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Umimachi Diary – Unsere kleine Schwester

Umimachi Diary - Unsere kleine Schwester

| Günter Pscheider |

Warmherziges Familiendrama für geduldige Zuschauer

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Erneut setzt sich Kore-eda Hirokazu auf gewohnt subtile Weise mit seinem Lieblingsthema, unkonventionellen Familienstrukturen, auseinander. Nach der schwer zu beantwortenden Frage in Like Father, Like Son, was die Eltern-Kind Bindung stärker beeinflusst (die Erziehung oder die Gene), untersucht er hier die Auswirkungen elterlichen Fehlverhaltens auf den weiteren Lebensweg der Kinder. Das klingt eher deprimierend, der Film nach einem populären Manga entpuppt sich aber als sein bislang leichtestes und warmherzigstes Werk. Diesen Effekt erreicht er vor allem, weil er in der ersten Hälfe des Films eine absolut positive Grundstimmung etabliert: Drei erwachsene Schwestern fragen nach dem Begräbnis ihres Vaters, den sie seit 15 Jahren nicht gesehen haben, ihre aufgeweckte 13-jährige Halbschwester Suzu instinktiv, ob sie nicht zu ihnen ziehen will.

Die drei Schwestern leben in dem alten Haus, in dem  sie aufgewachsen sind, und sie haben jede so ihre kleinen Probleme: Die älteste vernachlässigt wegen ihres Berufs als Krankenschwester ihr Privatleben, die mittlere wählt immer den gleichen Männertyp, der sie nur ausnützt, die jüngste ist etwas wunderlich. Sie streiten öfter miteinander, aber bei den wichtigen Dingen sind sie sich einig.
Wunderbar, wie an Hand von Details ein ganzes Universum der Zusammengehörigkeit definiert wird. Man ist als Zuschauer fast ein wenig neidisch, falls man selber keine Geschwister hat. Vielleicht geht einem deshalb nach einer gewissen Zeit diese Heimeligkeit, die direkt aus den fünfziger Jahren zu kommen scheint, ein wenig auf die Nerven. Mit der Ankunft der Mutter, die vor 14 Jahren weggegangen ist, wird der Ton melancholischer, Konflikte zwischen abwesenden Eltern und Kindern und den Geschwistern werden endlich an- und ausgesprochen.

Dabei wird mehrfach betont, dass niemand Schuld daran sei, dass die Schwestern elternlos bei der Oma aufgewachsen sind, weil der Vater sich in Suzus Mutter verliebt hat und die Mutter nach einem Zusammenbruch ihre Kinder im Stich gelassen hat. In einigen schön erzählten kurzen Szenen wird nahegelegt, dass es den Schwestern bei der Großmutter sowieso besser ergangen sei als bei der Mutter. Der Regisseur erzählt einen veritablen Tragödienstoff von Scheidung und Verlust sozusagen rückwärts als tröstende Eloge auf die Geschwisterliebe und auf die Fähigkeit, in den kleinen Dingen des Alltags wie gemeinsamen Mahlzeiten oder dem Pflücken von Pflaumen die Schönheit der Welt zu erkennen.

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