ray Filmmagazin » Filmkritiken » Der Medicus / The Physician
Der Medicus

Filmkritik

Der Medicus / The Physician

| Alexandra Seitz |

Gediegener Weihnachtslangweiler für Bildungsbürger

Werbung

Die amerikanische Originalausgabe von Noah Gordons Bestseller-Roman „Der Medicus“ erschien 1986, 1987 kam die deutsche Übersetzung auf den Markt und verkaufte sich danach millionenfach. Dass dennoch über zwanzig Jahre vergehen sollten, bis das vor allem in Europa erfolgreiche Buch verfilmt wurde, darf einen wundern. Bietet dieser erste Teil einer Trilogie, die sich um die fiktive Medizinerdynastie der englischen Familie Cole dreht und die historische Entwicklung des Arztberufes beschreibt, doch jede Menge Spannung und Abenteuer, Drama, Tragik und Komödie, Liebeslust und Liebesleid, sowie dies und das und jenes. Vor allem aber bietet der Roman die Möglichkeit, sich in wilden Vorstellungen über die wüsten Zustände in längst vergangenen Zeiten zu ergehen. Im vorliegenden Fall dem 11. Jahrhundert, als in Europa das so genannte finstere Mittelalter herrschte und Patienten mit der Holzhammermethode betäubt wurden, während im Orient Kultur und Bildung so üppig erblühten wie die Mohnblumen.

Um im Orient, genauer, im persischen Isfahan, bei dem weithin gerühmten Universalgelehrten Ibn Sina Medizin zu studieren, nimmt der Baderlehrling Rob Cole einen weiten, beschwerlichen und gefährlichen Weg auf sich. Er gibt sich als Jude aus, da Christen in Persien der sofortige Verlust des Kopfes droht, und gerät so auf ein zwar weniger tödliches, doch nicht minder brisantes Konfliktfeld, das sich zwischen Muslimen und Juden erstreckt. Roman- wie Filmhandlung werden von diesen Differenzen zwischen unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften und ethnischen Gruppen, Debatten um Vorurteile, Denkverbote und Tabubrüche vorangetrieben. Sie ermöglichen es Philipp Stölzl auch, in seiner Verfilmung den Bogen in die Gegenwart zu schlagen, hin zum aktuellen und allerorten herrschenden, radikalisierten Religions-Unfrieden.

Doch so anregend es auch sein mag, einmal mehr in den fernen Spiegel zu blicken: Mit seinen zweieinhalb Stunden Laufzeit ist Der Medicus zwar ein ziemliches Trumm, macht jedoch den Eindruck, die fürs Kino erstellte Kondensfassung eines Fernseh-Mehrteilers zu sein. Dramaturgisch holpert es gewaltig, der Beginn zieht sich, der Mittelteil zerfällt in disparate Kapitel, das Ende wirkt übereilt. Ständig ist überall irgendetwas los, Thema um Thema wird angerissen, Motiv um Motiv eingeführt, doch dann fehlen Geduld und Zeit für Entwicklung und Lösung. Ein guter Medicus wäre Stölzl so jedenfalls nicht geworden.