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Österreich – Die große Österreich-DVD-Edition jetzt auch im Streaming

Mit dem Strom

| Gunnar Landsgesell |

Mit den digitalen Umwälzungen unserer Zeit beginnt auch die Edition österreichischer Film den Übertritt ins Netz. Georg Hoanzl, Erfinder der Edition, und Roland Teichmann, Direktor des Österreichischen Filminstituts, über das Recht zu streamen und Pläne, auch von ÖFI-Seite solch einen Dienst anzubieten.

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Sie starten die Edition österreichischer Film nun als Streaming-Angebot. Erleben wir gerade so etwas wie eine sich de-materialisierende Welt, in der es etwa nicht mehr so wichtig ist, einen Film zu „besitzen“?
Roland Teichmann:
Ja, eine jüngere Generation legt nicht mehr solchen Wert auf das haptische Erlebnis. Laut einer BBC-Studie hängen die 11- bis 15-Jährigen über eine Stunde pro Tag im Netz und saugen – zumeist illegal – Inhalte herunter. Insofern ist es höchste Zeit, legale Inhalte verfügbar zu machen und dem Umbruch zu digitalen Tonträgern Rechnung zu tragen. Auf dem deutschen Markt hat der digitale Vertrieb 2012 erstmals die 100-Millionen-Euro-Umsatzgrenze gesprengt.

Im Internet ist man einer unter vielen. Wie gelingt es, dort sichtbar zu werden?
Georg Hoanzl:
Das ist natürlich die allerschwierigste Übung. Wir befinden uns hier in einem Konkurrenzkampf mit rund 100.000 DVDs, die auf dem Streaming-Markt angeboten werden. Laut einer Studie werden 75 Prozent aller Filme kein einziges Mal aufgerufen. Daran lässt sich ablesen, welcher Glücksfall die Edition als gut gehendes Projekt ist. Diesen synergetischen Effekt in die digitale Welt zu übertragen, ist großartig. Denn für digitale Inhalte allein so einen ökonomischen Aufwand – samt dem der Förderer und unseres Medienpartners „Der Standard“ – zu betreiben, wäre gar nicht möglich.

Warum steigt man erst jetzt in den digitalen Markt ein?
Teichmann:
Film ist ein komplexes Feld. Man muss die Rechte abklären, und auch die digitale Aufbereitung kostet Geld. Sensibel ist auch die Frage, wie man eine Erfolg versprechende Anschubfinanzierung für so ein Projekt bekommen kann. Ich glaube, jetzt ist der ideale Zeitpunkt.

Wurden die Rechte nicht schon im Zuge der Vorarbeiten zur DVD-Edition geklärt?
Hoanzl:
Ja, aber eben nur für dieses Trägermedium, das ist extrem kompliziert. Die Rechte gelten nur für DVD, regional eingegrenzt und zeitlich befristet. Erst durch die vorhandene DVD-Edition wird es uns möglich, Rechte für den deutschsprachigen Raum zu erhalten. Das ist auch unser Plan: Schritt für Schritt in diesen Markt zu gehen. Dieser Markt steht uns offen.

Auch im Netz gibt es das Problem regionaler Beschränkungen. Für welchen Markt werden die Filme online zunächst verfügbar gemacht?
Hoanzl:
Nicht allein für Österreich. Wenn ein Rechteinhaber entscheidet, er schaltet die Rechte weltweit frei, können wir diesen Film mit bestimmten Partnern auch weltweit verfügbar machen. Zumeist aber nur in deutscher Sprache. Das muss für jeden einzelnen Film geklärt und ausverhandelt werden.

Teichmann: Zudem verfügen österreichische Produzenten ja nicht bei jeder Produktion über die umfassenden Rechte. Etwa wenn der Ko-Produktionspartner z.B. schon vorab zur Finanzierung seines Anteils Lizenzen verkauft hat.

Hoanzl: Man muss sich das so vorstellen: Wenn wir bei einem Produzenten anfragen, schickt uns der vielleicht zu einem Weltvertrieb weiter, der zum aktuellen Lizenznehmer für Deutschland, der zum aktuellen Rechteinhaber für die DVD-Auswertung. Das ergibt einen gehörigen Rechercheaufwand und leicht auch drei, vier Jahre Anlaufzeit, um die Rechte zu erwirken. Da ist es wichtig dranzubleiben und den Leuten Zeit zu lassen.

Auch das Österreichische Filminstitut plant eine Streaming-Plattform. Wie ist da der aktuelle Stand?
Teichmann:
Das ist vergleichsweise unkonkret. Aber wir prüfen derzeit, geförderte Filme ohne große Auswahl und Extra-Branding einem breiteren Publikum über das Netz zugänglich zu machen. Das kann man auch als Filmvermittlung verstehen. Wir fördern ja Filme mit viel Steuergeld, und alle in Österreich sollten die Möglichkeit haben, sich diese Filme – idealerweise barrierefrei – anzusehen. Ich verstehe das aber nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung.

Wer wird die Streaming-Plattform für die Edition österreichischer Film betreiben?
Hoanzl:
Das wird der österreichische Filmstore Flimmit machen, er wird der technische Dienstleister der Plattform sein. Für internationale Plattformen, die mit großen Paketen von 500 oder auch 5000 Filmen operieren und diese mit einem Klick in ihr System einspeisen, sind wir mit unseren 250 Filmen zu kleinteilig. Ich würde mir deshalb auch wünschen, dass in Österreich mehr solche lokale Plattformen betrieben werden: von Filmverleihen und von Programmkinos oder auch vom Filminstitut selbst. Mit der Expertise, die Flimmit nun sammelt, werden sie jedenfalls bald auch in Deutschland gefragt sein. Denn außer in Frankreich und Spanien gibt es kaum Firmen, die technisches Know-How in diesem Bereich entwickelt haben.

Wie werden die Preise gestaltet?
Hoanzl:
Die werde ich nicht bestimmen können. Die Preise werden von einem oder zwei internationalen Konzernen, vor allem von Apple bestimmt. So wie Amazon jetzt schon die Preise für physische Waren diktiert. Die lokalen Marktteilnehmer werden sich danach zu richten haben. Bei einem Versuch mit Ulrich-Seidl-Filmen hat sich aber gezeigt, was möglich ist. Es ist auf Anhieb gelungen, 15 Prozent der Umsätze nicht konzerngebunden zu machen. Das ist sehr, sehr gut. Normalerweise sichert sich Apple 97 Prozent Marktanteil. Mein langfristiges Ziel wäre es, hier gemeinsam mit anderen lokalen Plattformen ein Gegengewicht zu schaffen.

Welche Rolle spielt der ORF, der derzeit ein wenig pflichtschuldig österreichische Filme auf ORF III abspielt?
Hoanzl:
Ich bin seit zwei bis drei Jahren mit verschiedenen Stellen im ORF im Gespräch. Natürlich auch darüber, welche Position der ORF in dieser Frage einnimmt. Die Frage ist, ob er über seine Rolle als teilweiser Rechteinhaber hinaus auch eine andere einnehmen will, nämlich die als Medienpartner. In welcher Form, das weiß ich heute aber nicht.

Teichmann: Beim Thema „ORF als verlässlicher Partner“ sehe ich derzeit ein großes Fragezeichen. Ich möchte anmerken: Es besteht für 2014 keine gültige Vereinbarung über die Höhe und den mittelfristigen Fortbestand des Film/Fernseh-Abkommens. Vom ORF gibt es dazu noch keine Aussage.