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Den Menschen so fern / Loin des hommes

| Alexandra Seitz |

Existenzialistischer Western vor dem Hintergrund des beginnenden Algerienkrieges

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Daru weiß nicht, wie ihm geschieht. Mit einem Mal hat er diesen Algerier am Hals, Mohamed, und soll ihn in der nächstgrößeren Ortschaft der französischen Gerichtsbarkeit übergeben. Daru leitet eine kleine Schule irgendwo in der kargen Ödnis des Atlasgebirges, fern von seinen Landsleuten – doch nicht fern genug. Mohamed wiederum hat einen Mord an einem Verwandten begangen und sucht den Ausweg aus der daraus entstandenen Blutsfehde bei den Franzosen – auch da ist ihm der Tod gewiss.

Im Winter 1954 steckt der algerische Befreiungskrieg noch in seinen Revolten-Anfängen. Doch die ersten Beben des kommenden Schreckens grundieren das Geschehen in David Oelhoffens Loin des hommes. Mit Macht und ohne Rücksicht drängt sich die Gewalt in das Leben der beiden Protagonisten, niemand fragt, ob sie ihr Schicksal verdient haben, und nichts anderes bleibt ihnen übrig, als innerhalb der Zwangslage, in die sie sich geworfen sehen, Entscheidungen zu treffen. Die können ihnen die Möglichkeit zur Selbstbestimmung zwar auch nicht mehr zurückbringen, aber sie vielleicht zumindest ihre Würde bewahren lassen.

Ohnehin besteht die Würde des Menschen darin, die Sinn- und Hoffnungslosigkeit seines Daseins nicht vergeblich rational zu ergründen zu suchen, sondern sie schlicht hinzunehmen. Sagt jedenfalls Albert Camus, auf dessen 1957 veröffentlichter Kurzgeschichte „L’Hôte“ (Der Gast) Oelhoffens Film basiert. Und weiter meint der Vertreter des Existenzialismus sinngemäß, dass es weder Gott noch eine allgemeine Vernunft braucht, um eine solidarische Beziehung zum Mitmenschen einzugehen, die wiederum in eine den Nihilismus überwindende Philosophie der Revolte mündet. Nimm dies, verzagender Kleingeist!

Also machen sich Daru und Mohamed auf den beschwerlichen Weg und rollen den ihnen zugespielten Felsbrocken durchs
Gebirge. Sie werden von der rachsüchtigen Verwandtschaft Mohameds gejagt, sie werden von den Rebellen der FNL gefangen genommen, sie werden von der französischen Armee befreit. Und sie werden zu Freunden, die einander aus ihren Leben erzählen und gemeinsam ein Bordell besuchen.

Mit seinen weiten Panoramen, den Motiven von Flucht und Verfolgung sowie den punktuierenden Gewaltausbrüchen erinnert Loin des hommes an einen Western. Der Hintergrund des beginnenden Algerienkrieges aber verortet das Geschehen in einem konkreten politischen Kontext, darin die von Camus propagierte Absurdität menschlicher Existenz, zumindest hier, ihre Ursache hat.

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