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Games – Die Rückkehr der Lara Croft

Die Rückkehr der Lara Croft

| Josef Boschitz |

Obwohl bereits im März erschienen, hat „Tomb Raider“ – der Neustart der beliebten Reihe – nichts an Aktualität verloren. Reboots sind, wie im kommerziellen Spielfilm, nun auch in der Games-Szene im Kommen. So wurde Lara Croft ein interessanter Neuanstrich verpasst, der die Basis für weitere Games und für die bereits angedachten Neuverfilmungen legt.

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Mit „Tomb Raider“ in der neuen Version wird die Reihe rund um die Archäologin Lara Croft neu gestartet. Das Game stellt somit einen der ersten, aber nicht den einzigen Reboot in der Computerspiel-Szene dar. Die Games-Kultur tendierte bisher eher dazu, Reihen bis zur Unendlichkeit (mit Sequels bzw. Prequels) fortzuführen, anstatt sie mit einem entstaubten Neuansatz wiederzubeleben. Dabei könnten neue Umsetzungen desselben Grundstoffes in einem sich technisch so schnell entwickelnden Medium schon lange viel eher Bestandteil denn Ausnahme sein. „Tomb Raider“ nimmt bei diesem Vorgehen starke Anleihen an der aktuellen filmischen Reboot-Mode. So wie bei dieser üblich, setzt der erste Teil der neuen Reihe mit der (noch) jungen Hauptperson an, folglich bei der origin story, also jener Geschichte, die die Hinter- und Beweggründe der Figur erzählt. Dabei beginnt „Tomb Raider“ gar nicht so sehr bei Null, wie es Batman Begins oder die aktuellen Marvel-Comicverfilmungen vorgemacht haben; vielmehr schmeißt einen das Game wie eine Kurzgeschichte mitten ins Geschehen. Der Spieler befindet sich als bereits archäologisch und survival-technisch ausgebildete Lara auf einer Insel, welche schließlich auch die einzige Location der Spielsequenzen darstellt. Es wird somit die origin nicht in der bisher gewohnten epischen Breite, mit unzähligen Ort- und Zeitsprüngen, geschildert; vielmehr zeigt „Tomb Raider“ einen spezifischen Teil der Entwicklung der Protagonistin. Gegen Anfang muss man als Lara z.B. das erste Mal einen Menschen töten (weitere sollen im Lauf des Games freilich folgen). Die Reifung der Protagonistin von einer von Selbstzweifel geplagten jungen Frau zu einer autarken Kämpfernatur steht im Mittelpunkt.

Laras Mitmenschen

Später wird nachgeliefert, wie man auf die Insel gekommen ist: Lara befand sich mit sieben Kollegen auf einem Schiff zu einer Expedition auf der Suche nach dem verlorenen Königreich Yamatai. Nachdem sie die Crew überzeugte, im „Dragon’s Triangle“ (einer Art pazifischem Bermudadreieck) danach zu forschen, hat ein heftiger Sturm das Schiff an Land einer Insel inmitten jenes Drachendreiecks getragen. Dort werden schließlich einige Crewmitglieder von Inselbewohnern gefangen genommen. Die Protagonistin macht sich selbst für die Situation verantwortlich: Beinahe jede längere Cutscene handelt davon, dass Lara, um ihre Freunde und sich von ihrer eigenen Schuld zu befreien, das „Abenteuer“ annehmen muss und dies nicht, wie es bei den vorherigen Spielen war, aus einer Figur-inhärenten Abenteuerlustigkeit will. Davon erzählt auch ihr Voice-over in der ersten Cutscene: „I’d finally set out to make my mark; to find adventure. But instead, adventure found me.“

Ebenso neu ist die große persönliche Verbundenheit zwischen Lara und anderen Charakteren. Vor allem in den frühen „Tomb Raider“-Games wurde sie als Einzelgängerin inszeniert, die sich kaum für soziale Kontakte interessierte (Ausnahmen: Butler Winston und Mentor Werner Von Croy). Nun steht ihre Interaktion mit mehreren Crew-Mitgliedern im Fokus, und sie ist öfters dem Groll der Schiffsmechanikerin – welche Lara die Schuld für die Misere ankreidet – ausgesetzt.

Zudem wird das familiäre Umfeld der Protagonistin näher beleuchtet. Denkt man an filmische Reboots, wie jene von Superman oder James Bond, fällt auf, dass auch in Man of Steel bzw. Skyfall eine weitaus stärkere Betonung der familiären Hintergründe des Helden als in vorherigen Filmen der beiden Franchises stattfindet. Natürlich hat auch Lara eine ambivalente Beziehung zu ihrem Vater, der bei einer Expedition verschwunden und wohl gestorben ist. Ihr Ersatzvater ist Conrad Roth, Kapitän der Schiffscrew, der sich im Lauf des Spiels für Lara opfert. Wie in den filmischen Neustarts bietet auch hier das Reboot einen weitaus ernsteren Zugang als die vorangegangenen Games und betont die Leidensfähigkeit der Hauptfigur.

Zwischen Sexismus und starker Frauenfigur

Die „Tomb Raider“-Reihe hat sich seit jeher – zu Recht – den Vorwurf des Sexismus gefallen lassen müssen. Der erste Teil brachte 1996 in die noch klar von männlichen Jugendlichen dominierte Domäne der Videospiele eine weibliche Hauptfigur mit übergroßer Oberweite, extremer Wespentaille und ultralangen Beinen. Dass Lara Croft anfangs mit keiner unabhängigen Persönlichkeit ausgestattet war, sondern einfach als weiblicher Indiana Jones mit zwei Pistolen gesehen werden konnte, tat sein Übriges dazu. Im Lauf der Zeit entfernten sich die Körpermaße der Figur immer mehr von dieser Übererfüllung des maskulinen Begehrens, hin zu einem menschlicheren Bild. Das Reboot macht mit der Psychologisierung der Protagonistin einen weiteren Schritt in Richtung einer plausibleren Figurenskizze. Dabei ist Lara auch im neuen Teil nur leicht bekleidet, doch lässt sich hierfür zumindest eine dramaturgische Begründung finden. Das Outfit wird von der Protagonistin nicht mehr als bestmögliche Montur für eine archäologische Reise gesehen, vielmehr lässt das Schiffsunglück als Start des Abenteuers kein Umkleiden zu. Zudem lassen die neuen grafischen Möglichkeiten die bis zum Ende hin heftig versehrte Heldin dreidimensionaler und zu einer nahezu wahrhaft starken Frauenfigur werden. Dazu trug bestimmt auch der weibliche Neuzugang zum Entwicklerteam bei, Hauptautorin Rhianna Pratchett (Tochter des britischen Fantasy-Schriftstellers Terry Pratchett).

Das Gameplay vollzieht mit dem neuen „Tomb Raider“ eine Art Kommerzialisierung. Nicht mehr die Rätsel, sondern der Shooter-Aspekt des Spiels steht im Vordergrund. Lara Croft präsentiert sich im Gameplay und den Cutscenes unterschiedlich: Während des eigentlichen Spielens ist sie die harte Vollstreckerin, die ihre Widersacher mit überheblichen Sprüchen anstachelt. Dies scheint auf den ersten Blick unlogisch, macht aber klar: Ein Videospiel vermittelt seinem Spieler die Story natürlich nicht nur über Cutscenes, sondern auch durch die Spiel­szenen. Abgelesen werden kann daran ein größeres Spektrum der Hauptfigur, der natürlich schon von Anfang an auch eine gnadenlose Art eigen ist.

Der Plot ernüchtert

So viel mit der Charakterisierung der Protagonistin richtig gemacht wurde, so wenig Kreativität blieb für den eigentlichen Plot übrig: „Tomb Raider“ ist ein wildes Sammelsurium an Zitaten, das sich in ein unelegantes Ganzes fügt. Weiters bleiben durch die starke Fokussierung auf Lara weder der Antagonist noch die Nebenfiguren im Gedächtnis. Hierbei merkt man leider, dass „Tomb Raider“ ein Videospiel ist, das sich große Anleihen beim Film nimmt, doch noch immer nicht differenziert genug ist, eigene Wege zu beschreiten.

Am Ende des Spiels hält man als Lara schließlich doch die beiden Trademark-Pistolen in den Händen und erschießt den Antagonisten. Anders als Daniel Craig, der im ersten Teil des James Bond-Reboots Casino Royale auf die Frage, ob er den Martini „shaken or stirred“ haben will, mit „Do I look like I give a damn?“ – also gerade nicht mit dem Trademark-Spruch – antwortet, ist Lara Croft am Ende des Spiels fast wieder die Alte. Hoffentlich nicht ganz.

Josef Boschitz
Studium der Theater-, Film und Medienwissenschaft an der Universität Wien (Diplomarbeit über Schwarzweiß-Darstellungen im zeitgenössischen Populärkino). Filmkritiker und Kolumnist bei UNCUT-Movies (uncut.at) und museums-pädagogischer Kulturvermittler im ZOOM Kindermuseum.