie Spaced vor der Kamera stand, zum eigenständigen Vollblutschauspieler und Drehbuchautor gemausert hat. Sein Andy ist allein deshalb interessant, weil sein Charakter, seine Vorgeschichte und seine Beweggründe nicht offen liegen wie sonst fast alles in diesem Film, und weil Frost diesmal nicht lediglich an der Seite von Pegg spielt (auch wenn er es im Grunde seinem Freund und ehemaligen Wohnungsgenossen zu verdanken hat, dass er überhaupt jemals den Sprung vom Kellner zum Schauspieler geschafft hat), sondern auf eine feine, unaufgeregte Weise fast gegen Pegg, was dem Film eine unerwartete, erfrischende Note verleiht.
Es bleibt also ein ungeniert unterhaltsames Vergnügen, dem man hier frönen kann. Auch wenn es sich mit gewissen Dauerspäßen, ob gut oder schlecht, ganz ähnlich verhält wie mit den Schnäpsen zum Pint – es wird schnell mal einer zu viel. Nichtsdestotrotz ist es Wright und Pegg hoch anzurechnen, dass sie alle, auch die entscheidenden Fragen, die ihre Figuren bewegen, konsequent auf einen spätpubertären Kern reduzieren. Die wahre Größe von The World’s End liegt jedoch in jener Mischung aus Nostalgie und Albernheit, die einem nicht nur die Seele wärmt, sondern besagter Blut-und-Eiscreme-Trilogie erst ihren unnachahmlichen Rhythmus verleiht. Nach einem Kinosommer voller dreidimensionaler, digitalgewaltiger Hollywood-Bulldozer ist es durchaus angenehm, dass ein Film so ganz und gar Kino sein kann, obwohl oder gerade weil ihm nichts und niemand ernster ist als die eigene Heiterkeit.
In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass man ausnahmsweise Nick Frost Glauben schenken darf, der anlässlich der Londoner Premiere des Films auf die Frage nach der weiteren Zusammenarbeit des Trios mit hochseriöser Miene Winston Churchill zitierte: „Now this is not the end. It is not even the beginning of the end. But it is, perhaps, the end of the beginning.“