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Michael Kohlhaas

| Alexandra Seitz |

Die Adaption der berühmten literarischen Vorlage erweist sich als Meisterwerk.

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Unterwegs zum Markt lässt Pferdehändler Michael Kohlhaas als Pfand für einen fehlenden Passierschein beim neuen Baron zwei prächtige Rappen zurück. Als er die Tiere wieder abholen will, sind sie von schwerer Feldarbeit zerschunden. Kohlhaas will Schadenersatz und zieht vor Gericht; die Klage wird abgewiesen. Nun will des Händlers Frau am Hof vermitteln, wird dort jedoch tödlich verwundet. Da nimmt Kohlhaas das Recht in die eigenen Hände, greift zur Gewalt und überfällt das Schloss des Barons. Als sich ihm danach weitere Unzufriedene anschließen und ein Aufstand droht, verschafft die Obrigkeit dem stolzen Mann endlich sein Recht. Doch ist damit auch Gerechtigkeit hergestellt?
Heinrich von Kleists 1810 erschienene Novelle „Michael Kohlhaas“ handelt auf ökonomisch knappe Weise und bis zum bitteren Ende vom Widerstand eines Individuums gegen die Willkür der Herrschenden sowie von der Differenz zwischen Recht und Gerechtigkeit. Arnaud des Pallières verfilmt diesen Meilenstein der Weltliteratur auf nicht minder ökonomische Weise. Statt der gemeinhin mit Historienfilmen assoziierten Opulenz setzt er in seiner Adaption auf allgemeine Reduktion: O-Ton, natürliches Licht, kaum Studio-, dafür umso mehr Außenaufnahmen, Bescheidenheit bei Ausstattung und Kostüm. Das Ergebnis ist ein in seiner unmittelbaren Ausdruckskraft geradezu unheimlich verdichteter Film, in dem jede Geste, jeder Blick, jedes Wort, jeder Windstoß und jede Wolke mit über sich selbst hinausweisender Bedeutung aufgeladen ist.
Auf diese Weise wird in des Pallières’ Michael Kohlhaas deutlich und, vor allem, auch emotional in ganzer Tragweite nachvollziehbar, dass es sich bei dem Kleist’schen „Michael Kohlhaas“ ausgetragenen Konflikt um einen fundamentalen, philosophischen handelt: In der tragischen Geschichte dieses, wie Ernst Bloch ihn nannte, „Don Quijote rigoroser bürgerlicher Moralität“ ziehen unterschiedliche Rechtsauffassungen gegeneinander ins Feld, ist von der schmerzlichen Differenz die Rede zwischen einem gesellschaftlich gesetzten Justizsystem und einem quasi-natürlichen Gerechtigkeitsempfinden, das diesem sowohl vorausgeht als es auch transzendiert. Nicht zuletzt erzählt wird die zeitlos gültige Fabel von der Pflicht des Citoyens zum Widerstand gegen Despotismus. Damals im 16. Jahrhundert, als das reale Vorbild der Figur, der brandenburgische Kaufmann Hans Kohlhase, in Berlin gerädert wurde, wie heute.